Mit Hilfe neuester KI-Technologien soll der „King of Rock’n’Roll“ Elvis Presley als Hologramm auferstehen und wieder auf Tour gehen. Die Musiklegende verstarb 1977 – wenig später folgte im Jahr 1979 eine erste filmische Hommage seines Lebens durch John Carpenter für das Fernsehen. So nah er sich an den Tod des Musikers fügte, so überaus wohlwollend und würdigend verhielt Carpenters Film sich. Seitdem hat sich das filmische Elvis-Porträt weiterentwickelt. Mit Elvis von Baz Luhrmann von 2022 und nun Priscilla von Sofia Coppola sind gleich zwei Filme überaus zeitnah entstanden, die in ihrem Blick auf diese Ikone der Musikgeschichte unterschiedlicher nicht sein könnten: Reverenz und Mythologisierung bei Luhrmann, Entmythologisierung und Ikonoklasmus bei Coppola.
Schon der Blick in die Filmografie der beiden lässt ahnen, dass ihr Zugang zum Thema unterschiedlich sein würde: Luhrmann hat sich mit Filmen wie Romeo + Juliet (1996) oder Moulin Rouge (2001) als begabter Musical-Regisseur ausgewiesen. Coppola bewies sich mit Virgin Suicides (1999) oder Marie Antoinette (2006) als eine Filmemacherin, die in ihren Erzählungen gern eine weibliche Perspektive einnimmt.
Mit Elvis kehrt der Australischer Luhrmann nach The Great Gatsby (2014) wieder auf die Leinwand zurück. Erzählt wird das Biopic aus der Sicht von Elvis’ Manager, dem Colonel Parker, der sich im hohen Alter rückblickend an den Ausnahmekünstler erinnert und sich gegen die Anschuldigungen wehrt, für den Absturz und den Tod des Stars verantwortlich zu sein. Dieser Parker ist vielmehr darum bemüht, sich selbst als den wahren Schöpfer von Elvis zu offenbaren. Die fast dreistündige Filmbiografie des „King of Pop“ ist entsprechend konzipiert: Das aufrichtige, ja naive Streben und die unverhohlene Ausbeutung sind die beiden Pole, die das Showgeschäft in Elvis ausmachen.
Im direkten Vergleich zu Coppolas Film fällt umso mehr auf, wie wenig Luhrmanns Film den Popstar greifbar werden lässt: Elvis wirkt wie eine Leerstelle in einem Biopic, das seinen Namen trägt. Das liegt an der Multiperspektivität, die der Film anstrebt: Es wird viel über und mit Elvis geredet, ja, er ist das allumfassende Thema des Films – die Schauspielarbeit von Austin Butler, der zumindest in den Szenen der Bühnenauftritte mit dem Bild des King korreliert. Allein: Eine Strategie zur Subjektivierung unterdrückt der Film, nie sind wir wirklich an die Erlebniswelt des Künstlers angebunden, dafür ist der Film schlicht zu betulich. Er greift Elvis’ Drogenexzesse und seinen anschließenden Abstieg zwar auf, doch nur um ihn in der Opferrolle des Systems zu lesen. Die extradiegetisch eingestreuten Neuinterpretationen von Elvis-Songs funktionieren dabei als auditive Lektürehilfe: „I’m caught in a trap / I can’t walk out.“ Elvis ist eine angedachte Distanzierung bei gleichzeitiger Zelebrierung, um sich so in ein größeres Entschuldigungs-Narrativ zu platzieren: Die Ausarbeitung der verschiedenen Themen ist besonders bestimmt von Schuldverschiebungen und ethischen Ausflüchten. Jeder und niemand ist verantwortlich. Darin wird zumindest eines ersichtlich: Der Film gibt sich oberflächlich subversiv, nur um durch die Hintertür den „Mythos Elvis“ fortzuschreiben – ähnliches konnte man in Andrew Dominiks Blonde (2021) beobachten. Erst ganz am Ende und deshalb viel zu spät, wenn die Found-Footage-Aufnahmen den echten, aufgedunsenen und von Drogenmissbrauch zerrütteten Elvis zeigen, der voller Leidenschaft singt, beginnt der Film eine Wirkung zu entfalten, eine Bewusstmachung, wie gesellschaftliche Beanspruchung den Menschen zerbricht. Und zwar auf eine äußerst unmerkliche Art. Ein Ikonoklasmus ist Elvis deshalb aber noch nicht.
