Heute loben wir den politischen Neuanfang. Herr im Himmel, erbarme dich ihrer! Eine derart triste und schäbige Veranstaltung wie die sogenannte Pressekonferenz – wohl eher Pressebelästigung – der CSV am vergangenen Freitag ignoriert krass den „Wählerwillen“ (oder „Wëllerwielen“, die verräterische Lapsus-Variante des Herrn Santer), um es mal mit dem neuesten Totschlagwort der klerikalen Partei auszudrücken. Es kann ganz einfach nicht des Wählers Wille sein, dass zwei unverändert blasierte Bonzen öffentlich ihre Ranküne zur Schau stellen und ihren ressentimentgeladenen Auftritt auch noch als staatsmännisches Statement verkaufen möchten. Der sonst so unscheinbare Herr Wiseler packte doch tatsächlich todesmutig das Mikrofon und betonte: „Mir halen ons un d’Konstitutioun.“ Womit er uns Gambia-Verbrechern im Umkehrschluss bescheinigt, dass wir die Verfassung vergewaltigen. Man sieht: das größte Problem dieser Partei ist ihre betonharte, geradezu konstitutive Überheblichkeit, die heute zum Glück nur noch ins Leere läuft.
Stellen wir mal ein realistisches Szenario in den Raum: Wenn die neue Regierung steht und die gewählten Volksvertreter ihre Arbeit aufnehmen, wird die CSV-Fraktion noch eine Zeitlang nach der Polter-Wolter-Methode ganz auf Randale setzen. Die christlichen Herrschaften werden weiter Gift und Galle spucken und ihre Oppositionsrolle als flächendeckende Sabotage inszenieren. Aber dann geschieht folgendes: der chronisch unfehlbare Herr Juncker, der sein Abgeordnetenmandat als vollends unter seiner Würde empfindet, weil es für alle sichtbar seinen tiefen Sturz aus dem europäischen Elysium symbolisiert, wird sich nach spätestens drei oder vier Monaten auf Nimmerwiedersehen in irgendein politisches Luxussanatorium absetzen, zum Beispiel in den Verwaltungsrat einer Großbank.
Die Flucht des Übervaters ins goldene Exil wird in der CSV einen Dammbruch provozieren. Der angestaute Frust wird sich nach innen entladen, die verwaisten Nachkommen werden sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, dass es für unsereins eine helle Freude ist. Nach dieser gnadenlosen Selbstzerfleischung kracht auch noch das ideologische Rückgrat der CSV zusammen, nämlich die katholische Kirche Luxemburgs. Der Filz mit der ehemals ewig regierenden CSV greift nicht mehr, und wenn die Dreier-Connection sich klug anlegt, wird aus dem staatstragenden Erzbistum endlich ein Privatverein, der seine Schäfchen mit eigenen Mitteln über Wasser halten muss. Erzbischof Sushimaki ist dann wohl oder übel gezwungen, in den römischen Franziskus-Modus umzuschalten und fortan in billigen Jesuslatschen zu wandeln, weil das staatliche Manna nicht länger massiv vom Himmel fällt. Der erzkatholische Großherzog („Grand-Truc“, wie es Herrn Wolter auf der CSV-Pressekonferenz rausrutschte) ist tief besorgt, wie wir hören. Domine salvum fac!
Der CSV-Staat wird sich mit Caracho selber demontieren, es kommen schöne Zeiten. Momentan können wir ein wahrhaft ernüchterndes Epiphänomen beobachten. Auf den Internetforen geraten die CSV-Anhänger außer Rand und Band. Sie führen unfreiwillig vor, wie alle Hemmschwellen wegbrechen, wenn die jahrzehntelange Hirnwäsche ihrer Partei plötzlich nicht mehr die erwarteten Früchte trägt. Landesverrat und Weltuntergang, Warnungen und Drohgebärden zuhauf, Verdächtigungen und Strafversprechen – kein aufgeblähter Katastrophenwortschatz ist stark genug, um die Schrecken der kommenden Dreierkoalition auszumalen. Hier sprudelt ungefiltert heraus, was die CSV ihren braven Mitläufern immer eingeschärft hat: Demokratie ist, wenn die CSV in der Regierung sitzt. Alle übrigen Alternativen sind a priori undemokratisch. Basta. Flectamus genua.
Auf diesem Schlammfeld gedeihen dann schnell völlig ungenießbare Pflänzchen. So veröffentlicht RTL.lu am 25.10.2013 folgenden Sniper-Kommentar (der kreative Umgang mit der Sprache wird hier voll übernommen): „ech sin nei wahlen. an CSV mussen och schwuler an partei eran huelen“ (gezeichnet: „Moni“, Anonymus). Am gleichen Tag ist an gleicher Stelle diese Heckenschützenprosa zu lesen: „Ech hunn dat hei lo misse posten… t’geet net anescht : ‘Gambias president warned the United Nations General Assembly on Friday that gays were a threat to human existence, along with excessive greed and obsession with world domination…’“ (gezeichnet: „Raphael_J“, Anonymus, mit Hinweis auf www.reuters.com).
Die Frage sei erlaubt, was RTL.lu sich dabei denkt, solch offensichtlichen Anschlägen auf die persönliche Freiheit, die hier unverhohlen Xavier Bettel visieren, eine Tribüne zu bieten? Ist die private sexuelle Orientierung neuerdings ein Kriterium, das über politische Kompetenz entscheidet? Wird der gezielte Schlag unter die Gürtellinie jetzt mit der Komplizität von RTL salonfähig? Immerhin sticht hier unmissverständlich hervor, wes Geistes Kind bestimmte CSV-Lobhudeler sind, und welche Verheerungen die jahrzehntelange CSV-Herrschaft in den Köpfen gewisser Anhänger angerichtet hat. Diese zwei Beispiele zeigen auch, wie gut es ist, dass das Gedankengut dieser „Volkspartei“ nicht länger im Focus steht.