Wohnungsbaupakt

Damit alles im Perimeter bleibt

d'Lëtzebuerger Land vom 23.11.2006

Boden on tour: Quer durch die Regionen wirbt der Wohnungsbauminister derzeit gegenüber den Gemeinden für den Wunnéngsbaupakt. In ein paar Tagen im Osten des Landes, am Mittwoch letzter Woche waren in Monnerich die Südgemeinden zum Informationstreffen gebeten. "Viel Neues war da nicht zu hören", sagt die Escher Wohnungsbauschöffin Vera Spautz (LSAP). Dabei sei vieles noch unklar. Esch sei interessiert am Abschluss eines solchen Pakts mit der Regierung und werde wahrscheinlich den Anforderungen gerecht, die der Pakt stellen wird: für die nächsten zehn Jahre genügend viele Wohnungsbauprojekte vorzuweisen, damit die Einwohnerzahl in diesem Zeitraum um mindestens 15 Prozent wächst. Damit die Folgekosten nicht zu hoch werden, käme der Staat zu Hilfe. Der Deal, den Premier Jean-Claude Juncker in seiner Erklärung zur Lage der Nation am 2. Mai ankündigte, lautet: Die Gemeinde, deren Bevölkerung innerhalb eines Jahres um mehr als ein Prozent zulegt, erhält pro Kopf, der über dieses Prozent hinaus geht, 4 500 Euro extra an Staatssubsid zum kommunalen Investbudget. So genannte IVL-Gemeinden wie Esch, deren bevorzugte Entwicklung das IVL-Konzept beschrieb, winken noch 50 Prozent mehr.

Keine schlechten Aussichten eigentlich, sollte man meinen - vor allem für die Gemeinden. Die "Kopfpauschale" von 4 500 beziehungsweise 6 750 Euro hilft auch, Gemeinden für Einwohnerzuwachs zu interessieren. Niederanven und Düdelingen waren die ersten, die sich meldeten - nachdem sie jahrelang größer angelegten Wohnungsbauinitiaven fern geblieben waren; Niederanven als schwarze, Düdelingen als rote Hochburg.

Nun aber beteiligt der Staat sich an den Folgekosten. "Das haben wir immer verlangt als LSAP", sagt der Düdelinger Bürgermeister und LSAP-Präsident Alex Bodry. Doch auch er bemängelt, dass vieles noch "unklar" sei. Kann die Kopfpauschale womöglich je nach Haushaltslage des Staates mit jedem Budgetgesetz verändert werden? - Bisher ist es so, denn eine legale Basis hat der Wohnungsbaupakt noch nicht; die Pauschale existiert nur als "Aide revenant aux communes pour financer le coût des infrastructures liées à l'augmentation substantielle du nombre de leurs habitants" im Staatshaushaltsentwurf 2007. Ein "kleiner Skandal" für Bodry: Juncker und Boden hätten vor einem halben Jahr "so viel versprochen, und jetzt liegt noch nicht mal ein Gesetzentwurf zur Umsetzung des Wohnungsbaupakts vor".

Liefern will den Entwurf der Wohnungsbauminister noch in den nächsten Wochen. In Kraft treten soll das Gesetz, wenn alles gut geht, Anfang Mai - ehe der Premier das nächste Mal über die Lage des Landes spricht und sich bei der Parlamentsdebatte anschließend Gehässigkeiten anhören müsste, falls das Gesetz zum Pakt noch nicht votiert wäre.

Kritische Punkte dabei sind nicht solche Details wie die Abänderung des Steuerrechts derart, dass künftig jeder, der sein Bauland an die öffentliche Hand veräußert, auf die Einnahmen nicht mehr besteuert wird. Auch die legale Basis für eine "Spekulationstaxe" herzustellen, deren Erhebung die Gemeinderäte beschließen könnten, dürfte kein Problem darstellen.

