Neulich stellte Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsministerin Carole Dieschbourg eine Broschüre Préparer et préserver l’avenir vor. Es ist die volkstümliche Zusammenfassung des dritten Nationalen Plans für eine nachhaltige Entwicklung. Im Vorwort mahnt die grüne Ministerin, dass neben der Corona-Seuche andere Krisen drohten: Armut und Ungleichheit, der Verlust der Artenvielfalt und die Klimaveränderung. Doch es gebe Lösungen. Man soll „penser et consommer de manière circulaire, permettre à notre planète de se regénérer et assurer une répartition équitable des ressources naturelles“ (S. 3). Dann folgt ein Katechismus.
Ein Katechismus ist eine Zusammenfassung von Glaubenssätzen, oft in Form von FAQ. Es ist weiter eine Anleitung, wie der Einzelne sich seine Erlösung durch Tugendhandlungen verdienen kann. Kartchëssem genießen hierzulande anhaltende Beliebtheit: Hubert Reulandt druckte 1624 am Krautmarkt einen ersten „brief et clair Catechisme“ mit „[i]nstructions chrestiennes, et pratiqves de bien vivre en l’estat secvlier“. Im Laufe der Jahrhunderte folgten Dutzende Ausgaben von Scouville, Canisius, Cusanus, Fleury, de Feller und selbst Ponce Cercelet, Victor Tedesco und Samuel Hirsch.
In einer Presseerklärung teilte das Climate Accountability Institute aus Colorado am 9. Dezember mit, dass „the Top Twenty companies have collectively contributed […] to 35% of all fossil fuel and cement emissions worldwide since 1965“. 100 Konzerne seien für 71 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich, meldet das Institut. Um die Umwelt rasch und effizient zu retten, müsste folglich bei der großindustriellen Produktion angefangen werden.
Dagegen rät ein Katechismus, dass jeder Christenmensch im Kleinen bei sich selbst anfängt: „1. Économisez de l’électricité en branchant vos appareils sur une multiprise […] 2. Privilégiez les trajets à pied, à vélo ou avec les transports en commun […] 3. Le recyclage du papier, du plastique, du verre et de l’aluminium limite la taille des décharges […] 4. Prendre l’habitude de faire vos courses avec vos propres sacs réutilisables […] 5. Privilégiez la consommation d’aliments de saison, produits dans la région et issus de l’agriculture biologique […] 6. Quand cela est possible, faites vos courses dans le quartier“ und so fort (S. 6-11).
Bagatellmaßnahmen versprechen dem Einzelnen Erlösung aus dem ökologischen Sündenpfuhl, dem verpesteten irdischen Jammertal. Angesichts des Umfangs und der Dringlichkeit der ökologischen Krise hätte Max Weber sie als „rein rituelle Kulthandlungen und Zeremonien“,
nicht als Teile „einer Ethik der ‚guten Werke‘“ bezeichnet (Grundriß der Soziologie, II., S. 321).
Die Heilsmethodik des Lichtlöschens, des Fleischverzichts und des Einkaufs im Bioladen an der Ecke, die Selbstkasteiung mit Jutetasche statt Cilicium sind moderne Varianten der katholischen Fastenregeln und Almosengebote. Sie sollen im Kampf gegen die Umweltzerstörung kollektives Handeln durch die Beschränktheit individueller Einkehr und Buße verhindern.
Aus der in einigen kapitalistischen Staaten des 19. Jahrhunderts begonnenen Verheizung der natürlichen Lebensgrundlage durch die Externalisierung von Produktionskosten wurde eine anthropologische Frage gemacht. Das Anthropozän hieß früher Erbsünde. Auf die politische Frage der Umweltkrise gibt die Regierung den Fabriken und Raffinerien baren Klassen eine soteriologische Antwort. Nicht aus klerikalen, sondern aus liberalen Beweggründen: Die Nachhaltigkeit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, der Besitz- und Machtverhältnisse soll gewährleistet bleiben, auch wenn die Gewässer kippen. Religion dient stets der Legitimierung sozialer Ordnung. Die unsichtbare Hand Gottes ist diejenige des Marktes. Konsumbeschränkungen sollen die ungehemmte Produktion gewährleisten. Das Umweltministerium verbietet nicht Teslas, sondern bezuschusst sie.