Noch bis Sonntag zeigt die Stadtgalerie Saarbrücken Suzan Noesens bisher poetischstes Werk. Eine Erkundung

Von der geladenen Geste zur stillen Spur

d'Lëtzebuerger Land vom 15.08.2025

Zwei Räume zählt die Ausstellung Loopzones von Susan Noesen: einen abgedunkelten, immersiven Videoraum und einen lichten, fast meditativen Saal mit textilen und skulpturalen Arbeiten. Dabei geht es bei dieser Zweiteilung um mehr als lediglich einen Wechsel von Medium und Atmosphäre. Sie markiert den Übergang zwischen Wahrnehmungsebenen – zwischen der Flüchtigkeit projizierter Bilder und der Körperlichkeit von Stoff und Objekt.

Im ersten Raum schlängelt sich der Besucher vorbei an einer Reihe von Folien, die als halb durchsichtige Raumteiler wirken. Auf ihnen überlagern sich filmische Sequenzen: Nahaufnahmen von Gesichtern und Händen; von einer Frau und einem Mann, wie sie aus der Böschung eines botanischen Instituts hervortreten – jeweils an einer Hand mit einer krallenartigen Fingerprothese bestückt. Argwöhnisch beäugen sich die beiden Naturgeister auf Distanz, gehen vorsichtig – im Falle der Frau von Zuckungen durchfahren – aufeinander zu, lassen ihre Krallen ineinandergleiten und erkunden sich mal animalisch, mal grotesk verrenkt, um sich schließlich doch zu verpassen – abzustoßen, panisch und ekelerfüllt. Was bleibt, sind Fratzen.

Diese Einblendungen, die in ihrer närrisch-schauerlichen Theatralik an Klassiker des frühen Kinos erinnern, an Nosferatu und andere Stummfilme, erzeugen ein Gefühl des Schwebens zwischen Erinnerung an Erlittenes und versöhnlicher Gegenwart. Es ist unmöglich, alles gleichzeitig im Blick zu behalten. Noesen schafft dadurch eine Art visuelles Palimpsest, während inhaltlich eine Spannung bleibt zwischen Intimität und Distanz.

Die Projektion auf transparente Träger verstärkt diesen Eindruck: Die Grenzen zwischen Raum und Bild lösen sich auf. Die filmische Struktur ist fragmentarisch; es gibt keine klare lineare Handlung, außer der einer Annäherung und Entfernung zwischen zwei Personen. Der Begleittext beschreibt die beiden als „in einem Versuch der Versöhnung gefangen: in einer Art Loop-Zone des immer gleichen Augenblicks“. Sie sind genau wie der botanische Garten als Konzept von der Vorstellung nach sinnlicher Verbindung geleitet.

Der zweite Raum (Zeltraum) öffnet sich ins Licht. Hier hängen großformatige, lasierend bemalte seidene Textilbahnen von der Decke, teils einzeln, teils hintereinander gestaffelt. Die gemalten Motive – Körperpaare, Silhouetten, Landschaftsfragmente – wirken wie aus der Erinnerung herausdestilliert. Sie sind weder naturalistisch noch abstrakt, sondern oszillieren in einer Zwischenform, die an verblasste Fresken oder an das Nachbild eines Traums erinnert.

Die Farbigkeit ist erdig, in warmen Pflanzenfarben gehalten, was den Textilien eine organische, fast hautartige Anmutung verleiht. Hier setzt Noesen auf Langsamkeit und Reduktion: Wo im Videoraum Bilder permanent wiederkehren, verharren diese Motive im Stillstand. Doch die Transparenz der Stoffe sorgt dafür, dass sich auch hier Schichtungen ergeben – „soziale Zwischenräume“, in denen Wahrnehmungen geprüft und gegebenenfalls relativiert werden.

Ein besonderes Objekt (Fossile Fingers) steht im Zentrum des Raumes: Auf einer transparenten, von der Decke hängenden Bahn schwebt eine flache, reliefartige Skulptur aus Holz, die wie eine Vitrine wirkt. Darauf sind in eine rötlich modellierte Art Carte du tendre die gläsernen, harzartigen und kupfernen Elemente der krallenartigen Handprothesen aus dem ersten Raum eingelassen.

Loopzones, Stadtgalerie Saarbrücken. Sonntag ab 16 Uhr: Finissage mit Führung und Artist-Talk in Gegenwart der Künstlerin. Eintritt frei

Frédéric Braun
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