LEITARTIKEL

Wird bald alles gut?

d'Lëtzebuerger Land vom 26.03.2021

Eigentlich könnte die Antwort der Regierung an die Staatsbeamtengewerkschaft einfach ausfallen: Die CGFP hatte gestern in einer Pressemitteilung die ihrer Meinung nach „unverantwortliche Impfstrategie“ angeprangert. Sie wollte wissen, weshalb im Gefängnis die Häftlinge gegen das Coronavirus geimpft werden, aber nicht die Wärter. Weshalb die Rettungskräfte des CGDIS, aber nicht die Polizeibeamten. Und wieso das „Bildungspersonal“ keine Priorität genießt, da es „täglich einem erhöhten Risiko ausgesetzt“ sei.

Die Antwort darauf könnte einfach in dem Verweis auf die Impfphasen bestehen. Darin, dass das Risiko, altersbedingt schwer an Covid-19 zu erkranken, statistisch gesehen ab 65 Jahren zunimmt und das Risiko, an oder mit Covid-19 zu sterben, für Menschen über 70 um zehn Prozent höher liegt als für jüngere. Dass deshalb von Phase zu Phase immer Jüngere geimpft würden. Außerdem Menschen mit Vorerkrankungen je nach deren Schwere unabhängig vom Alter ihre Priorität erhielten. Und dass, zu guter Letzt, in der allerersten Phase, die schon Ende Dezember begonnen hatte, ein „cordon sanitaire“ um Krankenhaus-Patient/innen und Altenheim-Bewohner/innen gezogen werden sollte. Für Erstere sollte er besonders strikt sein, weil die Impfung von Patient/innen wegen ihres Kommens und Gehens in den Kliniken wenig Sinn hat. Altenheiminsassen dagegen können geimpft werden. Deshalb meinte die Regierung, dort nur festangestelltes Personal impfen zu müssen, aber keines von Subunternehmern, und so knappe Impfdosen einsparen zu können.

So gesehen, wäre die Reihe noch lange nicht an Lehrer/innen, allenfalls demnächst an kurz vor der Pensionierung Stehende. Das „täglich erhöhte Risiko“ in den Schulen ist vermutlich nicht höher als beispielsweise das für Supermarkt-Kassierer/innen, und für die verlangt keine Gewerkschaft eine Sonderbehandlung.

Doch so einfach ist das nicht. Die Vorwürfe an die Regierung, dass ihre Impfkampagne nichts tauge, mehren sich. Am Montag dieser Woche, dem jüngsten Stand, war im Europa-Vergleich des Datenportals ourworldindata.org Luxemburg mit 12,07 pro hundert Einwohner verimpften Dosen (womit die erste Dosis gemeint ist) das Schlusslicht im westeuropäischen Teil der EU. Selbst in Regierungskreisen wird unter der Hand behauptet, so knapp sei Luxemburg nicht dran mit den Vakzinen, immer wieder würden Dosen ungenutzt weggeworfen; alles sei eine Frage der Organisation.

Inwieweit das stimmt, ist nicht sicher. Dagegen stehen Berichte von Impfungen, die noch nicht nötig gewesen seien, aber stattfanden, um keine Dosen wegwerfen zu müssen. Sicher ist dagegen, dass auch diese Woche noch immer nicht das Personal von Labors geimpft war, das an Patient/innen Abstriche für Corona-Tests vornimmt. Dabei fallen diese Krankenpfleger/innen eigentlich unter die Gruppe mit der höchsten Priorität.

Und sehr bitter war es, Familienministerin Corinne Cahen (DP) diese Woche 324 Covid-Tote in Alten- und Pflegeheimen seit Beginn der Pandemie bilanzieren zu hören: Als Cahen zu Todesfällen Stellung nahm, die es gab, obwohl die Impfkampagne schon lief, gelangte unweigerlich die Frage auf den Tisch, ob die Heiminsassen wirklich ausreichend geschützt sind. Wahrscheinlich sind sie es schon deshalb nicht, weil die Organisation der Schutzmaßnahmen den Heimbetreibern überlassen bleibt. Das Familienministerium gibt nur Empfehlungen aus, aber wer kontrolliert, was daraus wird? Kontrollbesuche der Sanitätsinspektion des Gesundheitsamts sind in den Heimen nicht gern gesehen, hatte d’Land berichtet. Was aber geschieht in einem Heim wie dem in Niederkorn, dessen baulicher Zustand, wie die Familienministerin diese Woche einräumte, eine Zusammenlegung infizierter Insassen nicht erlaubt, die Ausbreitung einer Infektion sich auf diesem Weg also nicht stoppen lässt? Trägt dafür jemand eine Verantwortung, oder freuen alle sich über die Ankündigung von Premier Xavier Bettel, bis Ende April würden mehr als 130 000 weitere Impfdosen geliefert? Damit bald alles gut wird.

Peter Feist
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