Nicht erst gestern öffneten die wichtigen europäischen Filmfestivals die cinéphilen Augen, als sie iranische Talente mit in ihre Programme aufnahmen. Kiarostami, die Makhmalbafs, Panahi, Rasulof und Farhadi gehören zum modernen Kanon des (Welt-) Kinos. Diese Öffnung war keine rein künstlerische sondern auch eine kulturpolitische Ansage. Denn die Arbeitsverhältnisse waren und sind im Iran weiterhin nicht die einfachsten. Asghar Farhadi konnte im Gegensatz zu anderen Kollegen jedoch immer arbeiten. Vielleicht weil seine Iran-Kritik im Vergleich diffus-abstrakter innerhalb eines psychologisch dichten Geflechts inszeniert ist. Die Festivals haben ihm auf alle Fälle sogar die Türen geöffnet, Filme außerhalb des Irans zu produzieren. Doch wie schon nach dem Ausflug nach Frankreich – während dem er Le passé inszenierte – so ist er auch jetzt nach seinem Film in spanischer Sprache Todos lo saben wieder in den Iran zurückgekehrt.
Ghahreman / A Hero / Un héros ist Asghar Farhadis neunter Film und erzählt von Rahim, einem Mann, der wegen einer nicht bezahlten Geldschuld eine Haftsstrafe abzusitzen hat. Während eines Hafturlaubs lässt ihn seine Freundin wissen, dass sie eine Handtasche mit Goldmünzen gefunden habe. Vielleicht wäre mit dem Gold genug Geld zu haben, um eine ausreichend hohe Anzahlung auf die Schuld zu bezahlen, die Rahim vorzeitig auf freien Fuß setzen könnte. Beim Händler jedoch erweist sich der aktuelle Goldpreis als nicht sehr hilfreich. Es springt nicht genug dabei heraus. Der Gläubiger lässt sich nicht erweichen. Rahim und Freundin Farkhondeh entscheiden, die Handtasche mitsamt Inhalt als vermisst zu melden. Es dauert nicht sehr lange, ehe Rahim in aller Öffentlichkeit zum guten Samariter gekürt wird. Es wäre jedoch kein Film von Asghar Farhadi, wenn sich die Chose für den Protagonisten verkomplizieren würde.
(Hand-) Taschen mit preiswertem Inhalt wurden in der Kinogeschichte immer wieder verschiedensten Filmhelden vor die Füße geworfen. Und wie so oft, ist auch die Tasche in Ashgar Farhadis neuem Film ein McGuffin, wie er im Bilderbuch steht. Und ob Rahim ein Held ist wie es der Filmtitel anzudeuten mag – oder eben nicht – ist das Thema von A Hero.
Dass der iranische Regisseure keine psychologischen Abkürzungen nimmt und sich gerade eben mit der Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen und den unscheinbaren, nicht auf den ersten und oft auch nicht auf den zweiten Blick klar herauszulesenden Beweggründen der Protagonisten aufhällt, ist, was die Handschrift des Kinos von Farhadi auszeichnet. Seit dem – einfacherhalber und salopp formuliert – Scheidungsdrama und Farhadis internationalem Durchbruchsfilm A Separation war genau diese Handschrift herauszulesen. Handschrift auch, weil seine Filmographie – und A Hero ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme – vor allem durch eine präzise Arbeit in Sachen Drehbuch hervorsticht. Wer einen Film des Iraners gesehen hat, erkennt seine Methodologie prompt wieder. Diese Methodologie verkommt für diesen Film aber zur Formel, die nicht sonderlich spannend dekliniert wurde. A Separation hatte klare Fronten, zwischen denen abzuwiegen war, The Salesman war sich der inherenten Theatralik von Farhadis Schreiben bewusst, doch jetzt, wie auch schon im Spanien-Film, stößt die Formel gegen eine Wand.
Es ist nicht so, dass es A Hero an Konsequenz fehlen würde. Farhadi legt sich jedoch mit seiner Dramaturgie Steine in den Weg, die das ansonsten feste Gerüst zum Wanken bringen. Die Narration erhält einen melodramatischen Charakter, die dem observatorischen Charakter des Film nichts hinzufügt. Rahims Gläubiger ist sein ehemaliger Schwager. Von seiner Freundin weiß niemand in Rahims Familie. Auch nicht sein Sohn, der dazu noch mit einer Sprachbehinderung zu kämpfen hat.
Dass der Regisseur, der sich ansonsten auch in Sachen Inszenierung eher zurückhält und der Observation den Vortritt lässt, einer Aneinanderreihung von dramaturgischen Kehrtwenden verfällt, die lediglich die möglichen Antworten zur Frage von Schuld und Moral umbalanciert, ermüdet vielmehr auf Dauer. Die Abhandlung vom Verhältnis zu sozialen Medien und von der Vorbildfunktion in der Gesellschaft kriegen den Gestus einer Schuldissertation. Asghar Farhadi verpasst mit seiner Formel die Chance, sich selbst einzubringen und sich zu hinterfragen. Er, der oscarisierte Regisseur, leuchtender Stern, Vorbild des iranischen Kinos in der Welt. Trotz allem ist die Arbeit an den Schauspielern und Schauspielerinnen bemerkenswert. Vor allem liegt es an Amir Jadidi, der mit dem Portrait seines Rahim – eine schwer zu fassende Figur, die trotz naivem Lächeln nicht zum Idioten verkommt – die zu schwere Last des Films irgendwie auf seinen Schultern zu tragen weiß.