„Hollywood ist ein Ort, an dem sie dir tausend Dollar für einen Kuss bezahlen und fünfzig Cents für deine Seele“, hat die Schauspielerin Marilyn Monroe angeblich einmal gesagt. Sie gilt wie kaum eine andere Darstellerin durch die gezielte Inszenierung und Ausbeutung der amerikanischen Filmindustrie auch heute noch als archetypisches Sexsymbol des 20. Jahrhunderts. Die Netflix-Serie Hollywood verspricht dieses unmoralische System zu dekonstruieren. Doch trotz vielversprechendem Anfang dringt die Serie nicht zu den Verbindungen von Glanz und menschlicher Ausbeutung durch. Es ist vielmehr die Idee von Hollywood als Traumfabrik, die hier sehr wörtlich zum Ausgangspunkt der Handlung Mitte der 40er-Jahre wird: Die von Ryan Murphy konzipierte Serie erzählt eine Alternativgeschichte, eine Fiktion, in der zielstrebige Frauen, Afroamerikaner und Homosexuelle das Filmgeschäft von innen aufwirbeln.
Die unmittelbare Nachkriegszeit und die McCarthy-Ära bilden den historischen Rahmen, in dem sich dieses Märchen entfalten kann: Jack Costello (David Corenswet), ein aufstrebender Schauspieler, muss dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen, um seine Familie ernähren zu können. Als Tankwart getarnt, kommt der Callboy mit Avis Amberg (Patti LuPone) in Kontakt und sieht seine Chance, sich dieses entwürdigenden Nebenjobs zu entledigen. Nachdem Ambergs Mann, ein mächtiger Studioboss, ins Koma gefallen ist, nutzt sie das Vakuum innerhalb dieser Männerdomäne, um mit dem Einverständnis einiger Kolleginnen eine Filmproduktion durchzusetzen, die für damalige Verhältnisse an skandalträchtigem Ausmaß kaum zu überbieten ist. Der Film „Meg“ ist eine Geschichte um einen aufstrebenden Star in Hollywood, nach einem Drehbuch des afroamerikanischen Autors Archie (Jeremy Pope) mit einer jungen Afroamerikanerin Camille (Laura Harrier) in der Hauptrolle unter der Regie des Philippinen Raymond (Darren Criss). Und dann ist da noch Rock Hudson, einer der aufstrebenden Stars, der für die männliche Hauptrolle vorgesehen ist, dessen Homosexualität es allerdings zu vertuschen gilt. Es ist die kunstvolle mise-en-abyme dieser Handlung, die eine metareflexive Deutungsebene förmlich aufzwingt: Drehbuchautor Archie wird von seinem Produzenten aufgefordert, das Ende von „Meg“ so umzuschreiben, dass sich die Titelheldin nicht vom bekannten Hollywood-Schriftzeichen in den Tod stürzt, sondern die innere Verzweiflung überwindet und so das heilvoll-positive Image der Traumfabrik gewahrt bleibt.
Und so dürfte es auch nicht weiter verwundern, dass da auch in der Serie Hollywood alles auf die große versöhnliche Geste hinauslaufen wird. Die Bild- und Tongestaltung spiegeln diese Haltung ebenfalls wider: die Filmindustrie als eine gesättigte, bunte Farbenwelt, in der sich Menschen bewegen, die selbst wie Filmfiguren aussehen. Auch sehen wir eine Bar, im Hintergrund spielt As Time Goes By und wir hören die Stimme von Dooley Wilson; deutlicher kann man nicht markieren, dass auch die fiktionalen Bilder, die uns von Hollywood erzählen wieder ihre eigene innere Filmwelt ausbilden.
Natürlich will sich Hollywood auf die Gegenwart projiziert sehen: Da gibt es einerseits den Produzenten Henry Willson (Jim Parsons, The Big Bang Theory), der seine Schauspieler sexuell nötigt, aber an Einfluss im Filmbetrieb verliert. Der dominierende Gestus ist somit der einer verklärenden Huldigung, in der alles möglich ist; eine Zeit, in der der Kampf um eine neue (Film-)Nation Amerika angebrochen ist.Der Kampf ums Überleben, um eine Identität innerhalb der Unterhaltungsindustrie verbindet sich mit dem Einstehen für das individuelle Glück, dass Leute, auch die Marginalisierten der Gesellschaft, die sich lieben, über alle Gräben zueinander kommen können jenseits von Klassen, Rassen oder gesellschaftlichen und ethischen Gruppierungen.
Von der desillusionierten, zynischen Haltung von Billy Wilders selbstreflexivem Klassiker Sunset Boulevard (1950!), der sehr viel präziser (und mit deutlich weniger Laufzeit) die Worte Marilyn Monroes ins Bewusstsein ruft, ist Hollywood indes weit entfernt.