Wie in Luxemburg so viele aufstehen und sich vor die stellen, die ganz unten sind. Am Boden. Die tief Gesunkenen, die Gefallenen, Gestrauchelten, wie man einst sagte, die, bei denen es mit der Selbstoptimierung nicht so klappte. Um sich schützend vor sie zu stellen. Das ist ein schönes Bild. Wie sich Menschen vor Menschen stellen und uns eine Vorstellung geben. Die Vorstellung davon, wie es auch sein könnte. Wie wir auch sein könnten.
Dieses schöne Bild ist ein Vorbild. Ein Flash von etwas anderem, Besserem. Wie sich die besseren Leute nicht schämen und die guten Menschen sich nicht blöd beim Gutsein vorkommen. Weil sie ja so blauäugig sind. So naiv kitschig kindlich, so ahnungslos elitär, Utoperten, Träumerinnen, Speckgürtel-Insass/innen denen höchstens der Nachbarhund vor die Tür kackt.
Wie eine Debatte entsteht auf dem Bettel Ground Luxemburg, wie der und die und jene und immer mehr das Wort ergreifen und ergreifende Dinge sagen. Aber nicht nur als Wort-zum-Sonntag, es soll auch am Montag gelten. Wie das Recht wieder zu seinem Recht kommen soll, und nicht einfach zurecht gebogen werden darf auf dem Rücken der Ärmsten. Sogar die Kirche ist für das Gute.
Aber viele sehen das anders, sie sind froh, dass da ein Minister ist, der endlich durchgreifen will statt all dem Ergreifenden. Dem Gutmenschgesülze, der Armutsromantik, all dem was die Clowns, die Künstler/innen und Kitschbrüder so von sich geben, die meisten Medien sowieso. Die haben schließlich keine Ahnung von dem, worüber sich die Volkszornigen entrüsten. Über diese Installationen des Elends vor den Schaufenstern, in bester Lage, diese Immobilen, wegen denen die Immobilienpreise sinken, diese Sehensunwürdigen in unserer Stadt mit dem Sehenswert. Die Welt ist doch groß, warum fordern sie hier Raum, ausgerechnet? Sicher haben sie sich dabei was ausgerechnet. Wahrscheinlich das auch noch organisiert.
Eine heile Bettler/innen-Welt können die netten Menschen leider auch nicht herzaubern, mit adretten Heischenden, die immer einen Scherz auf den Lippen haben oder einen positiven Gedanken absondern während sie ihr Almosen in Empfang nehmen. Solche, denen man ein Beliebtester-Bettler-Abzeichen anheften würde, unter dem Applaus der Umstehenden, die immer wieder gern was geben. Nicht alle sind dankbare, gutmütige Geschöpfe die Pfötchen geben oder sind eigentlich Philosoph/innen oder globetrottende Artist/innen. Also Interessante. Manche sind sogar überhaupt nicht interessant und der erste und primitivste Reflex ist der, einen großen Bogen zu machen. Der zweite Reflex wäre keiner, er hieße Reflektion. Wenn schon nicht Mitgefühl.
Vor ein paar Jahren wandelte ich mit einer guten Freundin über die Nei Avenue ins Zentrum. Ich war lange nicht in der Stadt gewesen und wunderte mich über das Spalier der Bettelnden. Meine Freundin warf ihre Münze in jeden Hut, in jeden Becher on the road, entrichtete unbeirrt ihr Scherflein, ihre vielen Scherflein, der Weg in die Stadt mit der Freundin hatte etwas Märchenhaftes, glückliche Bettler/innen säumten unsern Weg. Die paar Euro! Das wäre für sie Routine, sagte meine Freundin, eine Stadtbewohnerin, die nicht zu den Vermögenden gehört und mit viel Fleiß und Kreativität ein interessantes, aber prekäres Leben führt. Eine rosarote Brille trägt sie aber keineswegs. Manchmal werde es ihr zu viel, sagte sie unlängst, wenn sie das Haus verlasse und Acht geben müsse, nicht in der Notdurft oder dem Gebrochenen auszurutschen, die die, die vor ihrem Hauseingang übernachten, regelmäßig hinterlassen würden. Die Petition gegen das Bettelverbot habe sie aber unterschrieben, trotzdem, ja klar. Angebote an die Betroffenen bräuchte es, vor allem auch für die Junkies, Verbesserungen bräuchte es statt Verfolgung.
Verbesserungen gibt es aber jetzt schon. Allein schon, dass die Kindischen und die Gutherzmenschen sich der Vertreibung der Bettelnden entgegenstellten, hat unsere Stadt zu einer Menschenstadt gemacht.