Nach The Father hat der Drehbuchautor und Regisseur Florian Zeller ein weiteres seiner Theaterstücke, The Son, für die große Leinwand adaptiert. Der Sohn ist Nicholas (Zen McGrath), ein junger Mann, gefangen in einem Zwischendrin. Die Scheidung seiner Eltern hat er noch nicht überwunden, die neue Beziehung, die sein Vater führt, kann er noch nicht vollends akzeptieren, sie irritiert ihn. Wo Florian Zeller in The Father noch die Anbindung an die Erlebniswelt eines an Demenz leidenden Mannes erreichte, durch immer wieder zum Einsatz gebrachte subjektive Einstellungen, die seine Wahrnehmung, die im Schwinden begriffen ist, erfahrbar machte, da operiert er in The Son in umgekehrter Weise: Nicht die Ich-Perspektive des titelgebenden Sohnes ist der narrative Fokalisierungspunkt, sondern der unmittelbare Wahrnehmungsraum des Vaters (Hugh Jackman) steht im Mittelpunkt. Mit ihm ist zu lachen, zu weinen, zu verzweifeln angesichts eines nie ganz zu verstehenden jungen Mannes, der unter den Herausforderungen des Lebens leidet.
Ein vergangenes Leben hinter sich lassen, ein neues zu beginnen, stürzt ein Scheidungskind in eine Existenzkrise. Er ist das Bindeglied zweier Welten, die Doppelpersönlichkeit, die eine gescheiterte Ehe hinterlässt. The Son stellt selbstverständlich große Sinnfragen über familiäres Glück, die Harmonie der Kernfamilie, die Erneuerung sozialer Beziehungen, doch die Wirkungsmacht seiner Themenkomplexe entfaltet sich dem Publikum vollends erst durch deren Auswertung in der filmischen Präsentation: Zeller erzählt diese Lebenswirklichkeit einer Familie in einem unmittelbaren, wilden Stilgemisch, nicht linear und nicht als abgefilmte Theaterbühne, weder ganz naturalistisch, noch überaus hochstilisiert; er begibt sich auf einen ästhetischen Kampf mit beiden Tendenzen, die in ihrem Aufeinandertreffen eine Form des „erhöhten Realismus“ erreichen, den man so im Kino nur selten sieht. All die Alltagssituationen, die da scheinbar ganz von allein ineinandergreifen, kommen nie ganz natürlich zustande. Kein Dialog, kein Wortgefecht setzt unvermittelt und aus sich selbst heraus ein. Kein noch so kleines Detail in der Ausstattung eines hypermodern eingerichteten Apartments wirkt wie beiläufig gesetzt, kein Lichteinfall ist Ausdruck einer natürlichen, zufälligen Erscheinung. In diesem stilisierten, von kühlem Design geprägten Drama erzählt der Regisseur von den inneren Krisen einer Familie, die mit der Unfähigkeit zu Nähe und Vertrauen zu kämpfen hat. Zeller arbeitet mit einem ausgeklügeltem Farb- und Raumschema, nutzt die auditiven Elemente zudem so, dass ein filmischer Raum gebildet wird, den dieser Nicholas zwar bewohnt, dem er aber offensichtlich nicht angehört. Was dann bleibt, ist die eindrucksvolle Großaufnahme des Gesichts von Zen McGrath, in dem wir aber nie wirklich lesen können. Es bleibt die Erkenntnis, dass dem Sohn auch inmitten des Lebens kein Rückzugsort für sich bleibt – und zur gleichen Zeit macht der Zuschauer diesen Abstieg in die Hölle dieser kaputten Existenz mit. Es geht um die generationenübergreifenden Begegnungen mit der tiefsten Verzweiflung, die tiefe Spuren hinterlassen. Zeller schildert all das mit einer größtmöglichen erzählerischen Aufrichtigkeit, die seine Figuren nie ganz dem Stereotyp hin- oder die Geschichte der Sentimentalität preisgibt.
Zeller erreicht so eine Dramatik, die freilich dem Prinzip der Steigerung verpflichtet ist, er gestattet seinem Publikum kaum Momente des Aufatmens, sondern zielt bewusst auf die Aufrechterhaltung der dramatischen Intensität, die er zuvorderst über die Virtuosität seines Schauspielensembles garantieren kann. Ähnlich wie in The Father müsste man bei The Son von einem filmischen Erlebnis sprechen, das in seiner Intensität äußerst präsent und dringlich auf sein Publikum einwirkt, ja es gleichsam ganz in seinen Bann zieht; ein Gefühlsrausch, der bis zu seinem Ende nicht abreißt.