Es gibt vermutlich keine Beziehung, die die Literaturwelt bis heute so sehr fasziniert wie die von Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Unzählige Artikel, einige Bücher und zuletzt der Briefwechsel zwischen der österreichischen Schriftstellerin und dem Schweizer Autor sind ihr gewidmet – oder wärmen diese wieder auf. Nun kommt Margarethe von Trottas Film Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste hinzu, der sich mit den Jahren dieser komplizierten Beziehung auseinandersetzt. Und bereits mit dem Eingangsmotiv gelingt es der Regisseurin ihren Film auszuerzählen: „La joie venait toujours après la peine.“, zitiert Bachmann in Paris bei der ersten Begegnung mit Frisch aus Le Pont Mirabeau den französischen Dichter Apollinaire. Somit ist klar, dass es der Schmerz ist, der in dem Film den Ton angibt und aus dem heraus es sich zu bewegen gilt – wie auch immer, wohin auch immer. Dazu braucht es nicht nur als Metapher die Einöde, nichts als Leere, Wüste. Dahin reiste Bachmann mit ihrem Landsmann und Lebensabschnittsbegleiter Adolf Opel Mitte der 1960er-Jahre, wo sich die völlig erschöpfte Dichterin vom Kummer der Beziehung mit Max Frisch erholte. Wo sie in der Stille noch einmal zu sich finden konnte, die „natürlichen Klammern“ löste, um sich und ihr Leid in der Welt zu verlieren.
Die Beziehung Bachmann-Frisch und die Erholung von ihr in der Wüste bilden die zwei Pole, zwischen denen der Film pendelt, um sie miteinander ins Verhältnis zu setzen. Dabei bleibt er eng an der Perspektive der Bachmann oder zumindest ihrer Wahrnehmung der Dinge. Die anfängliche Leidenschaft füreinander und das Interesse am Werk des anderen kippen schon bald in Eifersucht und Kontrollwahn. Die gemeinsame Zeit in Zürich wird für beide zu einer Herausforderung. Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) leidet am Geschrei der Tasten von Frischs Schreibmaschine und der Verschlossenheit der Schweizer; Max Frisch (Ronald Zehrfeld) bald an der Bewunderung, die andere „seinem Mädchen“ entgegenbringen. Der Beziehung zwischen der deutlich jüngeren Dichterin und dem gesetzten Dramatiker schreibt das Drehbuch von Beginn an etwas Toxisches zu. Schon am ersten Abend ermahnt Frisch die erfolgreiche Lyrikerin, dass sie zu viel rauche. Als Bachmann befremdet reagiert, versucht er sich zu rechtfertigen. Die Männer würden Frauen doch immer nur beschützen wollen. Eigentlich verwunderlich, dass es trotz der grundverschiedenen Vorstellungen des Verhältnisses von Mann und Frau dennoch zwischen den beiden Literaten funkte. Vielleicht liegt aber auch gerade darin die Reibung, die immer zwischen ihnen bestand. Denn während Frisch mehrmals vergeblich um Bachmanns Hand anhielt, war die Österreicherin der Ansicht, dass die Ehe für eine Frau, die arbeitet, denkt und sich verwirklichen will, „eine ganz unmögliche Institution“ sei.
Der Film hat ein großes Manko, was sehr schnell offensichtlich wird: Er entstand vor dem gerade erschienen – und denselben Zeitraum abdeckenden – Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch – ohne, dass von Trotta diesen einsehen konnte. Genau das fällt ihm auch auf die Füße. Er macht es sich insgesamt zu einfach, wenn er Frisch als den physisch und psychisch übergriffigen Riesen darstellt, der die junge Bachmann mit allen Mitteln in seine Gewalt bekommen will. Wenn er wortwörtlich einen „Mörder“ und eine „Ermordete“ miteinander ringen lässt, wenngleich er offenlässt, ob nicht auch die Ermordeten schuldig sein könnten.
