Am Anfang steht bereits das Ende: Eine Schlacht ist geschlagen, die norwegischen Heerscharen, die sich mit dem abtrünnigen Macdonwald verbündeten, sind bezwungen. Alsdann verleiht der schottische König Duncan (Brendan Gleeson) den Titel Macdonwalds, „Thane of Cawdor“, dem siegreichen Heerführer Macbeth (Denzel Washington). Der kann es kaum glauben, haben ihm doch drei Hexen diese Wendung prophezeit. Mehr noch: Macbeth werde König sein. Dessen Ambition ist geweckt, und angefeuert von seiner ebenso ehrgeizigen Frau, der Lady Macbeth (Frances McDormand), hegt das Paar einen Plan: Warum dem Schicksal nicht etwas nachhelfen und den Königsmord begehen?
Weltliteratur ist zeitlos und erfährt immer wieder filmische Transformationsprozesse. William Shakespeares The Tragedy of Macbeth wurde von unterschiedlichsten Regisseuren zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichsten kulturellen Räumen übernommen: Da ist zum einen Orson Welles Verfilmung von 1941, die sich vor allem durch ihre expressionistische Bildlichkeit auszeichnet. Die japanische Anverwandlung Throne of Blood (1957) von Akira Kurosawa verlagert die Handlung ins feudale Japan und betont mehr den politischen Gehalt des Stoffes. Roman Polanskis Version von 1971 besticht durch ihre pessimistische Pointe, die die Fatalität des Originals noch mehr betont. Ein jüngeres Beispiel ist die Adaption durch den australischen Regisseur Justin Kurzel, der einen poetischen und archaisch-brutalistischen Zugang wählte. Auch die US-amerikanische Netflix-Serie House of Cards um politischen Machtgewinn nimmt deutliche Anleihen bei Shakespeares Urstoff.
Nun ist Joel Coen an der Reihe, der erstmals ohne seinen Bruder Ethan auf dem Regiestuhl Platz genommen hat. Seine Version ist noch am ehesten bei der von Orson Welles anzusiedeln: harte und langgezogene Schattenkontraste, kubistische Formen, die sich am Weimarer Kino der Zwanzigerjahre orientieren. Coens The Tragedy of Macbeth ist zuvorderst verfilmtes Theater von überaus hoher Sogkraft. Sie vertraut ganz auf den Text, auf den Rhythmus und den Klang der Sprache, auf die Alliteration, die Bildlichkeit der Metaphern, kurz: auf die Virtuosität der Dichtkunst Shakespeares. Roman Polanski wiederum nahm den Originaltext ernst, adaptierte ihn werkgetreu, setzte dabei aber auf eine farbenprächtige, kostümverliebte Inszenierung. Nicht so Coen: Nahezu alles in seiner mise-en-scène drängt auf die Reduktion: Schwarzweiß-Aufnahmen, minimalistisches Dekor, beengende Sets; computergenerierte Bildeffekte werden sparsam eingesetzt und dienen allenfalls der Darstellung des Übernatürlichen.
Coen erreicht damit einen überaus belastenden Effekt, der die Unabwendbarkeit des Tragischen eindrücklich ins Bild übersetzt: Kein Raum tut sich da auf für das Etwaige; das Erdrückende negiert die Offenheit von Handlungsmöglichkeiten. Der Motor der Handlung ist denn auch die Nachdrücklichkeit in der Sprache, die einen immerwährenden, ja mechanisch-zwingenden Fortgang suggeriert. Die Zeichen von Macbeths neu errungenem Ruhm eilen ihm ebenso voraus wie die seines Scheiterns; eines Scheiterns, das symbolkräftig antizipiert wird: durch Raben, durch Nebelvorhänge, durch Blutstropfen ...
Denzel Washington passt seine Darstellung dieses Macbeth an die von Coen gewählte mise-en-scène an: Wie in einem Fiebertraum gefangen, nimmt sein gestisches und mimisches Repertoire an Ausdruckskraft zu, je mehr er sich seiner Ausweglosigkeit, ja seiner eigenen Nichtigkeit gewahr wird. Er hadert mit sich und dem Leben, wenn er meint: „It is a tale / Told by an idiot, full of sound and fury / Signifying nothing.” Sein Pendant Frances McDormand wählt den gegensätzlichen Weg: Sie bewegt sich von den großen Gesten weg, hin zur Starre. Vervollständigt wird dieser expressionistische Bilderreigen auf der Tonebene. Über allem dröhnt ein ebenfalls minimalistisches, doch äußerst druckvolles Sounddesign, das sich auf einen einzelnen monotonen und repetitiven Bassschlag reduziert: Wem die Stunde schlägt …