Ein Selbstversuch: Welche Umweltbilanz bringt der Transfer vom Findel in die deutsch-luxemburgische Grenzregion an einem Sonntagnachmittag im Dezember? Es regnet. Der Bus der Linie 16 fährt pünktlich am Luxemburger Flughafen vor. Das Ticket ist schnell, aber nicht intuitiv zu lösen. Gemessen für luxemburgische Lebenshaltungskosten ist der Einzelfahrschein sehr günstig, im europäischen Vergleich günstig. Der Bus ruckelt durch die Stadt. Knapp eine halbe Stunde ist veranschlagt von A nach B – wobei B den Hauptbahnhof meint. Es hupft und rauscht der Bus durch die Stadt. Bremst. Wird ausgebremst. Kommt voran. 30 Minuten. Am Bahnhof hält der Omnibus irgendwo. Nur nicht in Bahnsteignähe. Tickets nach Deutschland können am Automaten ausschließlich nach Trier gelöst werden. Dann ruckelt der Bus durch das Großherzogtum. Gemächlich. Der Weg ist das Ziel. In Trier strandet man an einem Gleis im Norden, um im Süden weiter reisen zu dürfen. Aber das sind Belange der Deutschen Bahn. Nicht des ÖPNV in der Großregion. Der Wille zur Umweltentlastung ist groß. Das Angebot schmal.
So auch in Stuttgart. In der Stadt gilt seit dem Neujahrstag ein Fahrverbot für Diesel. Dabei wurde beschlossen und verkündet: Stuttgart führt als erste deutsche Großstadt ein Diesel-Fahrverbot für eine gesamte Umweltzone, das ist in der Regel die Innenstadt, ein. Sie gelten zunächst nur für ältere Diesel, die nicht die Abgasnorm „Euro 5“ schaffen. Für Einwohner gelten die Verbote erst ab dem 1. April. Darüber hinaus gibt es reichlich Ausnahmen, etwa für Handwerker oder Omnibusse. Zudem kündigten Polizei und Stadt an, bei Verstößen zunächst eine Weile ein Auge zuzudrücken. Die baden-württembergische Landeshauptstadt kämpft seit Jahren gegen eine zu hohe Belastung der Luft mit Schadstoffen. Verstärkt durch die topologische Kessellage werden die EU-Grenzwerte immer wieder überschritten. Während die Belastung durch Feinstaub zuletzt besser wurde, liegen die Werte bei Stickstoffdioxid meist noch weit über dem Grenzwert. Quelle für Stickstoffdioxid ist vor allem das Auto.
Nun sollen Fahrverbote für sauberere Luft sorgen. Betroffen vom Stuttgarter Fahrverbot sind alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 4 und schlechter. Diesel mit der Abgasnorm ab Euro 5 sind von dem Verbot noch ausgenommen. Von den jetzt geltenden Einschränkungen sind nach Angaben eine Stadtsprecherin rund 72 000 Autos in Stadt und Umland betroffen. Stuttgart ist die bundesweit erste Stadt, in der das Fahrverbot ganzjährig in einer kompletten Umweltzone gilt – also im gesamten Stadtgebiet. Das Fahrverbot gilt ab 1. Januar 2019. Für Einwohner der Stadt gibt es eine Übergangsfrist. Ab April gilt das Verbot dann auch für sie. Doch Ausnahmen gibt es jede Menge. Neben dem Lieferverkehr sind Handwerker und Krankenwagen, Polizei und Katastrophenschutz ausgenommen. Für Wohnmobile, Reisebusse oder Arztbesuche können Ausnahmen beantragt werden. Auch Einpendler und Touristen dürfen von der Ausnahmeregelung profitieren.
Ein Verbot mag gut sein, doch wer genau kontrolliert das Verbot? Eigentlich ist die Polizei für den rollenden Verkehr zuständig. Sie plant aber zunächst keine gezielten Kontrollen. In der Schwabenmetropole Diesel-Sünder sind sozusagen Beifang. In der Umweltzone stehende Fahrzeuge werden von städtischen Mitarbeitern überprüft, aber auch nur dann, wenn durch Diesel-Kennzeichnung am Kofferraum oder äußere Merkmale eine Überprüfung naheliegt – oder wenn sie durch Falschparken auffallen und ohnehin ein Bußgeldverfahren läuft. Größter Schwachpunkt ist dabei, dass für die Umweltzone deutscher Städte zugelassene Diesel-Kraftfahrzeuge gar nicht gekennzeichnet sind. Zwar hätten Land und Stadt gerne eine blaue Plakette ergänzend zur grünen, gelben und roten gehabt, doch Berlin war dagegen. Die Idee einer speziellen Stuttgart-Plakette zur besseren Kontrolle der Fahrverbote wurde wegen des enormen Aufwands verworfen. Bleibt das Problem: Rein äußerlich ist die Euronorm nicht zu erkennen.
Wer erwischt wird, muss zahlen: Verstöße gegen das Verbot werden mit einem Bußgeld von 80 Euro geahndet. Rechtsgrundlage ist das Bundesemmissionsschutzgesetz. Zuzüglich Gebühren und Auslagen erwartet den Sünder eine Rechnung in Höhe von 108,50 Euro. Wichtiger für den deutschen Autofahrer ist jedoch: Es gibt keinen Punkteeintrag im Fahrerlaubnisregister.
Pendler werden in Stuttgart vom 1. Januar an, Einwohner mit Fahrzeugen mit S-Kennzeichen ab 1. April kontrolliert. Jedoch wollen sich Polizei und Stadt wie bei jeder neuen Regelung bürgernah und verständig zeigen. Heißt: Zunächst bleibt es bei Ermahnungen und Informationen. Wie lange sich die Autofahrer darauf verlassen können, ist aber unklar. Unklar ist darüber hinaus, ob die Luft damit in Stuttgart besser wird. Denn Luftverschmutzung resultiert am Ende des Tages nicht nur aus der Kraftstoffart, sondern setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Sei es durch den Verschleiß oder den Gummiabrieb der Reifen beim Bremsen. Berlin versucht es zunächst mit Tempolimits auf stark befahrenen Straßen. Kontrolliert wird jedoch nicht, da man in anderen Aufgaben gebunden sei, wie es von den zuständigen Stellen heißt.