Über die praktischen Auswirkungen der geplanten Reform der Priestergehälter, der Kirchenfabriken und des Religionsunterrichts wurde bereits viel diskutiert, aber kaum über die Gesinnung, die der am 26. Januar unterzeichneten Konvention zwischen dem Staat und einem halben Dutzend Religionsgemeinschaften zugrunde liegt.
Dabei scheint allen Vertragsparteien der Umgang mit der Religion bis zur Selbstverleugnung peinlich: Die versammelten höchsten Religionsvertreter des Landes ließen zu, dass in dem neunseitigen Abkommen über die religiösen Gemeinschaften kein einziges Mal das Wort „Gott“ fällt. Und die immerhin erstmals seit Jahrzehnten liberale Regierung fand keine Worte für die
Überzeugung der ihrer eigenen Vernunft vertrauenden Mehrheit der Bevölkerung – in der Konvention geht einmal von „philosophischen Fragen“, im geplanten neuen Verfassungsartikel sogar von „ideologischen“ im Gegensatz zu „religiösen Angelegenheiten“ die Rede.
Die Gesinnung, in der die Konvention verfasst ist, erschließt sich aus der Präambel, die anschließenden 36 Artikel drehen sich ums Geld und wie man daran kommt. Grundlage des Abkommens ist ein Handel, mit dem legitimiert wird, weshalb der Staat und die Kirchen nun doch nicht getrennt werden: Die Regierung „trägt mit einem Beitrag zu Lasten des Staatshaushalts zur Ausübung der Religionsfreiheit“ bei, während die Religionsgemeinschaften „als Gegenleistung jenen Personen geistige Unterstützung gewähren, die danach fragen“.
Damit wird die Religionsfreiheit nicht nur weiter als Teil der allgemeinen Meinungsfreiheit vom Staat geschützt, sondern der Genuss dieser Freiheit als eine besondere auch noch mit Zuschüssen gefördert. Dies stellt eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen weit verbreiteten Meinungen, wie Horoskopen oder Glücksspielen, und Weltanschauungen dar, wie dem Positivismus oder dem Existenzialismus, die durch die Verfassung geschützt, aber nicht durch Geldzuwendungen gefördert werden. Es gibt aber keinen zwingenden Grund, weshalb der Staat, der seit der Lissabon-Strategie ausdrücklich die Entfaltung der Wissensgesellschaft anstrebt, ausgerechnet den Glauben an vormoderne Weltbilder, übernatürliche Vorgänge und Figuren fördern soll.
Um in den Genuss der staatlichen Zuschüsse zu kommen, werden die unterzeichnenden Religionsgemeinschaften auf eine Art psychosoziale Dienstleister reduziert, die geistige Unterstützung anbieten, und ihre Gläubigen auf Unterstützung bedürftige, also nicht autonome Persönlichkeiten. Da die staatliche Bezuschussung aber auf sechs ausgewählte abrahamitische Religionen beschränkt ist, stellt dies eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Kirchen, Sekten und Aberglauben dar, deren geistige Unterstützungsangebote nicht vom Staat subventioniert werden.
In der Präambel wird zwar betont, dass die in den Genuss der Konvention kommenden Religionsgemeinschaften hierzulande „von einer genügend zahlreichen Gemeinschaft unterstützt“ würden. Aber das widerspricht selbstverständlich der nur acht Zeilen später erklärten Absicht der Regierung, zur Ausübung der Religionsfreiheit beizutragen, sowie dem geplanten neuen Verfassungsartikel, der „die Neutralität des Staats in religiösen und ideologischen Dingen“ beteuert. Denn die Religionsfreiheit und die Neutralität des Staats dürfen nicht erst ab einer für „genügend zahlreich“ erklärten Gemeinschaft gewährleistet werden.
Das Gleiche gilt für die Einführung eines Werteunterrichts in den öffentlichen Schulen, der als Synthese von Religions- und Moralunterricht dargestellt wird. Die Konvention sieht die Gründung eines Conseil des cultes conventionnés vor, als dessen einzige Funktion ein Mitspracherecht in „philosophischen und religiösen Fragen“ bei der Gestaltung des Werteunterrichts aufgeführt wird. Ungeachtet des etwas schnell übergangenen kulturhistorischen Konflikts zwischen Religion und Philosophie schränkt dies ebenfalls die Religionsfreiheit nicht konventionierter Kirchen, Sekten und Aberglauben ein. Es ist auch schwer vorstellbar, dass im Rahmen des marktliberalen Bildungsideals, den Schülern einen Bauchladen von Religionen und Philosophien anzubieten, die – Pacta sunt servanda – für den Werteunterricht übernommenen katholischen Religionslehrer unvoreingenommen die radikale Religionskritik eines Voltaire oder Nietzsche erklären.
So bekräftigen die Präambel ebenso wie die praktischen Abmachungen der Konvention über das Verhältnis von Staat und Glaubensgemeinschaften nur den Eindruck, dass es, analog zu anderen Reformen von DP, LSAP und Grünen, nicht um die Trennung von Kirchen und Staat geht, sondern bloß um die Einsparung einiger Millionen Euro jährlich, die die öffentliche Hand derzeit für Priestergehälter und Kirchenfabriken ausgibt.