In ein Museum geht man nicht, um zu bleiben. Man durchquert es, man betrachtet Kunst, im besten Fall ist man im Dialog mit ihr. Im Kino wird das Museum zum Bedeutungsträger innerhalb unterschiedlichster Filmtendenzen. Der vorliegende Beitrag gibt einen kleinen Überblick, der keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. In wenigen Fällen lässt sich sagen, dass Filme gänzlich in einem Museum oder in einer Galerie spielen: In Alexander Sokurovs The Russian Ark (2002), einem Experimentalfilm, werden wir von einer Erzählerstimme durch die fünfunddreißig Säle der St. Petersburger Eremitage geführt, die eine große Kunstsammlung enthält. In einer einzigen Plansequenz von rund neunzig Minuten werden so dreihundert Jahre russischer Geschichte vorgestellt. Derartige Experimentalfilme sind aber eher die Ausnahme. Mit der Reihe Night at the Museum (2006-2014) wurde das Museum ebenfalls zu einem zentralen Schauplatz im Mainstream-Kino, doch geht es in ihr mehr um das Abrufen von spektakulären Aktions-Reaktions-Schemata und von allerlei Spezialeffekten, als um eine Überlegung zur kulturellen Bedeutung des Museum selbst. Mit Blick auf das gegenwärtige Filmschaffen lassen sich im Allgemeinen zwei Tendenzen ausmachen: das Museum als Hort kultureller Schätze in diversen Abenteuerfilmen sowie das sogenannte Heist-Genre. Die Grenzen sind dabei fließend. Ferner wird das Museum gerne im Arthouse-Kino als Austragungsort von Gesellschaftskritik genutzt.
That belongs in a museum! – Das Museum als Hort kultureller Schätze
Die Bezeichnung dieser Kategorie scheint selbstverständlich, nahezu überflüssig, ist damit doch ein Wesensmerkmal eines Museums getroffen. Im populären Film indes werden Museen in dieser Hinsicht äußerst dramatisch aufgeladen, sie werden so gerne zu einem Dreh- und Angelpunkt ganzer Filmerzählungen, die besonders den zeitgenössischen Abenteuerfilm betreffen. Dass die Indiana Jones-Filme (1981-2023) den Abenteuerfilm mit dem Geiste der Postmoderne neu begründeten, ist augenscheinlich. Mit der Auslegung des Abenteurers als Schatzsucher, der verschollenen oder mythischen Artefakten nachstöbert, hat die Filmreihe aber auch das Museum gleichsam als eine semantische Komponente in absentia etabliert. Obwohl es als Schauplatz in der Filmreihe nie wahrhaftig vorkommt, ist das Museum doch beständig präsent, weil es gerade den Stellenwert ausbildet, für den die Schatzsuche überhaupt erst geführt werden soll. In Bezug auf die Habgier eines kapitalistischen Unternehmers raunt Indy zu Beginn des dritten Teils der Reihe, The Last Crusade (1989): „That belongs in a museum!“ Indiana Jones ist der Verfechter des Kulturgutes eines Schatzes, der die Kunst einem jeden auf der Welt zugänglich machen möchte. Der materielle Wert der Objekte interessiert ihn nicht. Den Raub der wertvollen Artefakte, die sich oftmals als Beigaben an einen Verstorbenen an Grabstätten befinden, gilt als Störung der letzten Ruhe. Der „gute“ Abenteurer darf diesen Schritt der Entweihung wagen, weil das Museum sein Vorhaben letzten Endes legitimiert.
Die Epigonen, die Indiana Jones hervorgebracht hat, rücken das Museum in der Folge stärker in den Vordergrund und etablieren es als zentralen Schauplatz. In einer Kombination mit den Mustern des Heist-Filmes besteht die Ironie dann gerade in dem Umstand, dass zuerst das Museum selbst entweiht werden muss, nämlich durch Einbruch und Diebstahl, bevor die Schätze ausfindig und einem globalen Publikum zugänglich gemacht werden können. Um den sagenumwobenen Schatz der Tempelritter ausfindig zu machen, muss der Schatzsucher Benjamin Gates (Nicolas Cage) in National Treasure (2005) die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus dem Nationalarchiv stehlen. Auf ihrer Rückseite nämlich befindet sich eine unsichtbare Karte, die zum Schatz führen soll. Im Sinne des Heist-Films (man denke dabei auch an Thriller-Filme wie The Thomas Crown Affair, 1999) steht dabei die perfekte Planung und Durchführung des Einbruchs maßgeblich im Vordergrund. Seinen Reiz bezieht National Treasure daraus, dass er sich über glamouröse Museumsveranstaltungen lustig macht. Während einer Eröffnungsgala sehen zwei Schatzsucher, die eigentlich Amateurdiebe sind, die geeignete Möglichkeit, die Vernissage zu unterwandern. Inmitten von geselligem Smalltalk und Champagner öffnet sich ihnen der Weg, bezeichnenderweise vor aller Augen, das wichtigste Gründungsdokument der Vereinigten Staaten zu entwenden.
