In der Affäre um die Veruntreuung von 61 Millionen Euro bei Caritas Luxemburg stellten am Montagmittag veröffentlichte Recherchen des Radio 100,7 die Ermittlungen der Justiz teilweise in Frage. Diese hatte vergangene Woche mitgeteilt, die Caritas sei aller Voraussicht nach Opfer einer „fraude/arnaque au président“ geworden. 100,7 fand nun heraus, dass der Betrug wohl „mat Insiderwësse vu bannen“ vorbereitet und umgesetzt worden sei. Es sei kaum nachvollziehbar, dass die Caritas-Finanzdirektorin während fünf Monaten in Kontakt mit einem falschen Generaldirektor gewesen sei, ohne dass ihr das aufgefallen wäre. Umso mehr sie und Marc Crochet seit Jahren eng zusammenarbeiteten und sich häufig über den Weg liefen. Die Finanzdirektorin hatte sich am Wochenende des 20. Juli der Justiz gestellt, nachdem die Caritas vier Tage zuvor Klage gegen sie eingereicht hatte. Sie sitzt jedoch nicht in Untersuchungshaft.
Die Finanzdirektorin habe alles dafür getan, dass die Überweisungen auf ein spanisches Konto gelangten, berichtet 100,7 weiter; gegenüber Personen, die kritische Fragen stellten, habe sie Geschichten erfunden, um die Transaktionen zu legitimieren. In den Monaten bevor der Betrug begann, habe sie den Zugang anderer Mitarbeiter/innen auf die Buchführungsprogramme eingeschränkt; Mitarbeiter/innen, die als kritisch und gewissenhaft galten, hätten die Finanzabteilung in dieser Periode verlassen. Kritik üben Finanzexperten gegenüber 100,7 auch an den Banken: Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie bei über 120 Überweisungen systematisch übersehen hätten, dass Iban-Nummer und Kontoinhaber nicht übereinstimmten.
Am späten Montagnachmittag äußerte sich die katholische Kirche erstmals zu der Affäre, nachdem der Krisenstab um den früheren Unternehmensberater Christian Billon sich mit Erzbischof Jean-Claude Hollerich und anderen Vertretern des Erzbistums getroffen hatte. Kardinal Hollerich drückte seine Entrüstung über die Veruntreuung aus und sagte dem Krisenstab seine vollste Unterstützung zu, damit das Vertrauen in die Caritas wiederhergestellt werde. Die Deutsche Presseagentur verarbeitete die Mitteilung des Bistums, was dazu führte, dass der „Millionenbetrug“ am Dienstag erstmals von großen deutschsprachigen Presseorganen aufgegriffen wurde. Bislang hatten lediglich Zeitungen aus der Großregion über die Affäre berichtet.
Am Dienstag traf Premierminister Luc Frieden sich mit anderen Regierungsmitgliedern (Vizepremier und Außenminister Xavier Bettel, Bildungsminister Claude Meisch, Familienminister Max Hahn, Finanzminister Gilles Roth und Gesundheitsministerin Martine Deprez). Nachdem sie vom Krisenstab über die neuesten Entwicklungen in Kenntnis gesetzt wurden, beschlossen sie, die staatliche Unterstützung wiederaufzunehmen: Jedoch ausschließlich für jene Einheiten der Caritas, die nicht vom Finanzskandal betroffen sind.