Die zwölfte Kammer des Bezirksgerichts Luxemburg hatte am 25. Juni die drei ehemaligen Geheimdienstagenten Marco Mille, Frank Schneider und André Kemmer freigesprochen. Sie waren beschuldigt gewesen, Telefongespräche ihres Lieferanten Loris Mariotto illegal abgehört zu haben. Nun kündigte die Staatsanwaltschaft an, Berufung gegen den Freispruch einzulegen. Der Antrag mag das Gericht überrascht haben. Denn Staatsanwalt Jean-Jacques Dolar hatte während der Verhandlung die Straftat heruntergespielt und lediglich eine Geldbuße beantragt. So dass das Gericht dies eilfertig als Wink verstanden haben könnte, die Angelegenheit mit einem Freispruch beizulegen.
Ein solches Missverständnis ist nachvollziehbar. Denn die Staatsanwaltschaft ist in einer undurchsichtigen Lage. Wie ihr Name sagt, vertritt sie die ins öffentliche Interesse gehüllte Staatsräson. Diese verlangt einerseits, dass stets am Rand der Legalität balancierende Geheimdienstagenten ungestraft dem Schutz der herrschenden Verhältnisse nachgehen können. Andererseits müssen die Staatsbürger Vertrauen in die Unnachsichtigkeit der Justiz behalten, um sich ihr zu unterwerfen.
Dieses Vertrauen wurde strapaziert: 1984 bis 1986 hatte der staatliche Sicherheitsapparat eine Welle von Sprengstoffanschlägen veranstaltet, um die staatliche Autorität erst zu erschüttern und danach umso mehr zu festigen. Die Ahndung wird seit einem halben Menschenleben aufgeschoben, bis die Terroristen vergreist oder tot sind. Das Ziel ist so gut wie erreicht.
Anfang 2007 hatte Geheimdienstdirektor Marco Mille mittels einer präparierten Armbanduhr ein Gespräch mit CSV-Premier Jean-Claude Juncker aufgenommen. Im Interesse der Staatsräson zeigte der Premierminister den Straftäter nicht an. Die im parlamentarischen Geheimdienstkontrollausschuss informierten Parteien CSV, LSAP, DP und Grüne deckten die Straftat so lange, bis sie verjährt war.
Loris Mariotto hatte mit dem Geheimdienst Katz’ und Maus um eine verschlüsselte CD gespielt. Auf ihr sollte sich ein illegal mitgeschnittenes Gespräch zwischen Großherzog Henri und Premier Juncker befinden. Im Prozess um die Sprengstoffanschläge hatte sich das innigliche Verhältnis zwischen Mariotto und dem Geheimdienst gezeigt. Folglich verzichteten Regierung und Justiz auf eine Strafverfolgung wegen Hehlerei und Erpressung.
Stattdessen hörte der Geheimdienst seinen Lieferanten ein Wochenende lang ab. Mit oder ohne das in einer Dringlichkeitsprozedur ausreichende Einverständnis des Premierministers. Weil sich niemand mehr genau erinnern wollte, entschied das Gericht auf Freispruch. Schließlich lassen all die anderen Straftaten den Vorgang als eine Bagatelle erscheinen.
Doch die Staatsanwaltschaft sieht voraus. Sie ist besorgt, dass das Vertrauen der Staatsbürger in die Justiz leidet, wenn nach der Terrorwelle und dem Amoklauf des Geheimdienstes alle Beteiligten straffrei ausgehen. Also hofft sie, dass nun ein Berufungsgericht ihren Wink richtig deutet. Wenigstens in dieser Bagatellangelegenheit soll jemand symbolisch verurteilt werden, damit niemand sagen kann, die Justiz wäre untätig geblieben.