Defizitäre Seelsorge, rentables Verlags- und Immobiliengeschäft

Die Erzbistumsgruppe machte Gewinn

d'Lëtzebuerger Land vom 26.06.2015

Es gibt noch Zeichen und Wunder. Vor einem Jahr hatte das Erzbistum seine Bilanz vorgelegt, und sie schloss mit einem Verlust von 1,9 Millionen Euro ab. Dann unterzeichnete es Anfang dieses Jahres eine neue Konvention mit der Regierung, und die Bilanz, die es vergangene Woche vorstellte, weist einen Gewinn von 2,6 Millionen Euro auf.

Das Erzbistum habe „erstmals seit vielen, vielen Jahren das konsolidierte Ergebnis von einem Verlust in einen Überschuss umkehren“ können, freute sich Marc Wagener vergangene Woche. Der Geschäftsführer des Zigarettenfabrikanten Landewyck Group ist seit einem halben Jahr der neue Generalökonom des Erzbistums. Leo Wagener war stolz, „dass wir die nicht einfache Lage der Bistumsfinanzen im Griff haben“. Er ist fast genau so lang neuer Generalvikar.

Mit einem feinen Gespür für die politische Realität hatte das Erzbistum drei Wochen vor den vorgezogenen Kammerwahlen 2013 erstmals eine konsolidierte Bilanz veröffentlicht (d’Land, 27.9.2013). So versuchte es, sich für den bevorstehenden Wahlsieg der Antiklerikalen zu rüsten. Vor den Verhandlungen über eine Kürzung der staatlichen Zuschüsse sollten die Spekulationen über den unermesslichen Reichtum der Kirche beendet und die bedauernswerte Lage der Kirchenfinanzen vorgeführt werden.

Die spannende Frage dabei ist selbstverständlich, was das Erzbistum überhaupt ist. Das heißt, welche Gesellschaftsform es hat und wie groß der Perimeter der konsolidierten Bilanz gefasst wird, welche Firmen mit ihrem Vermögen, ihren Gewinnen und Verlusten darin berücksichtig werden, um zum Gesamtergebnis des Erzbistums beizutragen.

Seit 1981 genießt das 1873 gegründete Bistum und spätere Erzbistum durch Gesetz den Status einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. In seiner Buchhaltung und von seinem Buchprüfer wird es modisch „groupe Archevêché“ genannt wird, so als sei der heilige Simon Petrus ein Berufskollege Lakshmi Mittals gewesen. Aber Direktor Jean Ehret nenn sein altehrwürdiges Priesterseminar nach dem Vorbild der Luxembourg School of Finance nun auch „Luxembourg school of religion and ­society“.

In ihrer Bilanz listet die Erzbistumsgruppe ihre Tochterunternehmen nach drei Geschäftsbereichen auf: Seelsorge, die vor allem als Kostenfaktor auftaucht, Pressewesen und Immobiliengeschäfte, die Vermögenswerte und Einnahmen darstellen. Diese Aufteilung erscheint etwas unbesonnen. Denn über kurz oder lang dürfte sie Buchprüfer PWC dazu bewegen, ihrem Kunden anzuraten, sich auf das Immobiliengeschäft, eventuell noch die Presse zu konzentrieren und die nach der Kürzung der staatlichen Zuschüsse unrentabel gewordene Seelsorge durch Verkauf oder Auflösung aufzugeben.

Die Diözesanverwaltung ist laut Bilanz als zentrale Bürokratie des Erzbistums für den seelsorgerischen Geschäftsbereich zuständig. 2014 beschäftigte und bezahlte sie 34 Angestellte. Die Gehälter der landesweit 249 Seelenhirten wurden dagegen durch Konven­tion von 1997 vom Staat bezahlt. Gleiches galt für 227 Religionslehrer in den Grundschulen und 49 im Sekundarunterricht. Doch das Erzbistum führt die Zuschüsse und Gehälter außerhalb der Einnahmen und Ausgaben der konsolidierten Bilanz, so als ob sie nichts mit ihm zu tun hätten. Auf diese Weise tauchen die 2014 gezahlten 22,5 Millionen Euro staatliche Zuschüsse für seine „ministres du culte“ ebenso wenig auf wie fast 20 Millionen Euro für die Gehälter und Pensionen der Religionslehrer in den Grund- und Sekundarschulen.

