Seit zweihundert Jahren externalisieren die besitzenden Klassen ihre Produktionskosten zulasten der Umwelt. In den kommenden Jahrzehnten drohen sie, die letzten Ressourcen und Senken zu verheizen. Bis dahin wollen sie noch an Elektroautos und grünen Finanzen verdienen. Die Klimakrise ist eine Wirtschaftskrise.
Wirtschaftsminister Franz Fayot ist für Industriepolitik zuständig. Für ihre mit der Kapitalverwertung verträgliche Anpassung an die Klimaveränderung. Zwischen einem Wettbewerbsseminar (21.11.) und einer Prospektionsreise (28.11.) warnt er vor den Grenzen des Wachstums (25.11.).
Das Wirtschaftsministerium lädt Jung und Alt ein: Sie dürfen im Internet anklicken, wie Luxemburg im Jahr 2050 aussehen soll (luxstrategie.gouvernement.lu). Für 2050 will die Europäische Union Klimaneutralität.
Die Wahl ist beschränkt: auf drei vorgefertigte Zukunftsszenarien. Die Szenarien unterscheiden sich durch drei Kennzahlen. Die erste ist die Einwohnerzahl: 770 000, 1,1 oder 1,2 Millionen. Sie drückt die malthusianistische Allianz von Umweltschützerinnen und Nationalisten aus. Jean-Claude Juncker schmiedete sie 2001 mit der Panik vor dem „700 000-Awunnerstat“.
Die zweite Kennzahl ist das Bruttoinlandsprodukt: ein Rückgang, plus zwei oder plus 4,5 Prozent. Seit dem Fall der Profitrate in den Siebzigerjahren wird das Wachstum kritisiert. Um die Schichtarbeiterinnen, Fliesenleger und Buchhalterinnen zum Verzichtsdenken zu bewegen. Damit sich die Kapitalakkumulation wieder beschleunigt.
Die dritte Kennzahl ist die Erderwärmung: plus 1,8, 2,7 oder drei Grad. Sie ist das apokalyptische Gottesurteil. Sie macht Einwände zu Ketzereien.
Zur Abstimmung steht ein konservatives Szenario. Es könnte von der CSV stammen. Es läuft darauf hinaus, dass irgendwie alles so weitergeht wie bisher: Wirtschaftswachstum, Verkehrsstaus, Einkommensunterschiede, Sozialpartnerschaft, Greenwashing. Der Titel „Somnambule socio-économique“ warnt vor Bewusstlosigkeit.
Ein liberales Szenario könnte von der DP stammen. Der ungehemmte technische Fortschritt schafft hohes Wirtschaftswachstum. Der Wohnungs- und der Arbeitsmarkt sind prekarisiert, die Bildung ist privatisiert. Populismus breitet sich aus. Das Szenario heißt: „Optimisme techno-digital“. Der Name warnt vor Blauäugigkeit.
Ein anderes Szenario ist ein ökologisches. Es könnte von den Grünen stammen. Bevölkerung, Wirtschaft und Einkommen hören auf zu wachsen, der Straßenverkehr, der Wohnungsmarkt und die Umwelt werden entlastet. Die Mehrheit wird ärmer, aber glücklicher. Der Name „Circularité bio-régionale“ wirbt für die Ewige Wiederkunft des Gleichen, für Obst vom lokalen Kleinbauern.
Die Szenarien sind technokratische Vorurteile. Sie sind kindisch manipulativ: Ein einziges Szenario verspricht, den Weltuntergang, die Klimakatastrophe, aufzuhalten. Die beiden anderen dienen als abschreckende Beispiele. Das Empfohlene stammt vom Propheten Jesaja: „Wolf und Lamm sollen zusammen weiden, der Löwe wird Stroh fressen wie ein Rind, und die Schlange soll Staub fressen“ (65:25).
Die Leitlinie der Szenarien ist „un contexte de justice sociale minimale et de limites biophysiques maximales“. Sie macht den Machtlosen ein schlechtes Gewissen. Damit sie ihre Mentalität ändern. Damit sie Staub fressen.
Die Mächtigen kommen in keinem Szenario vor. Löwen fressen kein Stroh. Die besitzenden Klassen können ihre Mentalität nicht ändern. Ihr Geld erlaubt kein Degrowth. Es muss einen Überschuss abwerfen. Der investiert werden muss. Sein Kreislauf ist erweitert.
Keines der Szenarien erwähnt die privaten Produktionsmittel, die universelle Warenwirtschaft, die Lohnarbeit, den Konkurrenzkampf und Akkumulationszwang. Die die Klimakrise auslösten und fortsetzen. Alle Szenarien setzen sie als Natur des Menschen voraus. Halten sie für ewig. Ewiger als alle Gletscher, Eisberge und Korallenriffe.