Pegida und Konsorten

Rechte Apo

d'Lëtzebuerger Land vom 09.01.2015

Die Zeiten und die Zeichen gleichen sich. Vor nahezu 50 Jahren gab es in Deutschland eine außerparlamentarische Opposition (Apo). Eine linke Apo. Damals regierte eine große Koalition unter Führung der Christdemokraten, die sich zusehends vom politischen Willen der Bevölkerung entfernt hatte. Auch damals standen die Vertreter der Presse zunächst geschlossen gegen diese Form der Opposition. Auch damals stieß der Protest auf wenig Verständnis in der Bevölkerung, die den Anstand auf ihrer Seite sah. Daraus formte sich linkes Politik- und Gesellschaftsverständnis in Westdeutschland. Dieses mündete im linksextremistischen Terror der RAF – einerseits. Andererseits führte es zur Gründung der Partei Die Grünen und etablierte Möglichkeiten und Formen der politischen Partizipation.

Heute sind es die gleichen Vorzeichen: eine große Koalition am Kabinettstisch in Berlin, eine außerparlamentarische Opposition, die sich zu formen beginnt, und deren Erwachen oder Erstarken in der Presse und der Bevölkerung, der Mainstream- Bevölkerung, auf Unverständnis stößt. Es gibt nur einen Unterschied: Es entsteht eine rechte Apo.Doch es ist ein Irrglaube, dass die Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) eine spontane Wutbürger-Initiative ist, so wie die linke Apo sich formierte. Die rechtskonservative Elite gestaltet seit langem ein neues Sprachrohr des Neo-Konservativismus. Nicht nur in Deutschland, sondern auch mit Wahlerfolgen in den skandinavischen Ländern. Die Abgrenzung zum Rechtsextremismus mag der neuen Rechten nur wenig gelingen – inhaltlich wie personell.

Etwa in der AfD, die Alternative für Deutschland. Deren Gründer Bernd Lucke besetzte erfolgreich die Meinungsführerschaft unter den Euro-Gegnern. Damit konnte er reüssieren und einige Erfolge einfahren – so bei den Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Mai. Vom eigenen Erfolg geblendet, rief er Geister, die sich nun seiner Partei bemächtigen. Um auch auf Landesebene gewählt zu werden, nahm er Menschen aus dem rechtsradikalen und -extremistischen Milieu in seine Reihen auf und machte sich mit ihnen, ihrem Denken und ihren Methoden gemein. Mehr noch: Um in dieser Szene Anklang zu finden, distanzierte er sich nicht von rassistischen Motiven und Zielen von Pegida. Er flirtete vielmehr mit dieser. Und das einen Augenblick zu lange. Dies war seiner eigenen Themenlosigkeit geschuldet. Denn als der Euro-Verdruss bei den Bundesbürgern nicht mehr verfing, konnte er thematisch nicht nachlegen, sondern glaubte sich Pegida bedienen zu können. Einfach so. Nun aber bedient sich die rechtsradikale bis rechtsextreme Szene seiner AfD. Ein offener Machtkampf in der Partei wird die Weichen stellen, ob sich die Partei weiter radikalisiert oder als konservative Partei etabliert.

Das gefährliche Momentum an der konservativen, rechten Apo ist, dass nicht eingeschätzt werden kann, wie ihre weitere Genese sein wird. Zieht man weitere Parallelen zur linken Außerparlamentarischen Opposition zeigen sich zwei Wege: Sie kann sich einerseits weiter radikalisieren und zu einem rechtsextremistischen Terrorismus führen. Die Ereignisse um die „Hooligans gegen Salafisten“ im Oktober in Köln verdeutlichen deren Gewaltpotenzial. Zum anderen wird sich zeigen, welche politische Heimat sich die Strömung suchen wird, wenn die NPD vom Bundesverfassungsgericht verboten werden sollte. Dann kann die AfD der Wolf im Schafspelz sein.

Konservative Menschen gibt es immer und überall. Dass auch sie eine politische Heimat haben möchten, ist unbenommen und ihr gutes Recht. Doch fehlt im Moment eine klare Grenze, eine Trennlinie zwischen konservativ und rechtsextrem. Insbesondere da niemand – vor allem nicht in den Reihen der AfD – diese Linie ziehen möchte. So kann es sein, dass Menschen konservativ abstimmen möchten, aber dem Rechtsextremismus seine Stimme gibt. Die Gefahr liegt in der Maskierung des Rechtsextremismus als harmlos und Wutbürgertum.

Martin Theobald
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