Claudia und Frank haben ihr gemeinsames Leben fein säuberlich in Kisten verpackt. Sie brauchten einen ganzen Container, um alles unter zu bringen, auf dem Weg nach Übersee, um ein völlig neues Leben anfangen, einen Neubeginn nach 20 Jahren Ehe, den sie zusammen mit ihrem Sohn Andi angehen wollen. Und plötzlich steht sie da, die Vergangenheit, mit Regenmantel und Sonnenbrille. Franks Vergangenheit. Sie heißt Romy Vogtländer. "Ich bin da, um dich an dein Versprechen zu erinnern", sagt sie. Dabei hatte Frank sie nicht einmal erkannt, seine Jugendliebe von vor 24 Jahren. Als Claudia aus der Dusche kommt, hatte Frank Romy die Tür schon wieder auf der Nase zugeknallt. Doch Claudia macht einen Fehler: sie sieht nach, wessen Stimme sie dort eben gehört zu haben glaubte.Die Frau von früher von Ronald Schimmelpfennig, 2004 am Wiener Akademietheater uraufgeführt, beginnt wie ein klassisches Boulevardstück: ein Mann, eine Frau, eine Mätresse, Überraschungsmoment, die unvermeidliche Ohrfeige. Doch Schimmelpfennig ist ein "Theaterfeinmechaniker" wie ihn Sebastian Huber im Jahrbuch 2004 von Theater heute nannte: "Die meisten Stücke von Ronald Schimmelpfennig sind Zeit-Stücke. Sie organisieren Zeit um." Auch dieses Stück. Ronald Schimmelpfennig schreibt Theater nach der Erfindung des Kinos und des Videorecorders, mit Versatzstücken, Fragmenten, Vor- und Rückblenden, Wiederholungen, Spiegelungen und Echos, dekonstruktivistisch und komplex.Die Frau von früher beginnt wie eine klassische Komödie und endet in einer Tragödie. Es ist ein Stück über das nie eingehaltene Versprechen der ewigen Liebe, doch es ist auch ein Stück über das Theater an sich. Denn das Stück hat zweimal genau den gleichen Anfang: Claudia kommt aus der Dusche und fragt Frank: "Mit wem sprichst du?", er leugnet, mit jemandem gesprochen zu haben, bis Claudia die Tür öffnet und Romy Vogtländer davor steht. Doch das zweite Mal fängt die Szene etwas früher an, noch während Claudia duscht und Frank Romy Vogtländer zuerst nicht erkennt, sie wieder wegschickt. Durch dieses bisschen Mehr an Information wird, trotz Déjà Vu, die Dreiergeschichte eine andere. Die ganze Handlung, die eigentlich nur eine Nacht lang dauert, wurde auseinender montiert und mit Zeitsprüngen und Wiederholungen wieder zusammengeschraubt. Immer wieder wird eine Szene übersprungen, eine andere wiederholt, dann wieder zurückgespult. Und der Zuschauer ertappt sich dabei, wie er die Geschichte in seinem Kopf selbst zusammenbastelt, die Lücken füllt, eine Requisite deutet, sich Erklärungen erfindet. Deshalb bleibt die doch einfache Geschichte – wird Frank seine Frau verlassen, um mit Romy Vogtländer ein neues, bis jetzt ungelebtes Leben zu beginnen, oder wird er mit Claudia nach Amerika ziehen, wie geplant? – bis zum Schluss spannend. Neben den drei Erwachsenen gibt es auch noch Andi, Franks und Claudias gemeinsamer Sohn, und Tina, seine Freundin. Sie sind wie eine Spiegelung von Romy Vogtländer mit Frank damals, vor 24 Jahren – verliebt, ungezügelt, leidenschaftlich. Doch wie sein Vater verspricht auch Andi seiner Freundin die ewige Liebe, obwohl er weiß, dass er sie nie mehr wieder sehen wird, weil sie anderntags abreisen werden. Am Kapuzinertheater hat Franz-Josef Heumannskämper Die Frau von früher für seine Verhältnisse sehr klassisch inszeniert, er hält sich sogar ziemlich genau an Schimmelpfennigs Regieanweisungen. Das Stück spielt in einer schon leer geräumten Mietwohnung, die äußerst schlicht von Daniel Jassogne umgesetzt wurde. Heumannskämpers Ideenreichtum, seinen spritzigen Stil erkennt man hier besonders an der Geräuschkulisse und den Toneinlagen – Cary Greisch spielt live Gitarre dazu, wie eine Hommage an den Beatles-Song I will, den Frank Romy Vogtländer wohl damals als Liebesschwur vorsang. Manchmal wirken die Verzerrungen oder die allzu romantischen Passagen allerdings auch peinlich. Die größte Schwäche der Produktion ist die Besetzung: man nimmt Barbara Michel nicht wirklich die Erotik oder Gefährlichkeit der Romy Vogtländer ab, und bei Hans-Jörg Freys Frank spürt man nicht wirklich die Midlifecrisis, durch die er offensichtlich zwischen der Frau von früher und der von heute hin und her gerissen ist. Martina Roths Claudia ist okay, eine Geschäftsfrau offensichtlich, sportlich und selbstbewusst – Romy Vogtländer scheint nicht wirklich eine Gefahr für sie darzustellen, genau deshalb wird sie es. Frisch und unverbraucht sind die beiden Interpreten von Tina und Andi: Verena Saake gibt eine ständig etwas aufgeregte, auf jeden Fall bedingungslos verliebte Tina, während Max Thommes (der einzige lokale Schauspieler der Produktion) sehr beeindruckend die ungebändigte Lebenslust und die Freiheit der Jugend vermittelt.
Die Frau von früher von Roland Schimmelpfennig, Regie und Ausstattung: Franz-Josef Heumannskämper; Bühne: Daniel Jassogne; Live-Music: Cary Greisch; Regieassistenz: Claire Thill, Licht: Magnus Rösch; mit: Hans-Jörg Frey, Martina Roth, Barbara Michel, Max Thommes, Verena Saake; weitere Vorstellungen morgen, Samstag 13. Mai, und am kommenden Donnerstag, dem 18. Mai, jeweils um 20 Uhr. Weitere Informationen unter www.theater-vdl.lu.