So verursachen die Seelsorge und die Diözesanverwaltung in der konsolidierten Bilanz des Erzbistums einen Verlust von 2,5 Millionen Euro, der durch Überschüsse anderer Geschäftsbereiche gedeckt werden muss. Diese sind in der 1937 gegründeten, nach der Rue Lafayette, dem Sitz der Luxemburger Missionskirche in Paris, benannten Beteiligungsgesellschaft Lafayette S.A. zusammengefasst. Sie kontrolliert den irdischen Reichtum des Erzbistums, das heißt den Immobilienbesitz und den Sankt-Paulus-Verlag.

Den in der hauptstädtischen Avenue Marie-Thérèse am Standort des ehemaligen Festungsforts Maria Rheinsheim gelegenen Immobilienbesitzt kontrolliert die Gesellschaft Lafayette nicht direkt, sondern durch eine Mehrheitsbeteiligung an der Immobiliengesellschaft Maria Rheinsheim S.A. Diese umfasst den Palast des Erzbischofs und das Centre Convict, in dem sich ein Hotel zur Miete, ein Internat sowie Büros des Erzbistums und katholischer Vereine befinden. Zum Immobilienpark von Lafayette gehören inzwischen auch ehemalige Gebäude des Sankt-Paulus-Verlags, die sie weitervermietet, nachdem die Verlagsgruppe vor einem halben Dutzend Jahren in einen zu der Zeit defizitären Verlag und eine gewinnversprechende Immobiliengesellschaft aufgeteilt wurde.

Der Sankt-Paulus-Verlag muss, neben dem Staat, die zweite Milchkuh des Erzbistums sein. Von einem Gesamtumsatz des Erzbistums von 70,3 Millionen Euro entfallen Jahr für Jahr 84 Prozent auf den Umsatz des Verlags einschließlich seiner Druckereien und Buchhandlungen. Allerdings werden der Verlag und damit das Erzbistum seit mehr als einem Jahrzehnt hart von der Pressekrise getroffen. Der Umsatz des Verlags ist seit 2011 von 66,0 Millionen Euro auf 59,3 Millionen Euro gesunken. Statt Dividenden an das Bistum abzuführen, produzierte er viele Jahre Verluste durch rückläufige Anzeigeneinnahmen und Verkaufszahlen, aber auch durch kostspielige Fehlinvestitionen, wie Radio DNR, die Tageszeitung La Voix du Luxembourg und die Gratiszeitung Point 24, Überkapazitäten in seinen Druckereien und Buchhandlungen über Land. Sie spiegelten sich auch als außerordentliche Ausgaben für Sozialpläne in den Konten wider. Doch vergangenes Jahr bilanzierte der Verlag zum zweiten Mal wieder einen Gewinn, diesmal in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Infolge der „Gesundschrumpfung“ ist sein Anlagevermögen von fünf Millionen Euro 2013 auf 3,7 Millionen Euro geschrumpft, aber auch die Schulden konnten von 20,2 auf 12,9 Millionen Euro gesenkt werden.

Den Profit des Erzbistums von 2,6 Millionen Euro führte Generalökonom Marc Wagener vergangene Woche auf „die Verbesserung des operativen Ergebnisses“ aller Geschäftsbereiche durch Umsatzsteigerungen und gleichzeitige Kostensenkungen zurück. Einen wesentlichen Beitrag leistete aber auch der Verkauf einer Immobilie, deren Mehrwert außergewöhnliche Einnahmen in Höhe von 1,4 Millio­nen Euro verursachte.

Die Schuld des Erzbistums belief sich 2014 auf 45,7 Millionen Euro, rund zehn Millionen weniger als 2013. Das Erzbistum hat sich vergangenes Jahr auch umgeschuldet. Es nahm mittels seiner Beteiligungsgesellschaft Lafayette Bankdarlehen in Höhe von 15 Millionen Euro auf, um rund zehn Millionen Euro zurückzuzahlen, die ihm Kirchenfabriken und Orden geliehen hatten und nun wieder selbst brauchen. In der Bilanz fungieren diese Darlehen als „sonstige Verbindlichkeiten“ und nicht als „Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen“.

