Eine Invasion derzeit. Rosa Invasion auf Oma-FB, aber für welche, die auch die analog existierende Draußenwelt betreten, es gibt sie auch da. Poppt plötzlich auf, ohne Schönheitswarnung, prall explosiv, von einem frommen Glanz. Urplötzlich, gerade hat der Urknall stattgefunden, bricht es hervor und aus und springt uns in die Augen. Neinnein, etwas so Brutales würde es nie tun, es erscheint uns. Wir haben eine Erscheinung. Immer wieder. Jedes Jahr. Jedes Jahr aufs Neue. Jedes Jahr ist es wieder neu. Und dieses Jahr am allerneuesten.
Sanft wie eine Marien-Erscheinung. Nur viel demokratischer, für alle da, nicht nur für Hirtenkinder. Auch für welche, die nur an der Tankstelle vorbei schlurfen und stehen bleiben, um sich zu schnäuzen. An einem Irgendeintag, nicht mal offiziell Frühling, breitet sie Glorie und Glanz über uns aus. Den Gratisglanz, den sie dem Tag verleiht, nein, schenkt. An einer Straßenecke, an der man nur vorbei muss weil man eben muss. In Nachbars Vorgarten, vor dem sonst nur die Hunde Halt machen um das zu tun was Hunde halt machen. Wir brauchen nicht mal eine rosa Brille. Wir heben den Blick, und es ist erhebend. Ein rosa Rausch. So dass wir entzückt das Händi zücken, das Andachtsritual der Jetztzeitmenschen. Und es allen mitteilen, unsere Vision an der Bushaltestelle.
Die holden Dolden, reimt es in denen, die dieses Syndrom haben, sind es überhaupt Dolden? Guggel schreibt Frechheiten, die Magnolie hätte einen primitiven Blütenaufbau. Obschon sie von uraltem Adel ist, die Familie gibt es schließlich seit hundert Millionen Jahren. Und schraubig geordnete Blütenblätter hätte sie, lästert Guggel, ihre Früchte nennt Guggel Balgfrüchte und behauptet, es gäbe Gurkenmagnolien. Und Magnolie hieße sie, weil ein Herr Magnol sie entdeckt hätte. Und nicht weil sie so magna ist, so megamagna, wie doch jede/r vom Anblick der Magnolie Hingerissene beschwören kann.
Ein Chefredakteur einer Stadtzeitung postet die Magnolie, die seine Urgroßmutter gepflanzt hat, diese rosa Wolke, die er postet heißt Diva und der Chefredakteur hat Angst, dass sie erfriert. Eine große Anteilnahme setzt ein unter den Follower/innen des Stadtzeitungschefredakteurs, Tipps und Tricks und Liebes- und Leidensgeschichten werden ausgetauscht und ihm inständig von seinem Plan abgeraten, seiner Diva nächtsens mit Feuer und Wasser prophylaktisch zu Leibe zu rücken. Am nächsten Morgen erfahren die Mitfiebernden, dass der Frost einen Großteil der Blütenwolke in eine bräunliche Unansehnlichkeit verwandelt hat.
Dieses Rosenquarz-Rosa, wir saugen uns voll mit Rosa, gut fürs Herz, für das Gemüt, wie man früher sagte, als man noch so eins hatte, Rudolf Steiner empfahl sie als Kinderzimmerfarbe. Als die Barbie-Film-PR auf Hochtouren lief gewandeten sich nicht nur Feministin Barbie und Sahra Wagenmagd und die Nachrichtenmoderatorinnen, die Schützengräben anboten und mit Atombombenoptionen jonglierten in diese besänftigende Kleinmädchen-Farbe. Die schon lange zuvor ihr tyrannisches Regime angetreten hatte, besonders unter den armen kleinen Mädchen die jetzt allesamt pinke Prinzessinnen waren.
Magnolien-Offenbarung, während der Lenz uns befällt wie ein Wahnsinn, jedes Jahr der gleiche Wahnsinn. Und obschon wir Profis sind, schon länger da, schon länger von hier. Immer noch. Warte, muss ich gleich posten! Und die andern stehen auch da. Heben den Blick. Klick.
Alle haben derzeit ihren Magnolien-Moment, die Magnolien-Offensive ist voll im Gange. Die schönste Offensive, wir liken wehrlos. Wir scheinen sie zu brauchen. Etwas was hell ist, was leuchtet und ein Wunder ist, aber ein zuverlässiges. Eins das jedes Jahr kommt. Ein pünktliches. Wo alles andere nicht mehr pünktlich ist oder überhaupt nicht mehr ist oder plötzlich eine andere Bedeutung hat, so dass wir uns nicht mehr auskennen. Und bewährt Schönes ist plötzlich anrüchig, und wenn man so ein anrüchiges Wort ausspricht wird es anstrengend. Da tut es gut, unter einem Riesenblumenstrauß zu stehen, an der Bushaltestelle, einfach so.