Margarethe von Trotta, die sich in ihrem Werk bereits Ikonen wie Rosa Luxemburg, Hannah Arendt oder Ingmar Bergman von der allzu menschlichen Seite angenähert hat, beschreibt die Beziehung in ihrem Film als Irrtum zweier Menschen, die einander zugeneigt aneinander zugrunde gehen. Versteht man eine toxische Beziehung als unbedingten Willen, einander bestmöglich misszuverstehen, dann belegt der im November vergangenen Jahres erschienene Briefwechsel genau das. Aber er zeigt eben auch, wie inspirierend und produktiv diese Beziehung zweier Schreibender auf Augenhöhe war. Dieser Aspekt kommt hier viel zu kurz. Stattdessen beschränkt er sich im Bereich des Schriftstellerischen auf die Konkurrenz, etwa wenn Bachmann Frisch attestiert, Worte nicht so wichtig zu nehmen. In welchem Ausmaß sich beide gegenseitig in ihrem Schaffen befruchteten und lähmten, ist eine Frage, die die Wissenschaft bis heute nicht abschließend klären konnte.
Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld in den beiden Hauptrollen beheben diese eindimensionale Sicht auf die Beziehung nicht. Zehrfeld nimmt man den bei seinen Auftritten eher nüchtern wirkenden Schweizer mit Lokalkolorit nicht richtig ab und auch Krieps bleibt in ihrer Rolle etwas blass. An ihre eindrucksvolle Darbietung der Kaiserin Sissi in Marie Kreutzers Corsage kommt sie hier nicht heran. Nicht nur, dass auch hier der markante lokale Zungenschlag fehlt – Margarethe von Trotta meidet in ihren Ikonenverfilmungen äußere Ähnlichkeiten bewusst, wie sie in einem Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur erklärte, damit die Leute nicht ständig darauf achten, wann im Film die Ähnlichkeit zur echten Person besonders hoch oder niedrig ist –, sondern auch, dass die Rolle zu sehr auf die Zerbrechlichkeit angelegt ist. Die sprachliche Kraft, die in Bachmann steckte, tritt nie so richtig zutage.
Margarethe von Trottas Film ist nicht der erste, der sich Ingeborg Bachmann nähert. 2016 war die österreichische Filmemacherin Ruth Beckermann mit dem ebenso berückenden und beglückenden Film Die Geträumten über die Korrespondenz von Paul Celan und Ingeborg Bachmann in Berlin zu Gast. Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste ist vollkommen anders, lässt das Werk ihrer beiden Figuren nur am Rand aufschimmern und widmet sich ganz der Beziehungsebene. Doch bei allen Spannungen, die sie dabei zutage bringt, springt der Funke nicht wirklich über. Und wenn gegen Ende ins Bild gebracht wird, wie sich Ingeborg Bachmann in der (jordanischen) Wüste an allen Biedermännern rächt, „denen ich mich geopfert habe“, dann geht das zu weit. Schließlich war es Bachmann selbst, die immer streng darauf geachtet hat, dass das Private privat bleibt und sie als öffentliche Person vor allem durch die Sprache glänzt.
„Ich glaube, dass alle Menschen in allen Beziehungen aneinander vorbeireden. Im Grunde ist jeder mit seinen unübersetzten Gedanken und Gefühlen allein“, zitiert der Film eine Aussage, die Bachmann in einem Interview gemacht hat. Allein fühlen sich auch Bachmann und Frisch in ihrer jeweiligen Haut – Ingeborg Bachmann an der Seite von Max Frisch in Zürich, Frisch am selben Ort, als Bachmann in ihrer Lebensstadt Rom ist. Als er sie dort versucht zu erreichen, kann sein Anruf nicht zugestellt werden. „Roma non risponde“ – Rom antwortet nicht. Ein Satz, der das komplexe Verhältnis von Ingeborg Bachmann und Max Frisch vielleicht am besten auf den Punkt bringt – zu dem es diesen Film jedoch nicht braucht.