Generalvikar Leo Wagener meinte zwar vergangene Wochen, dass zum Erzbistum auch „Pfarrverbände, kirchliche Bewegungen, Krankenhäuser, Altersheime, Schulen, Internate, Klöster, kirchliche Vereinigungen...“ gehörten. Aber die Einnahmen und Ausgaben dieser Kircheneinrichtungen werden nicht in der konsolidierten Bilanz des Erzbistums aufgeführt. Zu diesem Zweck beruft sich das Erzbistum „freiwillig“ auf das Gesetz von 1915 über Handelsgesellschaften, dem es gar nicht unterliegt. Die verbeamteten Geistlichen gehören beispielsweise laut kanonischem Recht zum Erzbistum, laut Handelsgesetz aber offenbar nicht. Das Erzbistum wähnt sich in diesem Fall dem Handelsrecht näher als dem kanonischen.

So werden die 285 Kirchenfabriken in 274 Pfarreien nicht in der Bilanz des Erzbistums konsolidiert. Setzte man den Grundstücks- und Gebäudewert jeder Kirchenfabrik auch nur mit einer halben Million Euro ein, käme man bereits auf ein Immobilienvermögen von 142,5 Millionen Euro. Während die einen Kirchenfabriken dem Erzbistum Millio­nen leihen konnten, mussten die Gemeinden für die Verluste der anderen aufkommen. Dass sie dem Erzbistum unterstehen, ersieht man bereits daraus, dass ihr Vermögen künftig entsprechend Artikel 20 der Konvention vom 26. Januar einem vom Erzbistum verwalteten Fonds de la gestion des édifices reli­gieux du culte catholique überführt werden soll.

Nicht konsolidiert ist auch das Priesterseminar, das dem Erzbistum nicht nur hierarchisch untersteht, sondern auch von ihm finanziert wird. Derzeit studieren fünf Seminaristen und 15 angehende Religionslehrer am Seminar, das vergangenes Jahr einen Verlust von 100 189 Euro auswies, weil das Bistum seine Finanzierung um 100 000 Euro gekürzt hatte. Es soll künftig auch für andere Reli­gionen geöffnet werden, die dann auch mitbezahlen dürfen. Auch die religiösen Ordensgemeinschaften mit 409 Nonnen, Patern und Brüdern tauchen nicht in der konsolidierten Bilanz des Erzbistums auf, dem sie allerdings nicht immer direkt unterstehen.

Nicht konsolidiert werden die Caritas und ihre Dienste wie Caritas accueil et solidarité, Caritas jeunes et familles, Caritas enfants et familles, die nach eigener Darstellung „im Dienst der Diakonie der katholischen Kirche“ stehen. Sie beschäftigten Ende vergangenen Jahres 525 Angestellte, sowie 141 Praktikanten, Lehrlinge und Arbeitslose in Beschäftigungsmaßnahmen sowie Entwicklungshelfer in fünf Auslandsbüros. Die Caritas bilanzierte 2014 einen Gesamtumsatz von 49,4 Millio­nen Euro, die Stfitung einen Verlust von einer halben Million Euro. Der Diakonie nahe steht auch die größte Pflegedienstfirma im Land, Hëllef doheem, die vor dem angedrohten Personalabbau 1 950 Leute beschäftigte und 2013 einen Umsatz von 94,3 Millionen Euro aufwies. Die Bilanz für 2014 ist noch nicht veröffentlicht.

Nicht konsolidiert ist auch die Fondation Sainte-Zithe des Ordens der Zitha-Schwestern Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel. Zu ihm gehören fünf Altersheime in Luxemburg, Contern, Consdorf und Petingen und bis vergangenes Jahr auch die hauptstädtische Zitha-Klinik. Inzwischen fusionierte die Zitha-Klinik mit dem Hôpital Kirchberg, der Klinik Dr. Bohler und dem Krankenhaus Sainte-Marie in Esch-Alzette, die der Fondation François-Elisabeth gehören. Als Hôpitaux Robert Schuman beschäftigen diese konfessionellen Krankenhäuser nun 2 200 Angestellte und 250 freischaffenden Ärzte.

Ebenfalls von der konsolidierten Bilanz des Erzbistums ausgeschlossen sind die vier katholischen Privatschulen Fieldgen und Sainte-Sophie in Luxemburg, Marie Consolatrice in Esch-Alzette, Sainte-Anne in Ettelbrück sowie die sieben katholischen Internate der Gruppe Jacques Brocquart in Luxemburg, Echternach, Diekirch, Wiltz, Mertzig und Ettelbrück.

Romain Hilgert
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