„Nicht nur die Agrarpolitik macht Vorschriften, auch die Umweltpolitik. Das macht viele Bauern wütend“, erklärte CSV-Landwirtschaftsministerin Martine Hansen dem Tageblatt. In Brüssel plädierte Hansen vergangene Woche für eine Analyse der Auswirkungen des Green-Deals, denn man „müsse realistische Ziele in Bezug auf Umwelt und Klima setzen“, nur so „können unsere Landwirte die Herausforderung meistern“. Stichwörter wie ökologische Transformation sind zu einer Art Wut-Blitzableiter mutiert; große Teile der energieintensiven Landwirtschaft schimpfen auf grüne Politik. Themen wie volatile Gas- und Ölpreise sowie abrupte Preisschwankungen auf dem Agrarmarkt bleiben sekundär. Um die luxemburgischen Bauern zu entlasten, lud Martine Hansen am Montag in Senningen zu einem „Landwirtschaftsdësch“ ein. Anwesend waren die drei Verbände – die Bauernzentrale, die Bauernallianz und der Fräie Lëtzebuerger Bauer. Konkret soll in den kommenden Wochen in Arbeitsgruppen über Baugenehmigungen in der Grünzone, Anpassungen beim Wasserschutz, die Reduktion von Ammoniakemissionen und das Agrargesetz diskutiert werden. Für Martine Hansen ist ihre Wählerschaft klar greifbar, für den CSV-Umweltminister Serge Wilmes, der am Montag auch anwesend war, weniger – die konservativen Wähler haben keine Lust mehr auf die Klimakrise.
Guy Feyder, aktueller Präsident der Landwirtschaftskammer und Vizepräsident der Bauernzentrale, freute sich während der Pressekonferenz über den „Paradigmenwechsel im politischen Umgang rund um die Landwirtschaft“. Martine Hansen, Agraringenieurin und ehemalige Direktorin des Lycée technique agricole, steht der Bauernzentrale nahe. Der 2 200 Mitglieder starke Verband entschloss sich in den letzten Monaten, nicht an den Bauernprotesten teilzunehmen, weil sich das Ministerium wieder in CSV-Hand befinde – nach zehn Jahren, „in denen die Landwirtschaft von Teilen der Regierung kontinuierlich zum Schmuddelkind der Nation degradiert wurde“. Doch die Bauerngewerkschaft befindet sich nicht nur in Aufbruchstimmung, sondern auch im Wahlkampf. Im Vorfeld der Landwirtschaftskammerwahlen am kommenden 14. März interviewte der Direktor der Bauernzentrale und Chefredakteur des De Letzebuerger Bauer, Laurent Schüssler, den Präsidenten der Bauernzentrale, Christian Wester. In diesem Interview will Wester die Leser motivieren, für die Bauernzentrale zu stimmen, weil „die guten Beziehungen, die wir zur Politik haben“ ein „Pluspunkt“ seien. CSV-Bürgermeister Paul Mangen vom Helperknapp steht in einem für die Kammerwahlen produzierten Werbeclip, den Letzebuerger Bauer in der Hand haltend, in seinem Milchkuh-Stall – man solle bei ihm und der Liste der Bauernzentrale sein Kreuz machen, da sie für eine klare Linie stünden.
Gewundert über das Format des Landwirtschaftstisches hat sich diese Woche Joëlle Welfring, agrarpolitische Sprecherin der Grünen. In einer Stellungnahme bedauerte sie, dass die Diskussion um die hiesige Lebensmittelproduktion „im geschlossenen Kreis“ stattfand und Vertreter aus der Forschung und Umweltschutzorganisationen nicht eingeladen waren. Für eine „zukunftsorientierte“ Landwirtschaft bedürfe es „einer breiten Diskussion ohne Scheuklappen“. Wenn die Dürreperioden, wie sie Frankreich letzten Sommer unter Druck setzten oder derzeit Spanien, weiter nördlich hoch rücken, wird es zwangsläufig zu einer breiteren (und unangnehmen) Debatte kommen: Wer erhält welchen Zugang zu Wasser – die Landwirtschaft, die Industrie, die Haushalte? Vielleicht zeigt sich dann seitens der Politik die Bereitschaft, Landwirte für Umweltleistungen gerechter zu bezuschussen. Denn warum sollten sie für Umweltschutz freiwillig ihre Einnahmen drücken, wenn es sonst weder andere Unternehmen noch Konsumenten tun? Außerdem könnte es zu der Erkenntnis kommen, dass die Förderung eines hohen Verbrauchs von tierischen Produkten viel zu energieintensiv ist – und einige ethische Fragen aufwirft.