Frühmorgens um zwei schien ihm eine gute Zeit. Nicht so viel los auf Facebook, nicht gar so schnell entdeckt, gelikt, geteilt: Heinz Christian Strache, Vizekanzler der Republik Österreich, schien anders als sonst nicht so sehr auf Reichweite bedacht, als er an einem frühen Samstagmorgen die Mitteilung postete, zu der ihn das Wiener Landesgericht für Strafsachen verpflichtete: Nämlich, dass ein Verfahren gegen ihn anhängig sei. Es geht um üble Nachrede. Der Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Koalitionspartner der neu aufgestellten österreichischen Volkspartei unter Kanzler Sebastian Kurz, hatte sich einen Faschingsscherz erlaubt. „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF“, schrieb er auf Facebook auf ein Bild des renommierten, von der FPÖ rituell angefeindeten Nachrichten-Anchormans Armin Wolf des öffentlich-rechtlichen Rundfunk des Landes und verzierte den Eintrag mit einem Smiley sowie dem Hinweis „Satire!“
Dass Wolf dagegen klagte, dreht nun den Spieß um. Denn bis dato war es stets die FPÖ, die in immer neuen Anläufen versuchte, gegen unliebsame Berichterstattung gerichtlich vorzugehen. Das schlechte Verhältnis der Freiheitlichen nicht nur zum öffentlich-rechtlichen Sender, sondern generell zu Qualitätsmedien ist notorisch. Als beständige Oppositionspartei darin geübt, mit Krawall und Empörung Aufmerksamkeit zu schüren und dabei sicherheitshalber ordentlich über die Stränge zu schlagen, gelingt es nicht ganz, das Ruder herumzureißen. Immerhin stellt man den Vizekanzler und ist Regierungspartei, da geht die Underdog-Haltung nicht mehr auf und Unschärfe in behaupteten Fakten nicht mehr als Oppositionsgetöse durch. So muss immer wieder mal ein Dementi geliefert oder ein Fehltritt bagatellisiert werden.
Erklärt Österreichs Vizekanzler bei einem Besuch in Serbien im Interview, der seit zehn Jahren unabhängige Kosovo sei „zweifelsohne ein Teil Serbiens“, kommen im Keller einer Burschenschaft mit FPÖ-Verbindung Liederbücher mit Judenwitzen zum Vorschein oder verschwimmt einem Minister vor offenen Mikrofonen die Koalitions- zugunsten der Parteilinie – dann muss gerudert werden, aber im Zweifelsfall ist es eigentlich immer ganz einfach: Die Medien sind schuld. Oder jedenfalls doch das, was in Anlehnung an Nazi-Terminologie als „Systempresse“ diffamiert wird.
Wie sich die Freiheitlichen eine genehme Medienlandschaft vorstellen, lässt sich an längst erfolgreichen Beispielen trefflich studieren. Die Internetseite unzensuriert.at etwa liegt so sehr auf Parteilinie liegt, dass die Redaktion schon mehrmals wegen übler Nachrede und hetzerischer Darstellung verurteilt wurde. Doch in dem Maß wie die Forschheit, in der die rechten Blätter zur unlauteren Zuspitzung greifen, steigt auch die Bereitschaft Betroffener, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Die Medienanwältin Maria Windhager sagte dem Nachrichtenmagazin Profil: „Die Auseinandersetzungen mit rechten Medien sind heftiger geworden, und ich erlebe auch zunehmend Menschen, die das vor Gericht bringen wollen.“ Für die Juristin ein Grund zur Hoffnung: „Derzeit werden mit Falschbehauptungen und gezielten Diffamierungen Auflage und Klicks gemacht. Das soll sich nicht mehr rentieren.“
Dabei entspricht die steigende Aggressivität auf der rechten Sphäre der Medienlandschaft so gar nicht dem glattgebügelten Medienkonzept des Kontrollfreaks Kanzler Sebastian Kurz, das da heißt Message Control. Ein Medienteam legt die zu kommunizierenden Themen fest und bestimmt, wer aus dem Regierungsteam wann vor welche Medien tritt. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, in der bis auf Kanzler Kurz komplett regierungsunerfahrenen Ministerriege hat Disziplin zu herrschen, Anfragen werden zunehmend von Beamten aus den Fachabteilungen erledigt. Lieber als die klassischen Medien ist Kurz und seinem Team die Welt der Social Media, wo sich Botschaften gesteuert und ohne störende Nebengeräusche in der eigenen Blase lancieren lassen.
Ein unberechenbares Medium wie ein Fernsehsender mit Live-Interviews und journalistischem Impetus dagegen ist weniger geheuer. Was die Regierung genau mit dem ORF vorhat, ist dabei noch nicht erkennbar, obwohl hier bereits Alarmierendes geschieht. Mit einem Vorwand schuf sich die Regierung eine Zweidrittelmehrheit im ORF-Stiftungsrat, dem Aufsichtsrat des Senders. Das Gremium wird traditionell politisch besetzt, jede Partei schickt ihre Vasallen und die Entscheidungen werden in den Parteien vorbereitet. Einer aber spielte dabei nicht mit: Franz Küberl, langjähriger Präsident der Caritas Österreich und auf einem ÖVP-Ticket als Repräsentant der Religionen im Rat vertreten, schien als einziger die Statuten gelesen zu haben. Als notorischer, aber geschätzter Querkopf beharrte er auf seiner Unabhängigkeit – und wurde nun unter dem Titel „Generationenwechsel“ geschasst. Damit verfügt die Regierung über eine komfortable Zweidrittel-Mehrheit im Stiftungsrat. Das mit der Mitteilung Straches auf Facebook war im übrigen nur Vorgeplänkel. Einen Vergleich, den Strache angeboten hatte, hat Wolf abgelehnt. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.