Die Luftfrachtgesellschaft Cargolux erzielte 2018 einen Rekordgewinn von 211 Millionen Dollar. Sind solche Ergebnisse dauerhaft zu erwarten oder eher ein Ausrutscher?

StabilGewinn/Verlust in Millionen US-Dollar

d'Lëtzebuerger Land vom 26.04.2019

Gute Nachrichten in Findel: Die Luftfrachtgesellschaft Cargolux konnte 2018 einen Rekordgewinn von 211 Millionen Dollar erzielen, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 89 Millionen Dollar. Das gelang ihr vergangenes Jahr sogar, ohne dass es irgendwelche externen Sonderereignisse wie Hafenschließungen auf wichtigen Handelsrouten gegeben und von denen die Gesellschaft profitierte hätte, weil die weltweite Logistikkette dringend umgebaut werden musste. So scheint nach Jahren der Aufregung ein wenig Ruhe bei Cargolux eingekehrt zu sein – obwohl Gewerkschaften und Firmenleitung wegen des neuen Tarifvertrages vor dem Schlichtungsamt sind, scheinen sie ihre Differenzen inzwischen weniger öffentlich auszutragen. In den vergangenen Monaten dominierte Cargolux die Neuigkeiten nicht mit Berichten über den Sozialabbau für die Mitarbeiter und Verlagerungen, sondern machte putzige Tier-Schlagzeilen, mit dem Umzug von Belugawalen oder dem Transportstopp von Jagdtrophäen. Sogar um die Ruhe der Anrainer bemüht sich Cargolux mittlerweile, vor allem um deren Nachtruhe. Während das Unternehmen noch vor nicht allzu Langem lautstark das Recht einforderte, mehr Nachtflüge durchführen zu können, betonten die Verantwortlichen am Mittwoch, es sei gelungen, die Zahl der Nachtflüge durch besseres Zeitmanagement um 15,6 Prozent zu reduzieren.

Ganz auszuschließen ist demnach nicht, dass die relative Ruhe im Betrieb genutzt wurde, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Im Jahresbericht gibt es, abgesehen vom häufigen Gebrauch der Vokablen „ständig“ und „stabil“, Hinweise für eine gewisse interne Befriedung. So wurden 2018 beispielsweise über 60 neue Crew-Mitglieder eingestellt, obwohl die Flotte von 27 Flugzeugen nicht erweitert wurde. Dabei war während der Sparpläne der vergangenen Jahre nach freiwilligen Frührentnern und Teilzeitmitarbeitern gesucht und ohnehin immer wieder versucht worden, die Arbeitszeiten der Piloten auszudehnen. Außerdem wurde in die IT und die Digitalisierung investiert, sowohl im Büro als auch an Bord und in der Wartung.

Daher musste Finanzchef Maxim Straus am Mittwoch schon etwas genauer erklären, wie es mit dem gleichen Arbeitsgerät, mehr Personal und einem leicht rückläufigen Frachtvolumen möglich war, plötzlich so viel Geld zu verdienen.

Vergangenes Jahr gelang, was aufgrund der Überkapazitäten im Flugfrachtgeschäft in den Vorjahren immer ein Problem gewesen war; nämlich den Kunden einen guten, beziehungsweise einen besseren Preis pro Tonne zu verrechnen, im Jargon yield genannt. Straus erläuterte: Ein Anstieg des yield um einen Cent bewirkt für Cargolux unter dem Strich einen Gewinnanstieg um zehn Millionen Dollar. Dass der Basispreis 2018 um acht Cent stieg, erklärt daher einen Gewinnanstieg um 80 Millionen Dollar.

