Es war einmal eine Zeit, als Russlands Freunde in der Welt vornehmlich auf der linken Seite des politischen Spektrums beheimatet waren. Es gibt sie noch, die alten Kommunisten in Griechenland, Portugal, Tschechien und Deutschland, die eine besondere Bindung zu Russland pflegten. Auch heute hält Moskau an den langjährigen Banden fest.
Mehr Kontakte, Querverbindungen und strategische Ziele teilt der Kreml inzwischen jedoch mit den rechtspopulistischen, offen antieuropäischen und rechtsradikalen Parteien in der EU. Von den 24 einflussreichsten Rechtsparteien bekennen sich 15 offen zu Russland und schließen einen gemeinsamen Weg unter Leitung Moskaus jenseits der Europäischen Union nicht mehr aus. Sechs Parteien sind für russische Avancen offen, nur drei gehen auf Distanz. Sie haben territoriale Streitigkeiten mit Russland oder größere ethnische Minderheiten im eigenen Land.
Das geht aus der jüngsten Studie des ungarischen Policy Research Instituts Political Capital hervor. Den griechischen Kommunisten – einst die treuesten – haben in Moskau längst die Faschisten aus der Chrysi Avgi den Rang abgelaufen. Sie sind im russischen Fernsehen gern gesehene Zeugen eines vermeintlich europäischen Niedergangs. Alexander Dugin, Vordenker der eurasischen Ideologie, die in Russland mittlerweile den öffentlichen Diskurs beherrscht, sandte dem inhaftierten Parteivorsitzenden und Hitlerverehrer Nikolaos Michaloliakos zur Unterstützung auch noch eine Solidaritätsadresse in den Knast.
Als Wladimir Putin die Krim erobern ließ, um die Machtergreifung von „Faschisten“ in Kiew zu vereiteln, lud er zur Beobachtung des völkerrechtswidrigen Referendums mehr als 50 Politiker aus der EU ein. Mit Ausnahme von vier Mitgliedern der Partei Die Linke waren die übrigen Vertreter der extremen Rechten. Vom französischen Front National, von der ungarischen Jobbik, dem belgischen Vlaams Belang, der bulgarischen Ataka, den serbischen Dveri, der italienischen Liga Nord. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Die Einladung kam über die NGO Eode. Dahinter verbirgt sich eine Organisation des belgischen Neonazis Luc Michel, der wiederum ein Anhänger des Nazi-Kollaborateurs Jean-Francois Thiriart ist.
Putin ist mit Sicherheit kein lupenreiner Faschist. Die Krim diente lediglich der Destabilisierung der Ukraine und lindert das imperiale Trauma. Tatsächlich will der Kremlchef mithilfe der rechtsradikalen Freunde die EU als Gegner schwächen und seine Gefolgsleute lancieren. Ihre Aufgabe wird es sein, die EU zu diskreditieren, zu demontieren und daran zu hindern, europäische Werte zu exportieren und selbst zu expandieren.
Nach dem proletarischen Internationalismus bastelt Moskau jetzt an einer Internationale der Reaktion. Putin schwingt sich zum Schirmherrn der antimodernistischen reaktionären Kräfte in der EU und der Welt auf. Seine ideologische Angebotspalette hält für viele Verlockendes parat: den überzeugten Antiamerikaner, den starken Mann, den Macho, den Schwulenhasser, den Vertreter familiärer Werte, den Traditionalisten, Nationalisten, den Xenophoben, Kirchgänger und Antiglobalisten.
Von rechts bis links – für jeden ist etwas dabei. Zudem präsentiert er Russland als das bessere, weil noch saubere Europa. Für dieses Ziel arbeitet der Kreml auch mit russischsprachigen Rechtsradikalen in der Ukraine zusammen, wie dem selbsternannten „Volksgouverneur“ von Donezk Pawel Gubarew, dessen Freilassung aus Kiewer Haft der Kreml noch im April erreichte. Gubarew ist ein Parteigänger der radikalen Gruppierung Russische Nationale Einheit. Demgegenüber werden die rechtsradikalen Gruppen Swoboda und der Rechte Sektor in Kiew, wo der Kreml einen erbitterten Kampf gegen den „Faschismus“ führt, von Russland nicht unterstützt. Es sind fast die einzigen europäischen Rechtsradikalen, die ohne Moskaus Hilfe auskommen müssen.
Besondere Aufmerksamkeit wird dem Front National (FN) zuteil. Im französischsprachigen russischen Propagandasender ProRussia.tv in Paris arbeiten viele Mitglieder des FN. In Paris sitzt auch eine Filiale des spendenfinanzierten russischen Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit, das die ideologische Arbeit der Rechten europaweit koordiniert. Jean-Marie Le Pen ist ein flammender Anhänger des Kremlchefs. „Ich glaube, Putin handelte praktisch fehlerfrei“, meinte er bewundernd zur Annexion der Krim. Unter starken Männern mit homophoben Ressentiments versteht man sich ohne Dolmetscher. Der Gründer des FN, der auch ein Freund des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski ist, steht mit der Idealisierung des russischen Staatschefs in seiner Partei nicht allein. Seine Tochter und Nachfolgerin an der Parteispitze teilt die Einschätzung. Ihr gefällt vor allem Putins autoritär-nationalistischer Stil. Im November räumte Marine Le Pen ein, auf der Suche nach Geld für den Wahlkampf des FN einen Euro-Kredit in zweistelliger Millionenhöhe von einer russischen Bank erhalten zu haben.
Sehr enge Beziehungen zu Moskau unterhält auch die ungarische Partei Jobbik. Sie ist rechtsradikal und offen antisemitisch und selbst für die österreichische FPÖ schon zu weit rechts. Dennoch verbindet die Parteien die gemeinsame Bewunderung für Putins autoritären Führungsstil und dessen völlig kompromisslose Haltung gegenüber Schwulen, Lesben, Friedensbewegten und anderen „Gutmenschen“. Beide Parteien folgten gerne Moskaus Einladung, das Sezes-sionsreferendum auf der Krim zu beobachten.