Die Luxemburger Energiepolitik war übersichtlich: Billige Energie für Industrie und Tanktourismus. Dann überfiel Russland die Ukraine. Die Europäische Union erklärte den Wirtschaftskrieg. Energie wurde knapp und teuer. Der europäische Energiemarkt wird neu geordnet. Deutschland will die Führung. Luxemburg hilft dabei.
Die deutsche Regierung schwört auf den Markt. Konkurrenz bedeutet das Recht des Stärkeren. Das Recht der größten Wirtschaftsmacht in Europa.
Obwohl die USA noch größer sind. „If Russia invades“, drohte Präsident Joe Biden am 7. Februar, „then there will be no longer a Nord Stream 2.“ Am 26. September sprengten Unbekannte die Pipelines in der Ostsee. Zum Glück verkaufen die USA Flüssiggas.
Energieminister Claude Turmes antwortete am 25. Januar zwei CSV-Abgeordneten: „Dësen Äerdgasmaart ass ee vun de liquidesten a sécherste Mäert an Europa.“ Einen Monat später wurde der Erdgasmarkt illiquid und unsicher. Der Markt funktioniert nur, wenn der Markt funktioniert.
An der Spitze der Europäischen Kommission steht eine deutsche Ex-Ministerin. Die Kommission drückt sich an Eingriffen in den Markt vorbei. Zur Not verspricht sie Reformen. Etwa des Strommarkts. „In gewisser Weise liest sich das Gesetz der Kommission, als sei es genau für die Berliner Regierung geschrieben worden“, freute sich die FAZ (15.10.22).
„Die Strompreise werden durch die hohen Gaspreise verursacht“, wusste Claude Turmes. Deshalb müsse man „den Preis für importiertes Gas deckeln“ (Tageblatt, 10.9.22). Deutschland lehnt eine Deckelung ab. Sich höhere Preise zu leisten, ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Frankreich, Italien, Polen. Nun weiß Claude Turmes es besser: „Im Endeffekt ist die Diskussion über einen Maximalpreis ein Zeichen der politischen Ohnmacht“ (Wort, 26.10.22). Ein Zeichen politischer Macht ist die Unterwerfung unter den Markt.
Um politischen Druck abzulassen, war Berlin bereit, den „iberischen Preisdeckel“ von der Kommission „prüfen“ zu lassen. Das ist eine Bezuschussung der Stromproduktion. Da fand auch der Luxemburger Energieminister, dass man das „ernsthaft analysieren“ soll (Wort, 26.10.22).
Vor 20 Jahren war Europaabgeordneter Claude Turmes Berichterstatter zur Liberalisierung des Energiemarkts. Sie verteuert französischen Atomstrom zur Rentabilisierung deutscher Gaskraftwerke. Seither sträubte er sich gegen eine Reform. „The ‚internal [electricity] market‘ is a huge asset“, weiß er. „Let’s not throw out the baby with the bathtub“ (Euractiv 28.7.22).
Das Baby beschert manchen Stromproduzenten Extraprofite. Viele Staaten wollen eine Übergewinnsteuer. Der liberale deutsche Finanzminister Christian Lindner ist dagegen. Die liberale Luxemburger Finanzministerin Yuriko Backes auch. In Brüssel stimmt sie trotzdem dafür. Banken und Fonds wollen keine unnützen Steuerdebatten.
Die Extraprofite sollten Kapital in die Produktion erneuerbarer Energie locken. Nun machen grüne Technokraten Atom, Kohle und Tankrabatt wieder salonfähig. Der Klimaschutz sollte die Neuordnung des Energiemarkts legitimieren. Nun tut’s der Krieg.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck will nicht in den Markt eingreifen. Der Luxemburger Energieminister Claude Turmes auch nicht. Sie wollen fügsam konsumieren: „Gasspeicher füllen, einsparen und gemeinsame Einkäufe“, so Turmes. „Das sind die Sachen, die wirklich etwas bringen“ (Wort, 26.10.22). Das Marktgesetz von Profit und Konkurrenz ist Gift für das Klima. Seine Verteidiger werden mit elektrischen Dienstlimousinen belohnt.
Luxemburg hat das Geld, um liberal wie Deutschland zu sein. Die Staatsverschuldung ist niedriger. Der grüne Energieminister in Luxemburg identifiziert sich mit dem grünen Minister in Deutschland. Der subjektive Faktor macht die Geschäfte einfacher. Außer wenn die Deutschen frieren. Dann requiriert Herr Habeck die Erdgasreserven von Enovos Storage GmbH in Frankenthal.