Zweieinhalb Wochen hatten rund 60 Mitarbeiter aus dem Arbeitsministerium, der ITM und der Adem Überstunden geschoben, um die Stimmzettel zur Wahl der Chambre des Salariés (CSL) auszuwerten. Am Samstag vor Ostern wurden die Resultate schließlich veröffentlicht. An den Mehrheitsverhältnissen in der Arbeitnehmerkammer hat sich kaum etwas verändert: Der OGBL verteidigt seine 37 Sitze, die er seit der Fusion mit dem Landesverband auch schon vor den Wahlen hatte, konnte aber trotz leichter prozentualer Zugewinne in den meisten der neun Gruppen keinen der drei Sitze zurückgewinnen, die er 2019 an den LCGB verloren hatte. Der christliche Gewerkschaftsbund verliert hingegen einen seiner vormals 18 Sitze zugunsten der Aleba, die nun wieder auf fünf Mandate kommt. Die christliche Eisenbahnergewerkschaft Syprolux behält ihren Sitz. Präsidentin der CSL bleibt wohl OGBL-Präsidentin Nora Back, die in der mit 243 000 Wahlberechtigten größten Gruppe 5 (secteur des services et autres) wie schon 2019 die meisten Stimmen erhielt. Allerdings bekam LCGB-Präsident und CSL-Vizepräsident Patrick Dury rund 800 individuelle Stimmen mehr als sie. Trotzdem konnte Dury nicht verhindern, dass der LCGB in dieser Gruppe einen (Rest-)Sitz an die Aleba verlor, die erstmals in einer anderen Gruppe als der des Finanzsektors ein Mandat erringen konnte. Ihre 2019 knapp verlorene sektorielle Repräsentativität in der Finanzbranche konnte die Aleba indes nicht zurückgewinnen: Sie verlor weitere drei Prozentpunkte an den OGBL und kommt nur noch auf 46 Prozent. Bis zur nationalen Repräsentativität ist es für die in nur sechs der neun Gruppen mit Kandidat/innen angetretenen Aleba noch ein weiter Weg, sie müsste ihre Stimmenanteile insgesamt mehr als verdoppeln.
Die Wahlbeteiligung lag mit 34,4 Prozent in diesem Jahr wieder etwas höher als noch vor fünf Jahren. Damals war sie gegenüber 2008 und 2013 von rund 36 auf 32,6 Prozent gefallen. Insgesamt beteiligten sich 210 384 der 614 871 eingeschriebenen Beschäftigten an der Wahl zur CSL, 2019 waren es 171 740 von 526 476. Gesunken ist die Zahl der Wahlberechtigten lediglich in der Stahlindustrie (von 3 929 auf 3 705), wo auch die Wahlbeteiligung sich mit 56,5 Prozent wieder auf das Niveau von 2008 und 2013 einpendelte, nachdem sie 2019 um 20 Prozentpunkte gestiegen war. Den stärksten Anstieg an Wahlberechtigten verzeichneten mit jeweils 24 Prozent die Gruppen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialsektor sowie der Rentner/innen (mit 157 000 Wahlberechtigten ist diese Gruppe inzwischen fast doppelt so groß wie 2008 und die zweitgrößte insgesamt), wo auch die Wahlbeteiligung mit 46 beziehungsweise 41 Prozent überdurchschnittlich hoch lag. Am höchsten war sie mit 62,3 Prozent in der vergleichsweise kleinen Gruppe der Beschäftigten und Rentner der CFL, am niedrigsten mit jeweils 27 Prozent in der Baubranche und in der zusammengewürfelten Gruppe 5. Während beim OGBL acht der neun Direktgewählten in Gruppe 5 Frauen sind, wurden beim LCGB in dieser Gruppe ausschließlich (vier) Männer direkt gewählt.
Die Wahl zur CSL ist auch ein Wettbewerb der Gewerkschaftsfunktionäre. Beim OGBL wurde aus der Exekutive neben Nora Back auch Véronique Eischen als effektives Mitglied gewählt, Backs Vorgänger und zuletzt CSL-Vizepräsident Jean-Claude Reding erhielt die meisten Stimmen bei den Rentnern. Erneut direkt gewählt wurde auch der langjährige FNCTTFEL-Vorsitzende Nico Wennmacher, anders als dessen Nachfolger Georges Merenz, der wie der andere OGBL-Vizepräsident Patrick Ourth nur membre suppléant ist (der dritte OGBL-Vizepräsident Serge Schimoff wurde nicht gewählt). Beim LCGB wurde hinter Präsident Dury Generalsekretär Francis Lomel direkt gewählt, Vizepräsidentin Stefanie Olinger ist nur suppléant. Nicht gewählt wurden indes Patrick Durys linke und rechte Hand: Der stellvertretende LCGB-Generalsekretär Christophe Knebeler belegte in Gruppe 5 nur den vorletzten Rang; der frühere LCGB-Vizepräsident und Pro-Actif-Präsident Norbert Conter, der in den vergangenen Wochen wegen Auseinandersetzungen mit dem Direktor der Beschäftigungsinitiative, François Georges, in die Schlagzeilen geraten war, ist in der Rentnergruppe nicht einmal mehr suppléant. Conter war seit den 1990-er Jahren Mitglied und später Vizepräsident der Privatbeamtenkammer, seit 2013 saß er in der CSL.