Ab jetzt sind wir andere, all one! Dreimal
Native-American-Ehrenwort! Nicht mehr so egozentriert, wie sinnlos war doch unser Leben bis jetzt. Es fällt uns wie Schuppen von den Augen, welche Schuppen eigentlich? Jedenfalls kommen wir zur Erkenntnis. Wie hohl und oberflächlich das doch alles war bis jetzt, Rasen über Autobahnen, die Shopping Paradiese, der eitle Kulturbetrieb. Der ganze Quatsch. Jetzt ist man allein mit dem Staub auf den Regalen. Das ist ja das Wesentliche, das Zurückgeworfen werden. Auf sich selber. Davon reden jetzt alle. Dass das so wesentlich ist. Jetzt merkt das Wesen, worum es wirklich geht.
Zesumme si mer staark, ein Team, zusammen schaffen wir das, sagen sich die Wesen stark motiviert vor. Das ist sehr wichtig, so eine Motivation, so ein Mantra. Weil es liegt ein Marathon vor uns. Der ist sehr monoton. Ist natürlich nicht so einfach. Weil da ja leider auch die andern Wesen sind. Wenn nur diese andern Wesen nicht wären. Oder wenn sie wenigstens anders wären. So wie wir, am besten. Nicht so jung. Nicht Kinder auch noch, Rotznasen, und das auch noch mitten im öffentlichen Raum statt im privaten. Die fassen alles an. Die atmen aus. Wenn sie nur nicht so alt wären. Grufties, die einem in den Füßen sind, wer übernimmt die Verantwortung? Wenn uns nur die Joggermaschinen nicht anjoggen würden. Anhecheln. Wenn nur die Risikogruppen ein bisschen risikofreudiger wären. Und dann diese Ausländer_innen, die einander immer noch so ausländisch körperkontaktieren. Zu guter Letzt steht auch noch ein Dutzend Männer als Kinder verkleidet auf dem Flughafen und schaut uns impertinent maskiert an. Einer trägt ein T-Shirt mit einer geheimen Drohbotschaft.
Ok, aller Anfang ist schwer, aber ab jetzt sind wir andere, es geht angeblich gar nicht anders. Angeblich rächt sich die Natur, das hat sogar der Papst gesagt, alle unmöglichen Leute sagen das plötzlich. Alle halten inne, alle wollen schließlich, dass der Himmel so himmelblau bleibt wie jetzt und die Erde so acrylaprilgrün. Die Kapitalist_innen lesen einander aus Das Kapital vor. Es wird ein grundloses Einkommen geben, dass wir endlich hemmungslos dichten und denken und geigen können, im Tausch für die Installation von Sanitäranlagen, manche machen Gottseidank gern was Praktisches. Die Großkonzerne werden großzügig sein, die Impfstoffphilanthrop_innen versorgen als erstes Afrika, worüber man natürlich nachdenken kann, was man hinterfragen kann, wir leben in einer Demokratie. Monsanto macht Samenspenden, natürlich nur bio und die letzten Islamist_innen vereinigen sich mit Feministen aus allen Geschlechtern.
Aber das ist Zukunftsmusik. Zurzeit musizieren wir noch auf Balkonen. Gut, hat sich schon ein bisschen ausmusiziert, auch schon ein bisschen ausgeklatscht, die Hände tun einem schon weh vom Klatschen. Und vom dauernden Waschen. Manchmal verliert man wirklich die Inspiration. Bei den vielzitierten Telephonaten, man soll ja möglichst viel mit seinen Lieben kommunizieren, fällt uns allmählich nicht mehr viel ein, es gibt immer längere Phasen des Schweigens. Die Enkelkinder schauen einen immer befremdeter vom Bildschirm an. Je lustiger man ist. Sie wenden sich ab und etwas zu, das ihre Aufmerksamkeit fesselt. Der Opa bleibt auf seinen Witzen sitzen. Die Corona-Tagebücher, die es in den Zeitungen und online gibt, schildern die Langeweile langweilig. Ja, es ist langweilig, ja, ein Blatt bewegt sich auf einem Baum, mein Gott, ja, soll vorkommen, und noch eins.
Ein Vogel zeigt dir den Vogel, leider ist der Vogel gar nicht da, er hat schon lang die Fliege gemacht. Du redest mit der Fliege, in irgendeiner Gefängnisshortstory gab es doch mal so eine Passage. Du liegst auf dem Rücken wie Käfer Gregor. Jemand schildert Symptome, schon hat er sie dir angehext. Die Virolog_innen schauen immer müder aus. Die luxemburgischen Schriftsteller_innen lesen auf youtube aus ihren neuesten Werken, es schaut sehr professionell aus. Du desinfizierst noch einmal das Wahnzimmer. Die Türklinken nicht vergessen, auch nicht die Lichtschalter. McDonalds hat geöffnet.