Es ist bei dieser kontrastiven Gegenüberstellung beachtlich, wie sehr man verleitet sein könnte, Coppolas Film als direkten Angriff auf Luhrmann zu sehen. Doch ganz so direkt und plakativ geht Sofia Coppola nicht vor: Ausgehend von der 1985 veröffentlichten Biografie Elvis and Me von Priscilla Presley und Sandra Harmon wird in ihrem Film von der schwierigen Beziehung zwischen Priscilla Beaulieu und Elvis Presley erzählt.
Dezidiert und konsequent aus der Frauenperspektive geschildert, ist dieser Film ein tatsächlich dekonstruktivistischer Blick auf die Ikone Elvis Presley: Als ein nahezu psychopathischer Manipulator profitiert Elvis von dem Machtgefälle in der Künstler-Fan-Beziehung, um sich die junge Frau gefügig zu machen. Priscillas zunehmende Isolierung und das Hineingleiten in die Drogensucht werden von Elvis inszeniert; er ist hier sehr transparent in der Täterrolle markiert.
Coppola möchte zeigen, wie Elvis’ glanzvolles Bühnenimage mit dem der Privatperson in Konflikt gerät: Da die coole Rampensau, hier der schüchterne Mann mit Mutterkomplex – in Andeutungen lässt die Filmemacherin durchscheinen, dass die kollektive Vereinnahmung von Elvis im öffentlichen Raum tiefe Spuren im privaten hinterlässt. Doch ist damit kein Entschuldigungs-Narrativ aufgestellt. Um größere Fragen zu ausbeuterischen Tendenzen des Showgeschäfts geht es Coppola nämlich nicht. Ihr Film stellt keinerlei Verbindungen her zwischen dem ausgebeuteten Künstler als Opfer des Showgeschäfts, das im Privaten neue Ausbeutungstendenzen schafft. Coppola deutet diese zwar mit dem Manager Parker an, der nur über Telefongespräche und beiläufige Erwähnungen in dem Film präsent ist. Die wechselnden Schuldzuweisungen in der Causa Elvis – die Luhrmann bereits am Anfang seines Films mit der Szene im Spiegelkabinett anlegte – sucht man bei Coppola vergeblich. Dies ist insofern konsequent, als Priscilla eben nicht das Biopic über den Musiker, sondern über dessen Frau ist. Der konsequente Verzicht auf Elvis-Songs ist in dieser Hinsicht auch vielsagend.
Da, wo Luhrmann apologetisch verfuhr, operiert Coppola ausgesprochen didaktisch, immerzu die Ungerechtigkeit und die Last dieses Frauenschicksals vermittelnd. Ihre Bildersprache weist einmal mehr in diese Richtung: Coppola ist eine begabte Regisseurin der geschlossenen Räume – aus dem Versailles des 18. Jahrhunderts in Marie Antoinette ist nun Graceland, Elvis’ Privatresidenz in Memphis, geworden. Coppola inszeniert diese Residenz als einen Ort der leeren Interieurs, die innerliche Vereinsamung Priscillas in die filmische Raumgestaltung übertragend. Die zunehmende Kälte in deren Beziehung vermittelt sie mit einem Effekt der Distanzierung – gerne zeigt sie die Ehepartner in der Halbnahen –, lässt so Mitleid und Sympathie für Priscilla aufkommen, ohne jedoch ihr Publikum unmittelbar und direkt an deren subjektive Erlebniswelt anzubinden. Sie betrachtet Priscilla mitunter sehr stark aus der Position einer Beobachterin, die die junge Frau als Fallbeispiel einer strukturellen Ungerechtigkeit inszenieren möchte – entlang heutiger Schlagwörter wie toxische Männlichkeit, Machtasymmetrie und Patriarchat. Pablo Larraíns Jackie (2016) oder Spencer (2020) waren in dieser Hinsicht viel radikaler. Coppola nutzt die öffentliche Persönlichkeit von Priscilla so, dass sie über sie ihren didaktischen Impetus, ganz im Sinne der Post-me-too-Bewegung, legitimieren kann – eine weitere, nunmehr kollektive Vereinnahmung der Frau durch Hollywood.
In allen Fällen sind die Blicke auf Elvis sehr kontrastreich: Während Luhrmann versucht, den Mensch über dem Künstler zu lesen, liest Coppola den Menschen über dem Künstler. Sie operieren aus unterschiedlichen Richtungen, legen indes kurioserweise einen gemeinsamen diskursiven Punkt frei: Beide Filmbeispiele zeigen in ihren jeweiligen inneren Zugängen und den damit verbundenen Spanungsfeldern, wie komplex die Frage danach ist, ob man Künstler und Mensch voneinander trennen kann, darf – und soll?