Schlachthof, bäh, wie unappetitlich, schon wieder so was Unappetitliches. Schlachthof, wie klingt denn das, doch nicht mehr zeitgemäß. So krude. So roh.
Nicht lange her – die Viren-Detektiv_innen waren dabei, das neugeborene Virus zu tracken –, dass wir inmitten von Blut- und Pissebächen kompetent agierenden Chines_innen zuschauten. Sie durchtrennten Gurgeln, schlitzten auf, säbelten und metzelten, was das Zeug hielt. „Wet Market“ heißt ein Ort solchen Geschehens, der uns Sensiblen als Vorhof der Hölle erscheint, bevölkert von schlitzäugigen Menschenteufeln. Kein Wunder!, entfuhr es uns Entrüsteten. Das musste ja so kommen! Dass da was entfleucht oder entkreucht, das ist die Rache der Fledermaus, des Schuppentiers, das ist die Rache der Naturkreatur, vielleicht mischt das sagenumrankte Labor ja auch mit. Die Rache der Wildnis, ein wild gewordenes Virus wildert jetzt in uns, um uns.
Kein Wunder! Diese alles vertilgenden Chines_innen, die uns seit Jahrzehnten Gott und die Welt verkaufen, nein, Gott eher nicht. Acht Schätze, man wird nostalgisch, so betörend fing alles an. Siebzigerjahre, Menüs mit Nummern, goldene Löwen, Nervensägenmusik. Die genialen Chines_innen verkauften uns Knoblauch ohne Zehen, sie organisierten Organe für uns, shoppten unsere Häfen, unsere Banken. Jetzt liefern sie Seuche und Inventar gleich dazu, was unsere Fantasie fantastisch anregt, und alle wundern sich. Wie ausgelagert und ausgeliefert wir doch sind! Europa, das Museum der Welt, hat leider keine Gummihandschuhe.
So widerlich mörderisch geht es bei denen zu, dann auch noch wilde Tiere! Nicht mal narkotisiert, ganz ohne Antibiotika. Die Wildnis tobt sich aus, es gibt keine Artengrenzen mehr, keiner hält sich mehr an nichts, nicht mal mehr ein Virus, sogar unsere Unart wird befallen. Während wir nur unsere Häftlinge töten, diskret. Die wir mit Abfall füttern, und dann füttern sie uns, der Kreislauf der Natur. Wir schächten ja auch nicht barbarisch. Natürlich müssen wir töten, wir müssen ja leben, aber wir tun es rationalisiert, sterilisiert, zivilisiert. Kultiviert. Die Schlachthöfe sind nicht mehr wie früher, in Gegenden in denen Verdammte leben. Vor vielen Jahren schon hat sich die Kultur dort eingenistet, die Kultur liebt die alten Schlachthöfe, aber es klappt nicht mit dem Exorzismus, das Blut schreit noch immer zum Himmel, das Schreien der Tiere ist das wahre Konzert, es ist nicht zu überhören, in den Pausen zwischen der Lyrik.
Heute liegen Schlachthöfe, wirklich kein adäquates Wording, in Grünzonen. In Ettelbrück gibt es sogar Musik für Todeskandidat_innen, wahrscheinlich sogar gute. 1 500 Fleischerhaken werden hier täglich vorbildlich gespült und desinfiziert. Natürlich sind die Transporte immer noch schlecht für die Optik, aber die EU arbeitet daran.
Und dann so was. Schlachthof West ein Viren- Nest. Voller Ostmenschen auch noch! Wer hätte das gedacht? In Deutschland, in Europa? Mitten unter uns! Dass Menschen unter solchen Bedingungen ... Anscheinend arbeiten sie nicht sozial distant. Anscheinend leben sie nicht mal sozial distant.
Die Westfleischindustrie, die den Ostmenschen Brot gibt, weist aber alle Verantwortung von sich. Die seien ja nur ausgeliehen, nicht geschenkt. Bitte die Subunternehmen fragen! Von Massenmenschenhaltung kann man ja wohl kaum reden, wenn 40 Menschen, die zwölf Stunden am Tag Massentierhaltungstiere in Teile zerlegen, damit wir sie schmuck in Plastik eingeschweißt einem Supermarktregal zu einem Schleuderpreis entnehmen, in einem Häuschen zusammengepfercht sind. Zusammengepfercht, dieses von der Landwirtschaft beziehungsweise der Agrarindustrie inspirierte etwas unschöne Wort fällt jetzt häufig.
Weil, diese Ostmenschen kommen ja freiwillig. Über die Grenzen jetzt, trotz der Grenzen, sie lassen sich nicht abhalten. Nicht mal von Quarantänen, vorher, nachher, alles freiwillig. Und so schön billig. Verlassen ihre Kinder, um unseren verlassenen Greis_innen beizustehen, um sich über unseren verlassenen Feldern zu krümmen.
Unsere Freund_innen und Helfer_innen aus Osteuropa. Unsere Systemerhalter_innen, unsere Lebensstandarderhalter_innen, unsere Spargelmenügarant_innen.
Und niemand klatscht.