ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Ärger mit den Dienstboten

d'Lëtzebuerger Land du 05.02.2021

Die Demokratische Partei schenkt seit jeher den Dienstboten besondere Aufmerksamkeit. Im „Inner Circle“ der Partei kommt kaum jemand ohne Haushälterin, Kindermädchen oder Köchin aus. Bei knapperer Kasse muss es wenigstens „eng Bonne à tout faire“ sein.

Die Reform gegen die Individualbesteuerung hatte 1990 einen allgemeinen „abattement pour frais de domesticité“ geschaffen. Die Lohnzahlungen an „Haushaltshilfen, Haushälterinnen und sonstiges Hauswirtschaftspersonal“ mit Ausnahme „eines Gärtners, Fahrers oder Hausmeisters“ berechtigen seither zu einem Steuerfreibetrag. Seinen Staub nicht selbst wischen zu wollen, gilt im Steuerrecht als „außergewöhnliche Belastung“ (guichet.lu). Die DP rechnet es sich an, den Zuschuss zusammen mit der CSV eingeführt zu haben. Er entspricht derzeit drei Monaten Mindestlohn.

„Dienstpersonal stellte ein ‚Prestigeobjekt‘ dar, mit dem der soziale Status gezeigt wurde“, schreibt Josiane Weber in Familien der Oberschicht in Luxemburg (S. 389). Doch „[d]ass Dienstmädchen häufig wie unmündige Kinder behandelt und ausgebeutet wurden, dass von ihnen eine selbstlose Aufopferung verlangt wurde, indem sie meist 16 Stunden täglich zu arbeiten hatten, dass sie außer manchmal sonntagnachmittags keine Freizeit besaßen, das alles galt als selbstverständlich und verkörperte die traditionsverhaftete Seite der bürgerlichen Gesellschaft, in der Ungleichheiten bereitwillig akzeptiert wurden“ (S. 394).

Nicht viel besser sprang die liberale Europaabgeordnete Monica Semedo mit ihren parlamentarischen Referenten um. Niemand in ihrer traditionsverhafteten Partei fand etwas dabei. Schließlich ist der Neoliberalismus eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert der Arbeiter- und Dienstbotenlivrets. Für echte Liberale ist das Gerede über „harcèlement moral“ ein Hirngespinst der Gewerkschaften. Ein Mobbing-Gesetz wird seit 20 Jahren hinausgezögert.

Doch die Öffentlichkeit reagierte pikierter als erwartet auf die Maßregelung der Politikerin. Die politische Konkurrenz ließ sich die Gelegenheit zur moralischen Belehrung nicht entgehen. Also musste sich die DP-Führung rasch empört zeigen. Nur so konnte sie weiteren Schaden von der Partei abwenden. Um der Entlassung wegen Geschäftsschädigung zuvorzukommen, kündigte die Uneinsichtige – bei der DP, statt im Europaparlament. Schließlich muss sie weiter ihren Lebensunterhalt verdienen.

Die Europaabgeordnete versteht nicht, wie ihr geschah. Als Sozialaufsteigerin fehlt ihr die anerzogene Fingerfertigkeit der Besitzenden im Umgang mit Dienstboten. Doch fremd ist ihr auch die Klugheit der Solidarität. Deshalb kostete sie die neu entdeckte Macht über Untergebene etwas zu rücksichtslos aus. Anders als Angehörige des liberalen Bürgertums musste sie sich immer wieder im Kommandoton vergewissern, dass sie nicht mehr zur Schicht ihres Personals gehört. „Pour ne pas se sentir méprisée, elle nous méprisait.“ Denn die Herrschaften sind „des êtres capricieux, qui ne brillent pas par l’intelligence et qui trouvent leur plaisir à imposer par la peur à des personnes spirituelles, à des domestiques, pour bien montrer qu’ils sont les maîtres, des devoirs absurdes“ (Marcel Proust, Albertine disparue, S. 22).

Dabei hatte die Europaabgeordnete fast alles richtig gemacht. Sie hatte mit Hunderten Anderen das Diktat des Europäischen Ministerrats und der Zentralbank mit parlamentarischem Firnis geschönt. Sie beherzigte das in liberalen Kreisen empfohlene Radfahrerprinzip, nach oben zu buckeln, nach unten zu treten. Doch am Ende bestätigte sie damit tragisch ihr Schicksal, das sie von sich zu weisen versuchte: Dass sie auch nur zum politischen Personal zählt. Wenn zum Beispiel die Demokratische Partei auf Rechnung der herrschenden Klassen das Wahlvolk mit ehemaligen Kinderstars von RTL amüsieren will.

Romain Hilgert
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