„Warum seit Wochen dieses Angstheulen vor dem Faschismus? Und warum dieses prophetische Warnen? [...] Und übrigens, leider, möchte man sagen, wo ist bei uns auch nur die Ahnung einer faschistischen Gefahr?“ (Luxemburger Wort, 22.4.1933).
Vergangene Woche verfassten acht Jungpolitiker von CSV, DP, LSAP und Grünen einen Offenen Brief. Sie machten auf sich und ihre Besorgnis aufmerksam: „[L]es démocraties occidentales sont de plus en plus menacées, les partis populistes et d’extrême droite gagnant du terrain dans le monde entier.“
Sie schrieben dem Kammerpräsidenten, dem Premierminister. Es sei nötig, dieser Bedrohung zu widerstehen, die Freiheiten zu schützen, zu stärken: „Un aspect important est la réglementation des médias sociaux et des autres plateformes en ligne.“ Empfehlenswert seien auch Medienerziehung, größere Bürgerinnenbeteiligung.
Den Altpolitiker und LSAP-Staatsrat Alex Bodry treiben die gleichen Sorgen um. Er rät: „Protéger durablement d’indépendance (sic) de la Justice et préserver le pluralisme des médias, voilà deux priorités absolues dans le combat contre l’illibéralisme ambiant en Europe“ (Le Luxembourg, son régime politique et ses institutions, Luxemburg, 2024, S. 325).
Ihre Besorgnis über Trump, Milei, Meloni, Orbán, Le Pen, Weidel, Kickl ist verständlich. Ihr Mut reicht zur Anprangerung der Symptome: der Lügen auf Facebook, X, Tiktok. Doch erfolgreich gegen die sich beschleunigende Faschisierung wäre nur die Behebung der Ursachen.
Dazu zählen die weltweite Entfesselung der Marktkräfte, der Wettbewerbsfähigkeit, der Privatisierung, der Finanzialisierung, des Steuerdumpings, der Demontage des Sozialstaats. Eine wohlhabende Minderheit profitierte davon. Sie redete ihren Opfern ein: Für alle reicht es nicht. Für alle reichen die Arbeitsplätze, das Kindergeld, die Wohnungen, das Erbarmen nicht. Das Boot ist voll. Manche Machtlosen geben den Druck von oben nach unten weiter. Auf die noch Machtloseren, noch Ärmeren, die später Gekommenen.
„De telles conditions semblent loin de nous“, schreiben die Nachwuchspolitiker. „[L]e Luxembourg semblait à l’abri de la tentation du populisme“, findet Alex Bodry. Die lokale Besonderheit scheint paradox: Die Ursachen des lokalen Geschäftserfolgs sind auch die Ursachen der globalen Faschisierung.
Von der Steueroase abgeworfener Mehrwert erspart die Demontage des Sozialstaats. Sein Fortbestehen verhindert den Bankrott der Sozialdemokratie als Partei der Arbeiterklasse. Viele Verbittertere haben kein lokales Wahlrecht. Statt ADR wählen sie Le Pen, AfD – zu Hause. Luxemburg exportiert Rechtsextremismus wie Dieselabgase, Raucherbeine.
Die Politik der Niedertracht ist dem Land nicht fremd. Sie marschiert nicht in Springerstiefeln. Sie stolziert im Kaschmirmantel durch die Groussgaass. Sie ist nicht das Gegenteil rechtsextremer Politik. Sie ist ihre Einstiegsdroge, das kleinere Übel: Die Kriminalisierung der Bettlerinnen, Obdachlosen, die Drangsalierung Asylsuchender, die Übervorteilung von Grenzpendlerinnen, die soziale Segregation in den Schulen, die Schwächung der Gewerkschaften, die entspannte Klimapolitik, die rasante Militarisierung.
Die gutbürgerliche Niedertracht bedient Ressentiments. Sie ist anschlussfähig. Wenn die nächste Krise droht. Wenn die Europäische Union weiter nach rechts rückt. Wenn die USA Strafzölle verhängen. Wenn Unternehmerlobbys Demokratie für geschäftsschädigend erklären.
„Die Völker reagieren schließlich mit Gewalt auf eine Krankheit, die Liberalismus und Sozialismus nun einmal sind. Und da ist gar kein Schaden darum. [...] Ein bißchen Faschismus – wohl verstanden – wäre absolut nicht vom Uebel“ (Luxemburger Wort, 22.4.1933).