Von ganz anderem Kaliber ist die Frage, wie man nicht nur mehr bauen lassen, sondern auch noch die Baulandpreise senken helfen kann - eigentlich die politische Zielsetzung der CSV-Minister Juncker, Boden und Halsdorf. Dass es zwischen beiden Aspekten keinen linearen Zusammenhang gibt, war schon in der Vergangenheit zu beobachten gewesen: Als 2002 das letzte wohnungsbaupolitische Maßnahmebündel der Regierung wirksam wurde, wuchs bis Ende 2005 die Zahl der Baugenehmigungen um über 50 Prozent. Die Mietpreise und die Baulandpreise jedoch stabilisierten sich Ende 2005 nur auf dem Stand von 2004. Und der war bereits hoch.

Man müsse das Vorhaben unbedingt mit all seinen Komponenten sehen, meint der Wohnungsbauminister. Steuererlässe bei Baulandverkauf an die öffentliche Hand; Spekulationstaxen auf kommunaler Ebene; Vorkaufsrechte für Staat und Gemeinden; von 40 auf 50 Prozent erhöhter Staatsanteil, falls eine Gemeinde Bauland kauft, um es per Erbpacht abzugeben - all das werde dazu beitragen, dass eine öffentliche Grundstückreserve entsteht, mit der sich arbeiten lasse. Die Escher Schöffin Spautz wird es gern hören: „Die Gemeinde selbst verfügt über so gut wie keine freien Terrains mehr; nur noch über Baulücken." Dabei betreibt sie selber sozialen Wohnungsbau, und der Bedarf danach ist in Esch besonders groß: "Wir haben zurzeit nicht mal mehr freie Zimmer in Hotels und Cafés für Notfälle", sagt die Schöffin, "zum Beispiel, wenn es mal brennt." Alles sei vergeben an sozial Bedürftige. Und wenn Esch demnächst Uni-Standort wird, dürfte seine Attraktivität als Wohnort für Besserverdienende wachsen - bei steigenden Preisen. Spautz findet deshalb schon den Ansatz zur Diskussion nicht umfassend genug: "Man hat den Eindruck, es gehe vor allem darum, an einem Eigenheim Interessierten zu einem preiswerten Bau zu verhelfen. In Esch haben wir eindeutig andere Sorgen."

Zum Beispiel nicht viel Geld übrig, um Terrains aufzukaufen, um sie anschließend mit Erbpachtverträgen abzugeben. Selbst dann nicht, wenn der Staat den Kauf zu 50 Prozent subventioniert - der Königsweg zu preiswerterem Wohnraum, glaubt man den öffentlichen Erklärungen zuständiger Politiker.

Das aber ist ein wunder Punkt am Wohnungsbaupakt: Angesichts der derzeitigen Preise käme Erbpacht im großen Stil die öffentliche Hand teuer zu stehen. Und: Jahrzente lang auf an sich wertvolle Immobilien nur einen eher symbolischen Pachtzins einzunehmen, wäre eine immense Kapitalverschwendung. Wie viel davon wäre auszuhalten? - Fernand Boden kann es nicht sagen. Nur, dass der Staat "ja nicht bankrott" sei und ein Teil der Einnahmen aus dem Tausch von Arcelor- in Mittal-Aktien auch in den Wohnungsbau fließen soll. Nirgends im Haushaltsentwurf 2007 aber steht, wie viel das sein wird (d'Land, 17.11.2006). Der Wohnungsbauminister weiß es ebenfalls nicht.

