EU-Finanzrahmen 2014-2020

Money, money

d'Lëtzebuerger Land vom 28.10.2011

Europa, das ist zurzeit die sich zum Crescendo steigernde europäische Schuldenkrise, bei der einem die Milliarden nur so um die Ohren fliegen. Setzt man voraus, dass die Europäische Union morgen nicht zugrunde geht und der europäische Kontinent in den nächsten Monaten nicht einfach von der Erdoberfläche verschwindet, wird schnell klar, dass die EU auch außerhalb der Euro- und Schuldenkrise noch eine gewaltige Baustelle zu bearbeiten hat, bei der es um viel, viel Geld, demokratische Mitbestimmung und die konkrete Politik der EU für die Jahre 2014 bis 2020 geht.

Die Rede ist vom nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, der die Ausgaben für die EU festlegt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Gemeinschaft hat es dazu im Vorfeld am 20. und 21. Oktober eine gemeinsame Konferenz vom Rat, vertreten durch die polnische Präsidentschaft, der Kommission und des Europäischen Parlaments (EP) gegeben. Den Anstoß dafür hat das Parlament gegeben. Nach den Bestimmungen des Lissabon-Vertrages kann das Parlament zum ersten Mal ein entscheidendes Wort bei der Festlegung des Haushalts mitreden. Bisher haben allein die Regierungschefs in einer Nacht der langen Messer den Ausgabenplafond und die individuellen Länderbeiträge ausgehandelt. Der milliardenschwere Briten-Rabatt seit Lady Thatcher ist so eine Erblast, die seit Jahrzehnten mitgeschleppt wird. Beim letzten Mal waren die osteuropäischen Länder vom Feilschen der Alteingesessenen so angewidert, dass sie selbst Geld auf den Tisch gelegt haben, damit endlich eine Einigung erzielt werden konnte.

Das EP hat im Juli 2010 extra den Sonderausschuss SURE eingesetzt, um sich auf die Auseinandersetzung um den nächsten Finanzrahmen mit dem Europäischen Rat vorzubereiten und seine Forderungen frühzeitig einzubringen. Der im Mai beschlossene Bericht forderte auch die Konferenz ein. „Die polnische Regierung stand dem Vorhaben zuerst sehr zurückhaltend gegenüber“, sagte die SURE-Ausschussvorsitzende Jutta Haug. Das hat sich gelegt. Zum Konferenzauftakt ist Regierungschef Donald Tusk persönlich erschienen, flankiert von Kommis-sionspräsident José Manuel Barroso und EP-Präsident Jerzy Buzek. Jutta Haug sieht als strategisches Ziel, dass der Europäische Rat seine Budgetvorschläge zukünftig detailliert begründet. Das EP will Einnahmen und Ausgaben in einer Debatte verknüpfen. Die Europaabgeordnete macht die gewagte Aussage, dass das Parlament den Mitgliedstaaten eine sachliche Begründung für den Finanzrahmen aufzwingen und ihnen auch die 38 bestehenden Ausnahmeregelungen für einzelne Länder nicht mehr durchgehen lassen will. Sie vertraut auf die neue Machtfülle des EP: „Zuerst muss das Europäische Parlament dem mehrjährigen Finanzrahmen zustimmen, danach ist erst der Europäische Rat dran, der einstimmig beschließen muss.“

Die Konferenz sollte vor allem den Dialog mit den nationalen Parlamenten und Vertretern der Zivilgesellschaft fördern. Das wurde erreicht, die hohen Teilnehmerzahlen sprechen für sich. Das Brüsseler EP-Plenum mit rund 800 Sitzen reichte bei der Eröffnung nicht für alle Interessierten aus. Schnell einig war man sich auch darüber, dass die Qualität der EU-Ausgaben verbessert und der Dialog verstärkt werden müsse. Barroso beschwor einen Investitionshaushalt, der den Menschen Hoffnung geben könne in der Krise, der ihnen das Licht am Ende des Tunnels zeige und Lösungen anbiete. Effektive Wachstumsstrategien sind sein Stichwort. Dem Europäischen Parlament geht es um mehr. Das EP findet die Kommission zu zaghaft. Es möchte die Einnahmen der EU vollständig von Länderbeiträgen auf festgelegte Anteile der Mehrwertsteuereinnahmen der Länder und die anvisierte Transaktionssteuer umlegen. Die Kommission will das nur zur Hälfte. Auch strebt das Parlament höhere Ausgaben für gewachsene Aufgaben an. Die Vertreter der Nationalstaaten gaben sich hier durchweg skeptisch, sie wollen keine Eigenmittel der EU. Jutta Haug kann das nicht wirklich verstehen, denn schließlich bliebe die Hoheit über die Steuern ausschließlich bei den nationalen Parlamenten. Das EP habe auch im Lissabon-Vertrag nicht das Recht bekommen, Steuern zu erheben. Es seien nach wie vor die nationalen Parlamente, die weiterhin jeden mehrjährigen Finanzplan ratifizieren müssten.

Mit seiner langfristig angelegten Strategie will das EP Verbündete gewinnen, um die Haushaltsberatungen aus den Hinterzimmern der Macht herauszuholen und transparenter auf die offene politische Bühne zu stellen. Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der liberalen Fraktion, wird nicht müde zu betonen, dass dies für die Akzeptanz des EU-Haushaltsenorm wichtig sei. Kaum ein Bürger könne das extrem komplexe und unverständliche Einnahmesystem der EU nachvollziehen. Wer das Interesse der Bürger an dem, was sie für die EU zahlten, erhöhen wolle, müsse die alten Verfahren reformieren.

Das EP hat schon jetzt Pflöcke eingeschlagen. Im nächsten Frühjahr wird es eine weitere Konferenz geben. Ob die Dynamik am Ende dafür reicht, zum Beispiel die Briten wieder dazu zu zwingen, wie alle anderen zum EU-Budget beizutragen, bleibt abzuwarten.

Christoph Nick
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