Vor zwei Jahren erhöhte die damalige Regierung mit einer Verordnung die Tarife, die Psychiater/innen als Honorar in Rechnung stellen dürfen. Nun sieht mit der Dermatologie eine weitere vergleichsweise schlecht bezahlte Arztdisziplin einer Aufbesserung entgegen. Seit drei Wochen ist dazu ein Entwurf um Instanzewee. So geht das nun schon zehn Jahre. Kapitel für Kapitel, Fachdisziplin für Fachdisziplin überarbeiten die CNS und der Ärzteverband AMMD seit 2014 die Nomenclature des actes et services des médecins et des médecins-dentistes, wie sie vollständig heißt. Lange genug, dass sogar der Volksmund weiß, was es mit der „Nomenklatur“ auf sich hat, die eigentlich ein Buch mit vielen medizinischen Fachwörtern ist: Es geht um Geld, und – alles dauert viel zu lange.
Doch die Nomenklatur-Reform ist eine sehr luxemburgische Unternehmung. Vor 15 Jahren gab es auch Vorschläge, eine Gebührenordnung aus dem Ausland zu übernehmen. Es fand sich aber kein Konsens, welche denn. Die schon bestehende mit eigenen Mitteln und gemeinsam mit den Facharztgesellschaften zu überarbeiten, ist nicht unbedingt eine schlechte Idee. Denn es geht nicht nur darum, die zum Teil sehr veralteten Listen der Behandlungsakte durch neue und moderne zu ersetzen. Für mehr Einkommensgerechtigkeit unter den Ärzt/innen sorgen müssen die neuen Kapitel auch. Wie groß die Unterschiede sind, zeigt jedes Jahr ein Bericht der Generalinspektion der Sozialversicherung. 2022 bezog ein Radiologe im Schnitt eine Honorarmasse von 800 000 Euro. Am anderen Ende der Skala bezog ein Neuropsychiater nur 185 000 Euro. In der Allgemeinmedizin waren es knapp 250 000 Euro. Dass das Einnahmen sind, aus denen freiberufliche Ärzt/innen noch andere Kosten decken – von Steuern und Sécu über Abschreibungen von Investitionen, die Miete für Praxisräume bis hin zum Gehalt einer Sekretärin –, macht die Unterschiede nicht überall kleiner. Das Gegenteil kann der Fall sein. Allgemeinmediziner haben Praxiskosten, die an den Honorareinnahmen zehren. Viele Kardiologen (die nach der Radiologie „zweitbeste“ Disziplin mit 650 000 Euro Honorar im Jahr) haben auch welche. Radiologen hingegen arbeiten quasi nur in Kliniken, wo ihnen schweres Gerät und technisches Personal kostenlos zur Verfügung steht.
Solche Unterschiede sollten nicht sein. Ärztinnen und Ärzte sind für die Gesellschaft extrem wichtig. Ihre Ausbildung dauert lange, zehn Jahre, manchmal zwölf bis zum Abschluss der Spezialisierung. Und auch Allgemeinmediziner/innen sind spezialisiert. Allein schon weil ihre Ausbildung so lange dauert und sie spät ins Berufsleben eintreten, ist es nur normal, dass Ärzt/innen gut verdienen. Sehr gut sogar, wegen ihrer Expertise und besonderen Rolle in der Gesellschaft. So gesehen, kann keine Ärztin der einen Fachrichtung mehr oder weniger wichtig sein als ein Arzt einer anderen Fachrichtung. Wenn die Gesellschaft das so sieht, dürfte es Unterschiede im Verdienst eigentlich nur geben, wenn sie aus der Funktion einer Ärztin herrühren oder der Berufserfahrung eines Arztes.
Dass die Reform der Gebührenordnung daran viel ändert, ist nicht sicher. Es würde voraussetzen, dass die einen Ärzt/innen bereit wären, auf etwas zu verzichten, damit anderen etwas gegeben werden kann. Das wäre sehr viel verlangt.
An dieser Stelle zeigt sich ein grundsätzliches Problem der Medizin hierzulande: Sie wird quasi nur über die Nomenklatur abgewickelt. Auch angestellte Ärzte rechnen ab, was darin steht. Doch selbst bei allem guten Willen, den man den an der Reform Beteiligten unterstellen möchte, reichen allein Tarife pro Behandlungsakt am Patienten weder aus, um für genug Einkommensgerechtigkeit in einem extrem wichtigen Beruf zu sorgen, noch für genug Qualität in der Versorgung. Es müssen noch andere Mechanismen gefunden werden, um Ärzt/innen ihre Leistungen für die öffentliche Gesundheit zu entgelten. Geschieht das nicht, ist es zwangsläufig, dass Wünsche lauter werden, das Luxemburger System ganz offiziell um Privatmedizin zu ergänzen.