In dieser Situation gibt es Stimmen, die dafür plädieren, außerhalb der bestehenden Bauland-Perimeter gezielt nach Flächen suchen zu gehen - dort, wo das Land noch nicht der Spekulation unterliegt. Die Gelegenheit dafür ist eigentlich günstig, denn bis 2010 müssen sämtliche Gemeinden ihre Generalbebauungspläne ohnehin überarbeiten. Da könnte eine Kommune sich auf ihre Planungshoheit besinnen und mit Grundbesitzern aushandeln, zu welchem Preis deren Land zu Bauland werden könnte - oder nicht, falls der Deal nicht klappt. Im Ausland funktioniert dergleichen. Etwa in der deutschen Mosel-Gemeinde Wittlich, die sich vor 15 Jahren ein "Bodenmanagement" gab und allmählich immer mehr Kontrolle über die Verwendung ihres Territoriums erlangte. Heute weist sie nur noch Bauland aus, das sie zuvor erworben und, falls nötig, erschlossen hat. Weil bei der Vorfinanzierung anfangs ein Sonderfonds des Landes Rheinland-Pfalz half, konnten die Flächen zu 50 Prozent unter dem Marktpreis verkauft werden, und der sank anschließend rasch.
Eigentlich könnten die Kommunen hierzulande zu so einem Managment ebenfalls übergehen. Heute schon: Entweder gemeinsam mit dem Fonds du logement, oder der Socitété nationale de l'habitation à bon marché, oder allein. Das von 1979 datierende Wohnungsbauförderungsgesetz erlaubt es, sich vom Staat so viele Leistungen bezuschussen zu lassen, dass eine Gemeinde im Prinzip Bauland erwerben und als "Bauerwartungsland" sogar in eine über Jahre reichende Nutzungsperspektive stellen könnte. Bauen könnten dann öffentliche wie private Promoteure. Doch bisher gibt es dieses Management selbst in großen Kommunen nicht. Michel Wolter, der frühere Innenminister, glaubt, die Gemeinden seien logistisch, aber auch finanziell überfordert", trotz Wohnungsbauförderungsgesetz.

Beim CSV-Kongress am 21. Oktober plädierte der heutige Fraktionssprecher für eine Erschließung außerhalb der aktuellen Perimeter. Es sei denn, es werde ganz schnell großflächig mit Bauen begonnen, damit ein höheres Angebot an Wohnraum auch die Grundstückspreise drückt. Andernfalls müsse die öffentliche Hand bereit sein, ausgewiesenes, teures Bauland zu erwerben und mit Verlust auf den Markt zu bringen. Die Ansprache war eine Provokation an die eigenen Reihen, denn in der CSV ist die weitere Vorgehensweise nicht unumstritten. Wolter hat bei seinem Werben für die Option, durch groß angelegte Erschließung von Flächen, die derzeit nicht als Bauland ausgewiesen sind, der Spekulation zu entgehen, nicht nur von CSV-nahen Großgrundbesitzern zu hören bekommen, man wolle keine Wertminderung auf seinem Besitz, sondern von Einfamilienhauseigentümern ebenfalls. Bisher ist es innerhalb der CSV nicht konsenfähig, dass ein Preis "hors perimètre" entstehen soll.

Auch Wohnungsbauminister Boden meint, bevorzugt solle bereits ausgewiesenes Bauland genutzt werden. Dass die Kommunen ihre Bebauungspläne ändern müssen, ist für ihn "längerfristig" eine Chance, gemeinsam mit den Gemeinden nach billigen Flächen zu suchen. Kurzfristig hält er es eher für ein Hindernis: "Wir müssen warten, bis sie ihre Pläne erneuert haben, und verlieren Zeit." Allerdings gibt es auch keinerlei Informationsaustausch zwischen Wohnungsbau- und Innenministerium darüber, welche Gemeinden in welcher Bearbeitungsstufe ihres neuen Bebauungsplans sind.

Ein neuer Akteur soll jedoch in diesem Zusammenhang eingeführt werden: eine nationale Entwicklungsagentur, die den Gemeinden das Bodenmanagement abnehmen würde. Wie die Dinge liegen, soll diese Rolle der Fonds du logement übernehmen; vielleicht unter einer neuen juristischen Form. Fragt sich nur, welchen konkreten Auftrag die Agentur erhalten wird, wenn noch nicht klar ist, wieviel Dynamik bei der Bauland-Preissenkung politisch gewollt ist. Es sind nicht nur CSV-Politiker, die von dieser Frage umgetrieben werden. Auch in der LSAP gibt es Députés-maires, denen es lieber wäre, wenn der Bau im Perimeter bliebe. "Sonst", meint einer, "bescheißen wir doch die Leute, die schon gekauft haben." Daraus folgt allerdings, dass die eigentliche wohnungsbaupolitische Debatte erst noch bevorsteht.

Peter Feist
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