ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

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d'Lëtzebuerger Land vom 21.02.2025

Vor zwei Wochen hielt der LCGB einen Kongress ab. Im Vorfeld machte das OGBL-eigene Tageblatt dem LCGB-Präsidenten zwei Seiten frei. Zum Schluss des Interviews kam die Gretchenfrage: Ob die neue Gewerkschaftsfront „Vorläufer[in] einer Einheitsgewerkschaft“ sei.

Im Geist von CSV und LCGB hätte Patrick Dury „Vade retro!“ schreien müssen. Empört den Gewerkschaftspluralismus beschwören müssen. Stattdessen antwortete er: Die „Ad-hoc-Zusammenarbeit“ könne noch „anders strukturiert“ werden. Und: „Ich kann nur sagen: Lasst euch überraschen...“

Für die CSV war der christliche Gewerkschaftsbund ein Stimmenreservoir. Und ein Werkzeug zur Spaltung der Arbeiterbewegung: Mit dem Aumônier gegen die gottlose Sozialdemokratie.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, dann in der Stahlkrise zeichneten sich kurz Möglichkeiten einer Einheitsgewerkschaft ab. Wie sie erfolgreich im Öffentlichen Dienst, bei den Unternehmerverbänden besteht. 1978 drängte die CSV-Führung den LCGB-Präsidenten und CSV-Abgeordneten Jean Spautz, die Finger davon zu lassen. Monatelang schimpfte der CSV-Abgeordnete und Wort-Leitartikler Jean Wolter gegen den „sozialistisch-kommunistischen“ LAV. Verdächtigte eine „Eintopfgewerkschaft“ des Bolschewismus. Ein „honorable correspondant“ verbreitete Korruptionsgerüchte über den LAV-Vorsitzenden.

Als Gegenleistung muss die CSV ab und zu soziale Zugeständnisse machen. In liberalen Zeiten halten die Unternehmer das für überflüssig. Die CSV überspannte den Bogen. Als sie den Handelskammerpräsidenten Luc Frieden zum Spitzenkandidaten und Premier machte. 2023 war die Wechselbeziehung der Arbeiterwählerschaft mit dem Stimmenanteil der CSV niedriger als mit dem der DP.

Nun herrsche „eng Allianz vum Häuptling vun der UEL a séngem Scharfmacher vun der Fédération des artisans mat engem Premierminister a séngem Aarbechtsminister“. Empörte sich LCGB-Präsident Patrick Dury über die CSV. Er erinnerte den Kongress an
DP-Premier „Gaston Thorn, deen zesumme mam OGBL-President John Castegnaro den Tripartite-Modell op de Wee bruecht huet“. Und wollte Friedens liberalem Vorgänger demonstrativ „villmools merci soen, Här Bettel“. Ein Delegierter pfiff.

Mit der Ausweitung der Sonntagsarbeit, der Schwächung der Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen, der Rentenreform treibt Luc Frieden den LCGB in die Arme des OGBL. Einstimmig ratifizierte der Kongress eine Dringlichkeitsresolution. Damit „die Gewerkschaften LCGB und OGBL ihre gewerkschaftlichen Aktionen strukturieren und koordinieren, um eine gemeinsame Front zu schaffen“. Das Tageblatt widmete dem Kongress eine Seite. Das Wort keine Zeile.

OGBL-Präsidentin Nora Back saß in der ersten Reihe. Sie nahm die Resolution mit. Damit der OGBL-Kongress Ende März ebenfalls darüber abstimmt. Für den 28. Juni ist eine gemeinsame Kundgebung geplant. Patrick Dury schürte Neid auf den Öffentlichen Dienst. Um die CGFP auf Distanz zu halten.

2011 überließ die CSV das Schicksal von LCGB und Proactif dem LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit. Patrick Dury feuerte den LCGB-Funktionär und CSV-Fraktionspräsidenten Marc Spautz. Versprach, den „Weg der parteipolitischen Neutralität einzuschlagen“. 2022 lehnte der OGBL eine weitere Indexmanipulation ab. Der LCGB wurde zur Lieblingsgewerkschaft von DP und Grünen.

Als Patrick Dury dem Tageblatt zur Einheitsgewerkschaft antwortete, dachte er vielleicht an den Conseil national des syndicats der Siebzigerjahre. Vielleicht ging ihm der auch nicht weit genug. Vielleicht wollte er bloß seinem eigenen Lager drohen. Auf jeden Fall brach er ein Tabu: Eine Einheitsgewerkschaft versetzt einen LCGB-Präsidenten nicht mehr in Angst und Schrecken. Luc Frieden leistet ganze Arbeit.

Romain Hilgert
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