Es gibt nicht nur auf der Seite der Religionen straff organisierte Gläubige, von denen die Regierung sechs römisch-katholische, jüdische, protestantische, moslemische, anglikanische und orthodoxe Organisationen versammelt hatte, um eine neue Konvention über ihr Verhältnis zum Staat auszuhandeln. Auch die organisierten Ungläubigen verfügen inzwischen über drei Vereine, die möglicherweise sogar im Namen einer Mehrheit der Bevölkerung sprechen könnten. Denn laut der Umfrage der European Values Study besuchen wöchentlich gerade 13 000 Erwachsene hierzulande einen Gottesdienst. Trotzdem verhandelte die Regierung lediglich mit den Kirchenvertretern.
Ähnlich wie es auf der Seite der Religionen jede Menge unterschiedlicher Kirchen und Sekten gibt, gibt es auch bei den ungläubigen Vereinen traditionsbewusste und keckere, fundamentalistische und regierungsnahe. Das zeigte sich bereits 2009 bei den Meinungsverschiedenheiten über die Gründung von Maisons de la laïcité, welche die CSV/LSAP-Koalition beschlossen hatte. Das zeigt sich nun noch deutlicher bei der Einschätzung der am 26. Januar unterzeichneten Konvention über das Verhältnis zwischen dem Staat und den religiösen Gemeinschaften.
Der 1903 gegründete Freidenkerbund hatte fast ein Jahrhundert lang das Monopol der organisierten Kirchengegner. Und die Libre pensée luxembourgeoise ist entrüstet über das neue Abkommen. Von einer „Nacht-und Nebelaktion“ schreibt sie in einer Presseerklärung, „Bistum und CSV können sich beglückwünschen, sie haben ihre Vormachtstellung in unserem Land erneut unter Beweis gestellt und der Regierung einen ‚Kuhhandel’ als ‚gesellschaftliche Revolution’ verkauft“. Denn „die Religionsgemeinschaften, und insbesondere die katholische Kirche behalten aber ihre verfassungsrechtlichen Privilegien und diese werden in einem ‚Religionengesetz’ sicherlich nicht zu ihren Ungunsten ausfallen. Der Steuerzahler wird auch weiterhin noch viele Jahre die Finanzierung der Religionsgemeinschaften mittragen“.
Ähnlich enttäuscht zeigt sich Cécile Paulus, Vorstandsmitglied von Liberté de conscience. Der Verein war 1989 als Reaktion auf die Reform des Religionsunterrichts, mit der die Dispenzmöglichkeit im Sekundarunterricht abgeschafft wurde, vor allem von einigen Studienräten gegründet worden, um die Diskriminierung der ungläubigen Schüler zu bekämpfen. In einem langen Brief erinnert Cécile Paulus daran, dass in ihren Grundsatzprogrammen die LSAP einen laizistischen Staat, die Grünen die Trennung von Kirche und Staat versprochen und die DP Religion zur Privatsache erklärt hatten, während sie dann in ihrem Koalitionsabkommen nur noch das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen neu regeln wollten. Durch den geplanten Verfassungsartikel über die Anerkennung der Religionsgemeinschaften werde das Ziel des laizistischen Staats aufgegeben und würden die ungläubigen Bürger benachteiligt.
Ganz anderer Meinung ist dagegen die Allianz von Humanisten, Atheisten und Agnostikern. Aha war im Frühling 2010 in Anlehnung an die von dem rheinland-pfälzischen Möbelfabrikanten Herbert Steffen finanzierte Giordano-Bruno-Stiftung gegründet worden, um etwas frischer und jünger als die anderen Vereine von Kirchengegnern aufzutreten. Die Vizepräsidentin von Aha ist die LSAP-Abgeordnete Taina Bofferding, Generalsekretär ist Manuel Huss, Funktionär der grünen Parlamentsfraktion. Entsprechend regierungsfreundlich fiel die Stellungnahme von Aha zu dem Abkommen zwischen Regierung und Kirchen aus: „Inhaltlich stellt das Abkommen unter dem Strich einen großen Fortschritt gegenüber den aktuellen Verhältnissen dar“, auch wenn die Verhandlungen undurchsichtig geführt worden seien. Denn „begrüßenswert ist, dass das Prinzip des gemeinsamen konfessionsfreien Ethikunterrichts für alle Schüler umgesetzt werden soll, anstelle der künstlichen Aufteilung der Schüler gemäß der Religionszugehörigkeit beziehungsweise Nichtzugehörigkeit ihrer Eltern. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist dies von zentraler Bedeutung“. Und „lobenswert“ sei, „dass der Artikel 106, der den Staat bisher verpflichtet hat, für die Gehälter und Renten der ‚Ministres des Cultes’ aufzukommen ersatzlos gestrichen wird. Die finanziellen Verhältnisse zwischen Staat und Glaubensgemeinschaften haben künftig also keinen Verfassungsrang mehr und werden wenn überhaupt per Gesetz geregelt.“
Freidenkerbund und Liberté de conscience bedauern, dass den Wahlberechtigten nun die Möglichkeit genommen wird, beim Referendum im Juni über die Trennung von Kirche und Staat oder wenigstens über die Finanzierung der Priestergehälter abzustimmen. Dagegen beschwichtigt Aha, weil „nun in der Frage zur Abschaffung des Artikels 106 über die Finanzierung der ‚Ministres des Cultes’ eine Einigung erzielt werden konnte, ergibt es wenig Sinn, diese Frage zu stellen“.
Freidenkerbund, Liberté de conscience und Aha konnten sich dagegen mit den laizistischen Lehrerorganisation SEW/OGBL, FGIL, LLE und Alpe auf eine gemeinsame Stellungnahme zum geplanten gemeinsamen Werteunterricht einigen, in der sie sich „lebhaft beunruhigt“ zeigen. Denn der Einfluss der Religionsgemeinschaften auf dieses Fach bleibe bestehen, die Religionslehrer sollten für den Unterricht übernommen werden und die nicht-religiösen Organisationen seien von der Vorbereitung des Rahmenprogramms des neuen Fachs ausgeschlossen worden.