Zwei Monate vor den Wahlen findet ein skurriles Ballett von ADR, CSV und DP statt. Die ADR, die zwei Jahrzehnte lang jammerte: „Die Beamten sind unser Unglück!“ und sie nicht schnell genug überwachen, abstrafen und privatisieren konnte, bietet sich plötzlich – national bewegt, protektionistisch und europaskeptisch, wie sie nun einmal ist – dem öffentlichen Dienst oder zumindest dessen national bewegter, protektionistischer und europaskeptischer authentischer Gewerkschaft, als objektive Verbündete an. Aber vielleicht sind die neuen tonangebenden Männer der ADR politisch doch etwas naiv mit ihrem Traum, den Coup der DP von 1999 zu wiederholen. Denn es ist alles andere als sicher, dass der öffentliche Dienst, der einen wichtigen Teil der wahlberechtigten Bevölkerung darstellt, auf diesen etwas plumpen und deshalb auch in der ADR umstrittenen Gesinnungswandel hereinfällt. Würde er es tun, wäre das eine kleine Katastrophe für die CSV.
Deshalb hat die CSV nun die Forderung aus dem ADR-Wahlprogramm von 2004, das „für den Mittelstand verderbliche Ungleichgewicht zwischen öffentlichem Dienst und dem Mittelstand“ ins Lot zu bringen, aufgegriffen und angekündigt, dass sie in der nächsten Legislaturperiode die Anfangsgehälter beim Staat kürzen will. Das entspricht selbstverständlich einer langjährigen Forderung insbesondere der Handwerkervereinigungen. Sie klagen, dass der Staat und die Gemeinden den Privatbetrieben nicht nur mit Arbeitsplatzsicherheit, sondern auch mit deutlich höheren Gehältern die Handwerker abwerben. Und in Zeiten der drohenden Überschuldung sind Gehaltskürzungen selbstverständlich auch ein Mittel, um die Staatsausgaben zu senken. Doch im Wahlkampf nicht die ganze Gehälterrevision, sondern Gehaltskürzungen als Wahlversprechen ins Schaufenster zu stellen, muss auch ein Stück Taktik sein.
Nämlich der Versuch, die ADR nicht nur mit dem Schüren nationalen Identitätswahns auf ihrem ureigenen Terrain zu schlagen, das heißt überflüssig zu machen, sondern auch mit dem in 20 Jahren Neoliberalismus geschürten Beamtenneid bei Teilen der Beschäftigten der Privatwirtschaft. Dass der Preis dafür der mögliche Verlust von Beamtenstimmen ist, nimmt die CSV in Kauf. Denn vor zehn Jahren zeigte sich, dass sie das überleben kann, weil, wie bei der Pensionsreform, der Kern der derzeit aktiven Beamtenschaft nicht nur verschont bleiben, sondern dafür seine Gehälterrevision erhalten soll. Und in Krisenzeiten ist die CSV ohnehin überzeugt, dass die Wähler keine Experimente machen wollen.
Daneben hat die Operation auch den Nebeneffekt, die DP in Verlegenheit zu bringen. Denn als Mittelstandspartei ist die DP natürlich voll auf der Seite der Handwerker, die eine Kürzung der Anfangsgehälter beim Staat verlangen. Als lauthals bekennende Mittelschichtenpartei verteidigt die DP dagegen ebenso leidenschaftlich die Kaufkraft der jungen Beamten, die gerade eine Familie gründen und für ein Eigeheim sparen wollen. Deshalb hatte sich die DP schon vor Monaten dafür entschieden, nicht den Neid auf die Staatsbeamten, sondern lieber den auf die Grenzpendler zu bedienen und eine Senkung ihres Kindergelds zu versprechen. So wie es CSV-Haushaltsberichterstatter Laurent Mosar 2004 nahe gelegt hatte und seine Partei es mit der Einführung der Chèques services seit einem Monat diskret vormacht. Dadurch ihrerseits in die Enge getrieben, wirft die CSV der DP nun eine Art verkappten Rassismus gegen Grenzpendler vor.
Man merke: In Zeiten der Krise versucht man keine Wahlen zu gewinnen, indem man jemandem etwas zu geben, sondern indem man jemand anderem etwas zu nehmen verspricht.