Sarkozy und die Raumplanung

Monsieur 30 pour cent

d'Lëtzebuerger Land du 02.03.2012

Nicolas Sarkozy ist immer für Überraschungen gut. Jetzt, da seine erste – vielleicht auch letzte – Mandatsperiode sich dem Ende zuneigt, ist er unter die Raum- und Stadtplaner gegangen. Am 29. Januar hat er nicht nur eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer angekündigt, sondern sich auch der diffizilen Frage des Wohnungsmarktes zugewandt. „In sämtlichen Ländern der Erde gehen die Mieten und die Grundstückspreise herunter, sobald eine Krise da ist. Außer in Frankreich”, so der Präsident. Apropos: Entweder gilt diese Aussage nicht für Luxemburg oder die Krise ist noch nicht bei uns angekommen…

Der städtische Raum soll verdichtet werden, schnell und ziemlich brutal. Weniger aus raumplanerischen, eher aus wohnungspolitischen Gründen. In den Ballungsräumen der Republik ist (bezahlbarer) Wohnraum nämlich akute Mangelware. Jetzt, kurz vor der Präsidentenwahl, möchte Sarkozy Nägel mit Köpfen machen. Die Bebaubarkeit soll um 30 Prozent erhöht werden, überall. Diese Maßnahme, die bereits am 22. Februar – im Schnellverfahren – von der Assemblée générale verabschiedet wurde, sieht vor, dass sowohl das bestehende, als auch das geplante Bauvolumen um fast ein Drittel (!) vergrößert werden kann. Je nachdem, kann also mehr in die Höhe, in die Breite oder in die Tiefe geplant und gebaut werden, allerdings nur drei Jahre lang. „Sie haben ein 100 Quadratmeter großes Häuschen? Dann dürfen Sie jetzt auf 130 Quadratmeter vergrößern. Sie sind eine Gemeinde und besitzen eine bebaubare Fläche von 1 000 Quadratmeter, dann dürfen Sie jetzt 1 300 Quadratmeter bebauen“. Der Wohnungsbauminister hat noch ein weiteres Beispiel parat: „Wenn in einer Gemeinde der lokale Bebauungsplan 100 Wohneinheiten für eine Parzelle vorsieht, dann können deren jetzt 130 gebaut werden.“ (Libération, 30.1.12). So einfach ist das.

Mehrere Zehntausend zusätzliche Wohnungen erwartet man sich von der neuen Regelung, die allerdings die gesamte lokale Planungs-politik über den Haufen wirft. Bis dato war nämlich die Fixierung des Bebauungskoeffizienten ausschließlich Sache des Bürgermeisters. Sollte ein Gemeinde- oder Stadtrat Probleme bei der Umsetzung sehen, kann die Maßnahme punktuell ausgesetzt werden, aller-dings nur mit einer soliden Begründung. Einige werden sich freuen, etwa Hausbesitzer, die jahrelang auf eine Baugenehmigung gewartet haben und deren Erweiterungspläne regelmäßig von den zuständigen Behörden abgelehnt wurden. Natürlich auch Promotoren und Projektentwickler, die sich jetzt (noch) satte(re) Gewinne erhoffen.

Vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsgedankens handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert. Verdichtung ist gut, aber nicht überall und nicht zu jedem Preis. Eine Baulückenoffensive, wie sie beispielsweise auch die Stadt Luxemburg durchzuführen versucht, führt zu einer Minimierung des Flächenverbrauchs, wenn gleichzeitig von neuen Perimetererweiterungen abgesehen wird. Aus stadtplanerischer und architektonischer Sicht ist allerdings Vorsicht geboten. Nicht jedes Haus eignet sich für einen Ausbau, und abgesehen davon: Wer soll das bezahlen? Sowohl im innerstädtischen als auch im ländlichen Bereich gehören die Bauvolumen aufeinander abgestimmt. Gewachsene Häuserzeilen, Straßenzüge und Wohnviertel sollten nicht „vergewaltigt” werden. In Frankreich will man jetzt Wohnungspolitik mit dem Vorschlaghammer betreiben. In Luxemburg ist, dem Wohnungspakt sei Dank, weiterhin eher Gießkannenpolitik angesagt. Was wohl besser ist? Claude Gengler

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