„Triple-A“ bescheinigt, wie trefflich eine Regierung den Vermögenden behagt. Das engt den Spielraum der Regierenden ein. Charisma, politisches Gespür, Kompetenz werden entbehrlich. Die Regierungsmannschaft der CSV besteht schlicht aus den Erstgewählten der Bezirke.
Premier Luc Frieden will regieren „wéi de Chef vun engem Betrib“ (RTL, 1.1.24). Er war noch nie Chef eines Betriebs. Er saß in Verwaltungsräten. Im Wahlkampf musste Elisabeth Margue an seiner Seite jung sein. Die Bemühung wurde mit dem Justizministerium belohnt. Am Regierungstisch sitzt ihr gegenüber Landwirtschaftsministerin Martine Hansen. Sie hatte Margue dem Gericht ausgeliefert, um den Parteivorsitzenden zu stürzen. Finanzminister Gilles Roth half dabei. Den Ruf hat er seit 2013. Der Umweltminister soll eine Pause einlegen. Serge Wilmes kann das vortrefflich. Innenminister Léon Gloden hat das politische Gespür eines Luc Frieden. Arbeitsminister Georges Mischo hat einen Dienstwagen mit Fahrer.
Die Ausnahme ist Sozialministerin Martine Deprez. Sie war keine Erstgewählte. Sie kandidierte nicht. Sie kam trotzdem in die Regierung. Weil sie einen Auftrag zu erfüllen hat.
Der Auftrag steht in Garantir des finances publiques, des pensions et une protection sociale soutenables pour toutes les générations. Die Wahlkampfbroschüre der Handelskammer erschien im Februar 2023. Im Februar 2023 verpuppte sich Handelskammerpräsident Frieden zum CSV-Spitzenkandidaten.
„Une réforme du système de pensions devra être mise en œuvre dès le début de la mandature, soit 2024.“ Verlangte die Handelskammer (S. 30). „Die Gespräche werden im Frühjahr starten.“ Kündigte Martine Deprez an (Land, 5.1.2024). Das Wahlprogramm der CSV hatte noch beruhigt: „Hier besteht langfristiger Handlungsbedarf“ (S. 15).
Die Handelskammer verlangte: „Favoriser la constitution de pensions complémentaires pour les salariés qui le souhaitent en relevant les limites de constitution des 2ème et 3ème piliers“ (S. 31). Das Koalitionsabkommen kündigt an (S. 101): „[U]ne promotion accrue du deuxième et troisième pilier de prévoyance vieillesse sera analysée, notamment par une amélioration des allégements fiscaux.“
Besser verdienende „Talente“ erhalten zum Dienstwagen eine betriebliche Zusatzpension. Sparer legen seit Jahren überschüssiges Geld in private Zusatzpensionen an. Beamtinnen, mittlere Angestellte und Selbständige dürfen auf dem Küchentisch „fiscal engineering“ spielen wie die Gafam. Mit steuerbegünstigten Lebensversicherungen, Bausparverträgen und privaten Zusatzpensionen. Auf Kosten anderer Steuerzahler.
Die meisten Leute haben Angst vor Mathematik. Sie halten die Sozialministerin für kompetent. Weil sie Mathematikerin ist. Mathematik im Rentenwesen sind aktuarische Berechnungen. In der gesetzlichen Pflichtversicherung beruhen aktuarische Berechnungen auf demografischen Vorhersagen. Diese sind der Astrologie näher als der Astronomie. CSV-Premier Jean-Claude Juncker prophezeite am 7. Mai 1997 eine Rentenmauer: „Déi Mauer waart op eis den 1. Januar 2015.“
Die gesetzliche Rentenversicherung nimmt jährlich sieben Milliarden Euro Beiträge ein. Dürften Banken und Versicherungen einige Milliarden abzweigen, ließen sich schöne Geschäfte machen. Die Angst vor einer neuen Rentenmauer hilft, den Leistungsabbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu beschleunigen. Und so den Banken und Versicherungen neue Kunden für Zusatzpensionen zuzutreiben.
1999 wollte die DP weitergehen. Mit der „Einführung eines Kapitaldeckungsverfahrens“ (Eng Allianz mam Bierger, S. 53). Am Ende stünde der amerikanische Traum von kommerziellen Pension funds. Die gesetzliche Altersabsicherung als Geschenk an die Fongenindustrie.
Nun wagen CSV und DP kleinere Schritte. Martine Deprez soll die Rolle einer neuen Marie-Josée Jacobs spielen: unbestimmtes Alter, unbestimmter Haarschnitt, bodenständig, tatkräftig, „riicht eraus“. Eine wackere Christlich-Soziale soll Vertrauen einflößen in den Auftrag der Handelskammer.