Von Jan-Philipp Knoop ist bislang wenig bekannt. Er ist 26 Jahre alt und studiert Rechtswissenschaft. Das bisher höchste politische Amt von Knoop: Social-Media-Beauftragter im CDU-Ortsverband „Kleistpark“ in Berlin-Schöneberg. Das prädestiniert ihn für sein nächstes Ziel auf der politischen Karriereleiter: Knoop möchte nun der Nachfolger von Angela Merkel im Parteivorsitz der Christdemokraten werden. Sein politisches Programm: Er war bei der Bundeswehr und fordert mehr Respekt für die Truppe. In der Flüchtlingspolitik will er „endlich die Kontrolle über die Situation bekommen“, was ihm – vor allen Dingen in sozialen Netzwerken – Zuspruch einbringt. In der Regel von AfD-Sympathisanten. Überhaupt kann der Jungpolitiker verstehen, dass sich Bürgerinnen und Bürger den Rechtspopulisten zuwenden. „Deswegen sind diese Menschen aber noch lange keine Nazis oder Rechtsextreme“, schreibt er. Gerade er stehe für eine „glaubhafte Erneuerung“ der Partei, sagt der Student selbstbewusst. „Die Politik verliert Tag für Tag an Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, schreibt er auf Facebook. Er verstehe, dass sich Menschen nicht mehr vertreten fühlten. Der Berliner Tagesspiegel fragt nach, ob er das alles ernst meine. „Nicht nur das“, antwortete Jan-Philipp Knoop. Seine Kandidatur sei sogar notwendig.
Alle Zeichen stehen auf Neubeginn. Seit vor wenigen Wochen Ralph Brinkhaus überraschend die Wahl zum neuen Fraktionschef der CDU im Bundestag gegen Volker Kauder gewonnen hat, scheint vieles möglich zu sein. Oder ist die Verzweiflung so riesengroß geworden, dass ein Kandidat wie Jan-Philipp Knoop überhaupt möglich wird. Die politische Szene in Berlin ist nicht minder ratlos und diskutiert darüber, wie schwer die Niederlagen bei der Fraktionschefwahl und bei den Landtagswahlen in Bayern wie Hessen für Merkel wirklich wiegt und wie groß der Machtverlust der Kanzlerin tatsächlich ist.
Dabei ist Knoop nur einer von zwölf Kandidatinnen und Kandidaten um das höchste Parteiamt bei den Christdemokraten. Mit ihm stellen sich auch der 61-jährige Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen und der gleichaltrige Unternehmensberater Andreas Ritzenhoff aus Hessen zur Wahl. Hinzu kommen die drei aussichtsreichen Kandidaten Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz. Namen und Details zu den sechs weiteren Bewerbern wurden zu Wochenanfang noch nicht bekanntgegeben. Auf zehn Regionalkonferenzen können sich die zwölf Kandidaten in den kommenden fünf Wochen bewerben. Am 7. Dezember sollen dann auf dem Parteitag in Hamburg 1 001 Delegierte die Nachfolge von Angela Merkel bestimmen.
Doch eigentlich ist die CDU eine Partei des internen Konsens. Kampfabstimmungen um Ämter liegen ihr nicht sonderlich. Wenn sich innerparteiliche Auseinandersetzungen vermeiden lassen, dann tut die Union dies auch meistens. Möglichst unauffällig. Ganz im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die es kaum verpassen wollen, einen Streit um Posten und Personen öffentlich auszufechten. Doch heute ist alles anders und außerparteiliche Zwänge erreichen auch die Christdemokraten: Dies ist vor allen Dingen die Verpflichtung nach Transparenz. Die Zeit der Hinterzimmerkungelei ist vorbei. Dabei ist man in der Partei jedoch uneins, ob man direkt in die Vollen gehen und einen Mitgliederentscheid herbeiführen soll. Doch da sieht das Parteiengesetz vor, denn das verlangt, dass der Vorstand von einem Parteitag zu wählen ist. Die Satzung der CDU erlaubt zwar eine Mitgliederbefragung, doch deren Votum wäre für den Bundesparteitag nicht bindend – wenn es den Delegierten sicherlich schwer fiele, sich über eine solche Abstimmung hinwegzusetzen. Würde die CDU diesen Weg einschlagen, dann müsste allein aus Gründen der Organisation eines solchen Mitgliederentscheids der Parteitag auf Februar nächsten Jahres verschoben werden. Doch eine solche Hängepartie möchte sich die Partei nicht zumuten. Denn solange nicht feststeht, wer bei den Christdemokraten das Sagen hat, wird die Regierungsarbeit in der Großen Koalition gelähmt sein. Deshalb nun der Ausweg Regionalkonferenz, der allen zwölf Kandidaten die gleichen Möglichkeiten bieten muss.
Indes wird die Entscheidung über den Parteivorsitz auch richtungsweisend für die Partei. Das Ende der Ära Merkel wird auch das Ende der Politik der Mitte bei den Christdemokraten sein. Während Jens Spahn sich sehr deutlich, Friedrich Merz deutlich für ein stärkeres konservatives Profil der Partei aussprechen, versucht selbst Annegret Kramp-Karrenbauer nun zu Merkel auf Distanz zu gehen, wenngleich behutsamer. Man versucht die Wählerinnen und Wähler im konservativen Spektrum wieder zu binden, die man an die AfD verloren glaubt. Dabei lässt man die Wählerwanderungen von der CDU zu den Grünen, wie sie sich in Bayern und Hessen zeigten, unbeachtet. Grüne sind heute junge, urbane, gut gebildete Menschen, die den Status quo zu schätzen und wahren wissen, sich aber auf der Metaebene gerne Sorgen um die Zukunft machen. Diese Klientel gibt die CDU auf. Dabei konnte hier Merkel in der Flüchtlingskrise zunächst punkten, bevor sie den konservativen Kräften um Horst Seehofer nachgab.
Wie schnell vor allen Dingen Friedrich Merz seine Bewerbung um den Vorsitz offen aussprach, macht deutlich, dass Merkels Rückzug nicht für alle überraschend und für andere nicht völlig freiwillig geschah. Bereits heute wird deutlich, dass am rechten Rand des politischen Spektrums demnächst zwei Parteien um die Gunst der Wähler buhlen. Die AfD ist derzeit bemüht, sich ein weniger radikales und extremistisches Auftreten zu verordnen, um der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen.