Ein bisschen warm ums Herz wird mir schon, wenn ich aus dem Draußenland so in mein Land luge, ich nenne es immer kindisch possessiv noch mein Land. Diese Stallgeruch-Grobheit, so heimelig. Von bei uns. Die Sprache, aus dem Bauch, aus dem Stall, unfähig Arabesken zu schlagen, nicht verschlagen, man sagt was man denkt. Vun der Long op d’Zong, fräi vun der Liewer, riichteraus, immer geradeheraus. Was auch immer da herauskommt. Ehrlich. Direkt. Hier wird nicht geheuchelt gemeuchelt.
Der ruppige Pragmatismus, die Derbheit und Direktheit, auf die Luxemburger/in stolz ist. Ein vor rechtschaffener Wut schäumender Bürgermeister, der in seinem mit Amerikanismen gespickten Post mit Law and Order herumfuchtelt. Ein Promi-Anwalt, der in einem legendären Beschwerdebrief an die Bürgermeisterin der Hauptstadt herumberserkerte. Ältere Dramen, die bestens gelaunt aus ihren Herzen keine Mörderinnengruben machen. Hauptsache frei heraus, sind wir denn nicht frei? Freie Menschen in einer freien Gesellschaft? Eben.
Diese gutmütige Grobheit, die rustikale Rohheit, selbst wenn man sich einer anderen im Land geläufigen Sprache bedient, einer die Subtilität und Schlupfwinkel bieten würde. Mentalität nennt man sowas dann wohl. Ist ja aber, ihr langweiligen Spielverderberinnen, nicht so gemeint, wir sind ja unter uns, wer nimmt das denn immer alles so seriös?
Hohoho, der Jud der liegt im Stroh. Die Zigeuner/innen kommen. La racaille. Die Hühnerköpfer. Klamauk. Tradition. Folklore. Füttern. Alles nur Spaß. Den ihr nicht versteht. Eifer des Gefechts. Ein bisschen Humor. Seele von einem Mensch.
Große Grobheit, kleiner Ausrutscher. Rausrutscher. Das gemein Verständliche, in einer Kindersprache von sich gegeben. Und dann auf ein Bier. Auf du. Gedu.
Man kennt sich. Von immer schon. Kindergarten. Im Auto nach der Disco. Kommunion. Scheidung. Das ganze Land Familie. Schrecklich wie Familie. Was redet sie da? Ach, lass sie reden! Jeder ist befangen. Ein Gefängnis ist es aber nicht, das Land. Die, die es sich leisten können, sind immer weg.
So betörend vertraut, das alles. Aber unter der Kindersprache lauert schon etwas anderes. Der Refrain, der seit Jahren obsessiv durch die Länder Europas tönt. Das Wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-Leitmotiv. Längst wird es flächendeckend ausgetestet. Was von linkslinken Meinungsmacher/innen geknechtetes Volk denn überhaupt noch sagen darf. Bevor die Alarmglocken ausflippen und die roten Linien hysterisch aufflackern und die Anstrengenden wieder ihren üblichen Stress verbreiten. Bis wohin man noch gehen darf bevor man zu weit geht, Mutter-darf-ich, wieviel Schritte?, wie es in dem autoritären Kinderspiel hieß, das die Boomer/innen spielten. Ist man im Eifer des Gefechts ein bisschen zu auffällig über das Ziel hinaus geschossen wird ein Schrittlein zurückgetreten und ein treuherziges Mea Culpa absolviert Allzu menschlichem Versagen beim Sagen, die Peer Group weiß es zu schätzen. Den Code der Andeutungen hat sie längst geschnallt. Weiß sie doch, unter welch unmenschlich gutmenschlichem Druck diese verbalen Ausrutscher zustande kommen, auf die Medien durchsetzende Jagdgesellschaft ja nur wartet.
Aber Luxemburg? Ist das nicht etwas übertrieben, lächerlich gar, Luxemburg auch nur in der Nähe solcher Entwicklungen anzusiedeln? Als würden die, die Wahl haben, eine Gesellschaft von Erben und Staatsbeamtinnen und um die Welt fliegenden Rentner/innen Le Pen oder Höcke liken. Enjoy ist ihr Motto, Armut in Luxemburg begegnet ihnen in Arte-Dokus.
Luxemburg? Doch bestimmt nicht so. Doch ganz anders. Weltoffen, global, 160 Nationalitäten in der Stadt. Mindestens. Auch sie haben Auswahl, große Auswahl. Kilometer Klopapier im Supermarkt. All die Sprachen. Wie rede ich meinen Nächsten an? Mal so, mal so. Oder gar nicht. Zu kompliziert. Und einige sprechen Kindersprache. So frisch, so frei. So frei heraus.