ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Familientreffen

d'Lëtzebuerger Land vom 16.02.2024

Vergangene Woche trafen sich drei Männer auf Schloss Senningen. Einer war Luc Frieden. Er war alt zur Welt gekommen. So wurde er sechzig. Jacques Santer war zeitlebens gemächlich. Nun trägt er die Last seiner 86 Jahre. Mit kecken Sprüchen rettete Jean-Claude Juncker vor 30 Jahren die CSV. Nun ist der 69-Jährige wieder konservativ.

Premier Luc Frieden genießt sein neues Amt. Es lässt ihm Zeit: Er organisierte ein Konveniat mit seinen Vorgängern. Vielleicht wartete er, bis Ex-Premier Xavier Bettel nach Laos flog.

So blieben die Christlich-Sozialen unter sich: Jacques Santer, der Polizistensohn aus Wasserbillig. Er brachte es zum Premierminister und stürzte als Kommissionspräsident. Jean-Claude Juncker, der Arbeitersohn aus Redingen an der Attert. Er stürzte als Premierminister und brachte es zum Kommissionspräsidenten. Luc Frieden, der Sohn eines leitenden Angestellten aus Esch an der Alzette. Er stürzte mit Jean-Claude Juncker und brachte es auf Umwegen zum Premierminister.

Die Alten waren nicht gekommen, um dem Neuen Ratschläge zu erteilen. Sie kennen ihn lange genug. Sie wissen, dass er unbelehrbar ist. Was hätten sie auch sagen sollen? „Wie konntest du dir nur von Polfer und Gloden den Start verbocken lassen!“

Die Drei trafen sich, um für den Fotografen zu posieren. Um zu zeigen: Wir sind wieder da! Die Erben der schwarzen Patriarchen Bech, Dupong, Werner. Die zusammen mit dem Bischof und dem Luxemburger Wort ein Jahrhundert lang den CSV-Staat regierten. Damit die Kirche im Dorf blieb: die Arbed, die Interbank, die CLT, die CGFP, die Bauernzentrale, der LCGB.

Die Helden posierten nur noch windschief. So wecken die Fotos Erinnerungen: Santer und Juncker verkörperten die CSV als Volkspartei. Sie stammen aus kleingehaltenen Verhältnissen. Sie standen der christlichen Gewerkschaft nahe. Sie waren Arbeitsminister. Sie erklommen sämtliche Stufen der Parteihierarchie. Sie hofierten das globale Finanzkapital als notwendiges Übel. Ihr politisches Kapital war ihre Geselligkeit. Sie feierten sie mit Digestif und Fernet Branca.

Luc Frieden berauscht sich an Regeln, nicht an Kräuterlikör. Er kommt von der Handelskammer. Sein politisches Kapital ist der Geiz. Er stammt aus dem aufstrebenden Kleinbürgertum. Die Arbeiterklasse, das sind für ihn die Besiegten und Beherrschten. Er verdächtigt Volksparteien des Populismus. Geselligkeit pflegt er angestrengt. Die Partei hatte im Dienst seiner Karriere zu stehen. Nicht er im Dienst der Partei. Auch als die CSV zehn Jahre lang durch die Wüste irrte.

24 von 29 Jahren regierten Santer und Juncker mit der Sozialdemokratie. Sie versuchten, eine Steueroase als gemütliche Kleinbürgerwelt einzurichten. In die sie nach der Stahlkrise auch die Arbeiterklasse einluden. Ihr Ideal war eine harmonische Volksfamilie. Draußen tobte der Neoliberalismus. Sie waren nicht mehr die Väter, aber doch noch die Onkel der Nation.

Luc Frieden sucht die Anerkennung durch das globale Finanzkapital. Er hält den Neoliberalismus für ein Naturgesetz. Sein Ideal ist der Staat als Unternehmen, die Staatsbürgerin als Humankapital. Er möchte nicht Vater der Nation sein. Er möchte ihr CEO sein.

Vielleicht haben die drei Männer in Senningen über die CSV geredet. Über die Wahl eines neuen Parteipräsidenten. Noch am selben Tag berichtete RTL, dass Luc Frieden den Parteivorsitz anstrebe. Finanzminister Gilles Roth sicherte ihm über Radio 100,7 seine Unterstützung zu.

Sich plötzlich für die Partei zu interessieren, macht das Regieren einfacher. Wenn Friedens Freunde Unterstützung beim Klassenkampf von oben brauchen. Wenn die Fraktion wieder gegen die Partei putscht wie 2021. Wenn Fraktionssprecher Marc Spautz wieder gegen Minister Luc Frieden putscht wie 2012.

In der CSV war die Personalunion an der Spitze von Regierung und Partei unüblich. Aber Gaston Thorn tat es. Xavier Bettel tat es. In der DP sind die Mitglieder zahlende Claque. Luc Frieden will aus der CSV eine konservative DP machen.

Romain Hilgert
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