In dem benachbarten Franchise der Dan-Brown-Adaptionen ist der Semiologe Robert Langdon (Tom Hanks) von der Harvard-Universität in The Da Vinci Code (2006) im Louvre auf Spurensuche. Gleich zu Beginn wird da ein Mord begangen: Der Mönch Silas von dem okkulten Orden Opus Dei erschießt den Museumskurator Jacques Saunière, ein ranghohes Mitglied des Geheimbundes der Prieuré de Sion. Regisseur Ron Howard inszeniert das Museum hier vorerst als einen unheimlichen Ort, als Tatort der Düsternis; die Porträts der Renaissance-Malerei werden zu stummen Zeugen des Mordes, Augen, die die Straftat mitverfolgen. Der Direktor hinterlässt geheime Codes unter anderem auf dem Gemälde der Mona Lisa, Da Vincis wohl bekanntestes Werk und Herzstück des Louvre. In diesem Akt der „Entweihung“ der Kunst ist die Fährte für die Schatzsuche gelegt. Erst gegen Ende des Films im Sinne der hollywood’schen Rundung der Erzählung gelangen wir zum Louvre zurück: Unter dem Sternenhimmel kniet Langdon vor der Glaspyramide des Architekten Ieoh Ming Pei nieder. Was ein französischer Polizeikommissar (Jean Reno) noch herablassend als „Pickel im Gesicht von Paris“ bezeichnet hat, wird nun zum Wahrzeichen der letzten Ruhestätte Maria Magdalenas, der Ehefrau Jesu Christi, die unter dem Museum begraben liegt – sie ist der „Heilige Gral“, dem der Semiologe nachgespürt hat. Der Louvre ist nun nicht mehr so sehr ein Tatort des Mordes, der Angst und Unbehagen auslöst, sondern ein gänzlich positiv konnotierter Ort, eine große Grabkammer voller Schätze der Alten Meister der Kunstgeschichte, der zum Zentrum des Christentums auf Erden wird.
In allen Fällen ist das Museum im Abenteuerfilm ein attraktiver Ort, der die Vergangenheit gleichsam wieder lebendig werden lässt, ein Ort der aufregenden und faszinierenden Spurensuche. Der Abenteuerfilm gibt dabei eine Bewegung nach vorn vor – er folgt dem Topos der Schatzsuche als Reise, dem narrativen Muster der Schnitzeljagd entsprechend – und formt so diesen Blick nach vorn durch den Blick nach hinten, in die Geschichte hinein, der die unmittelbare Gegenwart des Schatzsuchers und des Films ausmacht. Diese Kulmination passiert dabei gerne im Museum. Es ist an diesem Ort, in dieser Berührung der Vergangenheit mit dem Zukünftigen (dem Auffinden des Schatzes), wo der Abenteurer ganz bei sich ist.
Prätention und Ausbeutung: Die Widersprüche des Kunstbetriebs
Weniger nah am Genrekino bewegen sich Filme, die das Museum als einen Ort für die Ausübung von harscher Gesellschaftskritik nutzen. Augenfällig als Arthouse-Filme konzipiert, stellen diese Filme intellektuelle, engagierte und sozialrealistische Sujets in den Vordergrund, um die Kunstszene in der gegenwärtigen Gesellschaft als Ausdruck einer verkommenen Moral zu diskutieren. Nicht selten geht es darum, eine prätentiöse, scheinheilige und skrupellose Bourgeoisie zu entlarven. The Square (2017) von Ruben Östlund und The Man Who Sold His Skin (2020) sind in dieser Hinsicht auffallend, beide Filme zeigen die furchtbar emotions- und morallosen Praktiken des Kunstbetriebs, für die das Museum die Bühne bereitstellt.
Eine Ausstellung im Stockholmer Museum für Moderne Kunst bildet den diskursiven Ausgangspunkt von The Square. Ein eloquenter und attraktiver Kurator möchte auf die Illusion gesellschaftlicher Fürsorglichkeit aufmerksam machen. Was die bissige Satire dabei umso mehr in den Fokus rückt, sind die allzu verworrenen Widersprüche des Kunstbetriebs; ein Milieu, das gerade in dem Kurator seinen scheinheiligsten, selbstgefälligsten Ausdruck findet: Er ist jemand, der unter dem Deckmantel der Kunst lediglich seine eigene Agenda verfolgt, sich selbst als Teil dieser Kunstszene mitinszeniert – ein Mann der reinsten, glatten Oberfläche, die keine Tiefe verspricht, ebenso wie die Kunst, die er in Szene setzt.
In The Man Who Sold His Skin von der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania begleiten wir einen syrischen Flüchtling, der mit einer ganz mephistophelischen Figur, einem provokanten Künstler, einen Pakt eingeht: Um nach Europa einreisen zu können, soll er als lebendes Kunstwerk zu einem Ausstellungsstück werden. Mit einem Tattoo auf dem Rücken muss er sich nun den Blicken neugieriger Museumsbesucher aussetzen. Kaum ein anderer zeitgenössischer Film hat den voyeuristischen Blick auf die Kunst eindringlicher in Bilder gefasst wie Ben Hanias Film, der die unerbittlichen Demütigungen in frappierender Konsequenz schildert, den Menschen, der zur Ware wird. Unter dem Aspekt der Monetarisierung von Kunst wird das Museum hier stärker in den Fokus der ausbeuterischen Praktiken gesetzt, einem Zoo oder Zirkus nicht unähnlich.
Auffallend ist nun, dass beide Tendenzen in ihrem jeweiligen Ausdruck von Populär- und Hochkultur sich nahezu gegensätzlich in Bezug auf die Darstellung des Museums verhalten. Während das Museum im populären Film als Ort der Hochkultur und Attraktion verstanden wird, wird es in Filmen für ein eher hochkulturell ausgerichtetes Publikums im Feld des Arthousekinos zu einem widerwärtigen Schauplatz, der eher Abneigung und Zurückweisung auslöst.