Dass Cargolux den Basispreis pro Tonne dermaßen steigern konnte, obwohl die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte anfing nachzulassen, führte, die Firmenleitung hauptsächlich auf zwei Elemente zurück: Erstens akzeptierten die Kunden einen höheren Preiszuschlag für steigende Spritkosten – ein Großteil des Umsatzanstiegs um 16 Prozent auf 2,263 Milliarden Dollar ist hierauf zurückzuführen und allein die Einnahmen aus dieser fuel surcharge beliefen sich auf 459 Millionen Dollar. Zweitens konnte die Gesellschaft vor allem asiatischen Kunden, die nach dem Boomjahr 2017 befürchteten, ihre Waren nicht transportieren zu können, Anfang 2018 sogenannte hard block agreements anbieten, wie CEO Richard Forson erklärte. Feste Verträge also, in denen sich Cargolux im Gegenzug für einen festen Preis verpflichtet, den Kunden Platz für ihre Waren auf den Flügen zu reservieren. Diesen festen Preis mussten die Kunden zahlen, auch wenn es gegen Jahresende möglicherweise kurzfristig billigere Kapazitäten gegeben hätte. Daneben, führte Forson aus, entwickelte sich das Chartergeschäft gut. Die Sparte habe über 100 Millionen Dollar Umsatz erzielt, unter anderem ist eine Maschine ständig im Dienst der Partner von Emirates.

So gelang es der Firmenleitung, die 27-Maschinen-Flotte, die so groß nur wurde, weil Cargolux nach dem 2011 begonnenen Flottenumbau, die alten Modelle nicht ohne Verluste verkaufen konnte, profitabel zu betreiben. Seit 30 Monaten jeden Monat ein positives Ergebnis unter dem Strich – CEO Richard Forson schien selbst ein wenig ungläubig – auch im ersten Quartal 2019 übersteigen die erzielten Ergebnisse das Budget.

Wenn Forson am Mittwoch warnte, die Aussichten seien dabei sich einzutrüben, dann war das natürlich ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Gewerkschaften, sich beim Schlichter mit Forderungen zurückzuhalten – wenige Stunden später verlangten OGBL und LCGB aufgrund der Rekordergebnisse bessere Tarifbedingungen – aber nicht nur. Denn vor den wirtschaftlichen und operationellen Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der EU fürchtet sich längst nicht nur Cargolux. Der drohende Handelskrieg zwischen den USA und der EU einerseits sowie China andererseits hat bereits jetzt Folgen. Das seit Jahren geplante Joint-Venture zwischen Cargolux und seinen chinesischen Aktionären für eine in China niedergelassene und von Cargolux gemanagte Frachtgesellschaft liege deshalb auf Eis, erklärte Forson am Mittwoch, das sei „eine Frage der Wirtschaftlichkeit“ und die Entscheidung sei zusammen mit den chinesischen Partnern getroffen worden.

Das soll heißen, wenn der Handelskrieg zwischen den USA und China eskaliert, in dem auch der chinesische Smartphone-Hersteller und 5G-Netztechnickanbieter Huawei eine wichtige Rolle spielt, und chinesische Konsumgüter bei der Einfuhr mit Strafzöllen belegt werden, wird es auf der transpazifischen Route weniger zu transportieren geben. Dabei sollte das Joint-Venture, mit chinesischen Flugrechten ausgestattet, auch gerade dazu dienen, diese Route zu bedienen. Und bombardieren sich die USA und die EU gegenseitig mit Strafzöllen auf Waren, wird es auch über dem Nordatlantik für Transportunternehmen wie Cargolux weniger zu tun geben.

Dabei können die guten Ergebnisse der vergangenen zwei Jahre ohnehin nicht über den weiterhin durch den Flottenumbau bedingten, enormen Finanzierungsbedarf von Cargolux hinwegtäuschen. Zwar fielen die Schulden auf 1,157 Milliarden Dollar und dadurch das Verhältnis von Schulden zu Kapital von 148 auf 97 Prozent. Doch vor fünf Jahren hatte der Verwaltungsratsvorsitzende Paul Helminger gewarnt, Cargolux brauche jedes Jahr 180 Millionen Dollar Gewinn, um den Schuldendienst zu schaffen. Damit wäre 2018 kein Rekordjahr für die Firma, sondern das erste Jahr, in dem sie im Soll liegt. Vielleicht wollte CEO Richard Forson auch deshalb am Mittwoch nicht verraten, wie hoch die Dividende der Aktionäre ausfallen wird. Für vergangenes Jahr hat Cargolux 20 Millionen Dollar ausgeschüttet.

 

Michèle Sinner
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