Heute loben wir die neue Transportkultur. Ein luxemburgischer Busunternehmer wirbt für seine Fahrten in diverse Einkaufsparadiese mit folgendem Spruch: Shop til you drop. Kauf, bis du umfällst. Das ist eine verlockende Aufforderung. Sie klingt jedenfalls sehr sportlich. Klärungsbedarf gibt es nur bei der Frage nach den technischen Modalitäten. Wie fällt man um? Ist der Kollaps wenigstens spektakulär? Oder sacken die Kaufwütigen am Ende einfach weg? Beiläufig und banal? Das wäre nicht unbedingt verkaufsfördernd. Jedenfalls haben wir es hier mit einer neuen medizinischen Kategorie zu tun: der gezielt herbeigeführten Konsumembolie. Nur Spaßverderber würden dem Busunternehmer anlasten, dass er eigentlich Beihilfe zum Exitus durch Kommerzexzess leistet. Wenigstens klingeln die Kassen. In der Buszentrale und auf den Einkaufsmeilen.
Dieser erfinderische Unternehmer betreibt auch einen so genannten Party Bus, „un véritable bar roulant“. Hier nähern wir uns schon fast der nationalen Kulturrevolution. Es ist ja bekannt, dass Luxemburg eine einzige Partywüste ist. Wann haben Sie zuletzt von einer Party in unseren Gefilden gehört? Na, sehen Sie. Höchste Zeit also, dass ein gütiger Kulturmensch endlich ein würdiges Partyverhalten auf die Beine, das heißt auf die Räder bringt. Dieser Bus transportiert alles, was zu einer zünftigen Party gehört, die feiernde Gesellschaft inklusive. Man kann zum Beispiel ein Tussi package kaufen (richtig rührend, wie hier die Frauen apostrophiert werden), in dem 40 Ficken Shots enthalten sind. Nein, nein, Sie können Ihre schmutzige Fantasie gleich wieder abschalten. Ficken heißt ein deutscher Spirituosenhändler, und Shots darf man auf keinen Fall verwechseln mit dem dramaturgischen Höhepunkt von Pornofilmen.
Uns beschäftigt ein ganz anderes Problem. Warum fährt eigentlich ein Party Bus? Ist Fortbewegung in diesem Fall nicht die reinste Treibstoffverschwendung? Warum muss auch noch der Motor laufen, wenn drinnen schon die Party tobt? Wird der Busunternehmer vielleicht von einem Erdölkonzern gesponsort? Es interessiert ja eh keiner sich für die vorüberziehende Landschaft. Wer dynamisch seine Partyenergie mobilisiert, kann nicht auch noch die Geografie begutachten. Würde ein Bus-Simulator auf irgendeinem abgelegenen Parkplatz nicht den gleichen Dienst tun? Eine Attrappe mit Motorensound aus der Konserve? Zugegeben, das sind sehr naive Fragen. Jedenfalls rollt das Partygeschäft. Wir sind jetzt nicht länger die allerletzte, spaßfeindliche Provinz. Wir sind endlich partyaffin.
Da die luxemburgischen Unternehmer ja stets auf Innovationen aus sind, die ihren Umsatz steigern, möchte wir hier eine Geschäftsidee ins Spiel bringen, die sie ganz sicher begeistern wird: den Hospi Bus. Es handelt sich dabei um nichts anderes als eine coole Ambulanz im Busformat, eine rollende Dying Event-Kutsche mit allen Schikanen. Der Hospi Bus kommt vorrangig in den kommerziellen Hochdruckgebieten zum Einsatz und sammelt in ganz Europa die Opfer der ungezügelten Konsumwut ein. Also die zusammengebrochenen Shop til you drop-Matadoren, die arg lädierten Schiurlauber mit ihren zersplitterten Knochen und ihren verbogenen Rippengestellen, die tollkühnen transalpinen Komasäufer, deren Lebenslicht nach vollalkoholisierter Pflichterfüllung nur noch armselig flackert, die abgewrackten Herzinfarktkandidaten aus dem Party Bus. Man sieht, im Hospi Bus kann der clevere Unternehmer eine äußerst bunte Gesellschaft zusammenwürfeln, ein Invaliden-und-Zombie-Kollektiv erster Güte. Die Kommerzkadaverentsorgung auf Rädern könnte schnell ein neuer Verkaufshit werden.
Von der Air Rescue unterscheidet sich der Hospi Bus insofern, als es bei diesem neuartigen Busvergnügen nicht vorrangig um die Rettung der Betroffenen geht, sondern um deren letztes Amüsement. Oder, um es prosaischer auszudrücken: um ihre letzte finanzielle Erleichterung. Die Routenplanung spielt eigentlich keine Rolle, denn am Ende der tollen Spritzfahrt winkt immer der Friedhof oder die Einäscherungsstätte. Natürlich werden die guten Erfahrungen aus dem Party Bus eins zu eins auf den Hospi Bus übertragen. Den Kunden wird es an nichts mangeln, der Busunternehmer verwöhnt sie ein letztes Mal til they drop.
Da der Hospi Bus über eine exzellente Beschallung verfügt, steht einer Wunschliste letzter Lieder nichts mehr im Wege. The final curtain wird neben This was a pretty life oder Kiss the devil, baby erklingen, ein putzmunteres Quartett tanzender Krankenpflegerinnen mit Strapsen und eine Brigade von Sanitätern im Kellnerlook wird die Fahrgäste mit den ultimativen Drinks aus der rollenden Bar entzücken. Falls der Busfahrer ein mitdenkender Spaßvogel ist, was wir allen Fahrgästen von Herzen wünschen, wird er im Sensenmannkostüm am Lenkrad sitzen und seinen grinsenden Doudekapp im Rückspiegel zeigen. So kommt die neue Transportkultur zu ihrem logischen Schluss. Alles hat schließlich einmal ein Ende. Warum sollten nicht die Busunternehmer uns das Ende versüßen? Vielleicht ist sogar noch ein schneller Ficken shot drin. Das wäre tödlich gut.