Als Premier Xavier Bettel vergangenen Freitag ankündigte, „demnächst“ gehe eine Internetseite in Betrieb, auf der „Freiwillige“ zwischen 30 und 54 sich für eine Impfung mit dem Covid-Vakzin von Astrazeneca einschreiben könnten, stiftete er Verwirrung. Denn anschließend wurde heftig darüber spekuliert, wann es denn soweit sei, und man musste sich fragen, weshalb die Regierung die Nachricht nicht erst kundtat, als die Webseite impfen.lu bereit war. Online ging sie erst diesen Mittwoch um 18 Uhr.
Doch was wie eine organisatorische Panne aussehen konnte, lief wahrscheinlich genau nach Plan. Denn in den letzten Wochen waren die Bedenken und Ängste gegenüber dem Impfstoff mit dem komplizierten Namen Vaxzevria auch in Luxemburg immer größer geworden. In den Impfzentren spielten sich unschöne Szenen ab. Immer wieder wurde Vaxzevria abgelehnt; manche hatten sich ärztlich bescheinigen lassen, dass ihnen ein mRNA-Impfstoff von Biontech oder Moderna verabreicht werden sollte. Die OGBL-nahe Patientevertriedung und der Verbraucherschutzverband ULC beschwerten sich, dass sich über diese Atteste in den Impfzentren hinweggesetzt werde. Nicht nur die Meldungen über die, wenngleich sehr seltenen, Thrombosen ein bis drei Wochen nach einer Astrazeneca-Impfung hatten auch in Luxemburg für Verunsicherung gesorgt, sondern auch, dass über die Medien aus dem Ausland herüberdringt, wie sehr Vaxzevria dort in Verruf geraten ist. In Deutschland etwa gilt es vielen als „Aldi-Impftstoff“, den nur nimmt, wer nicht ganz bei Trost ist. In dieser Situation war Xavier Bettels Ankündigung der Coup, der das Blatt wendete: Wer sich traut, kann Vaxzevria haben. Schließlich ist das Risiko, eine Thrombose zu entwickeln, statistisch kleiner als die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitzschlag getroffen zu werden. Nachdem die Webseite für die Freiwilligen online gegangen war, war das Vakzin der Renner: Bis Donnerstagmorgen hatten sich 18 000 Interessenten eingetragen, schrieb das Staatsministerium in einer Pressemitteilung, und bejubelte vielleicht zum ersten Mal, dass ein
Server beim Centre informatique de l’État überlastet war.
Ohne Risiko aber ist der Marketing-Coup nicht. Denn wer dem Premier beim Pressebriefing am Mittwoch zuhörte, erfuhr, dass schon in der übernächsten Woche die Impfphase 5 beendet sein werde. Soll heißen: Danach, in Phase 6, ist ohnehin die Reihe an den 54- bis 18-Jährigen. Und weil Xavier Bettel am Mittwoch auch ankündigte, bis Ende Juni würden fast 300 000 Dosen der Impfstoffe von Biontech und Moderna angeliefert, wird, wer noch ein bisschen wartet, vermutlich diese erhalten. Weil der Abstand zwischen erster und zweiter Injektion bei Biontech und Moderna vier Wochen beträgt, bei Astrazeneca zwölf, ist vielleicht sogar noch früher mit zwei Dosen geschützt, wer noch wartet, als die Ersten auf der Vaxzevria-Warteliste. Gut möglich, dass das „engagement sans précédant pour la vaccination au Luxembourg“ umschlägt in Vorwürfe, die Regierung habe nur alles versucht, um Vaxzevria aus den Kühlschränken zu kriegen. Was Xavier Bettel allerdings, man muss das sagen, schon letzte Woche erklärt hat. Nur den Kontext, dass Jüngere sowieso bald geimpft werden und viele mRNA-Vakzine ins Haus stehen, erläuterte er nicht so deutlich.
Falsch macht das den Ansatz der Regierung nicht. Vakzine wegzuwerfen, statt sie Freiwilligen anzubieten, wäre töricht. Und selbst die erste Injektion damit schützt bereits. Gerade deshalb konnte der Abstand zwischen zwei Injektionen auf ein Vierteljahr ausgedehnt werden. Einmal Vaxzevria ist besser als einmal Covid-19, zumal wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt ist, welcher Impfstoff besonders gut gegen die „variants of concern“ des Coronavirus’ wirkt, die seit Ende letzten Jahres in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Die Frage ist eher, ob die Regierung die Oberhand bei der Kommunikation der Freiwilligen-Impfung behält. Denn die Erfahrung lehrt, dass viele Luxemburger/innen, wenn es um ihre Gesundheit geht, sich als Kunden des Gesundheitswesens verstehen, die das Maximum an Leistung erwarten.