Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn

Entschieden keine Parteizeitung mehr

d'Lëtzebuerger Land du 19.06.2020

Wenige Stunden vor Beginn des Parteitags der DP teilte am Montag die von dem DP-Studienzentrum Eugène Schaus kontrollierte Tageszeitung Lëtzebuerger Journal mit, dass sie ihr Erscheinen einstellen wird. Nach der Voix du Luxembourg von Saint-Paul und Le Jeudi von Editpress ist das Journal die dritte mit staatlicher Pressehilfe bezuschusste Zeitung, die aufhören muss. Vergangenen Monat verkaufte der Erzbischof sein Luxemburger Wort, das dem Klerus und der CSV so lange gute Dienste erwiesen hatte.

Selbstverständlich beeilte sich das Journal anzukündigen, dass es gar nicht aufhören, sondern am Ende des Jahres zu einer „einzigartigen digitalen Plattform“ werde. Aber bisher verzichtete noch keine Zeitung auf ihre Papierausgabe, solange sie die Druckereirechnungen bezahlen konnte. Eine gedruckte Parteizeitung verspricht politischen Einfluss und teure Anzeigentarife, eine digitale bestenfalls Klicks und Google-Werbung.

Damit ist die 2012 vom damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Norbert Becker angekündigte Strategie gescheitert. Auf der Suche nach neuen, DP-fernen Lesern wollte das Journal wie all die anderen Blätter „entschieden keine Parteizeitung mehr sein“. Nun ist es bald gar keine

Zeitung mehr. Der Irrtum war schon damals offensichtlich: Das Journal war immer nur eine Zweitzeitung, die von DP-Mitgliedern aus Parteiloyalität abonniert wurde. Als es aufhörte, eine Parteizeitung zu sein oder wenigstens so tat, und sogar in das Kapital des vom OGBL kontrollierten Tageblatt einstieg, hörte auch die Loyalität auf.

Nach dem Krieg war es nicht gelungen, die Luxemburger Zeitung wieder herauszubringen. Sie hatte jahrzehntelang mit dem Geld der Schmelzherren, vorübergehend in zwei Ausgaben täglich, die Interessen der Industrie und beiläufig des Mittelstands vertreten. Dazu hatte am Ende auch der Stahlhandel mit Nazi-Deutschland gehört.

So wurde 1948 das Lëtzebuerger Journal gegründet. Aber es gelang ihm nie, an die große Tradition der liberalen Presse anzuknüpfen. Das Journal blieb das Verbindungsorgan für die Parteibasis. Die DP-Führung behandelte es mit Geringschätzung und hofierte lieber RTL, Républicain Lorrain, einst d’Lëtzebuerger Land und neuerdings Paperjam.

Die DP zieht inzwischen Facebook und Youtube vor, die Fedil käme nicht auf die Idee, Geld für ein liberales Sprachrohr auszugeben. Dem Journal geht es schon länger schlecht. Es wollte die von Xavier Bettel versprochene Reform der Pressehilfe abwarten, um über seine Zukunft zu entscheiden. Obwohl in verschiedenen Vorentwürfen des DP-Premiers das Journal die einzige Tageszeitung war, die weniger Pressehilfe erhalten sollte. Doch in der Corona-Rezession konnte das Journal nicht mehr länger warten. Vielleicht geht das liberale Blatt davon aus, dass ein Großteil der Pressehilfereform der liberalen Austerität nach Corona zum Opfer fallen wird. Auf dem DP-Kongress am Montag wurde kein Wort mehr über das Journal verloren.

Romain Hilgert
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