Es war eine kleine Sensation, was die Abgeordneten der parlamentarischen Justizkommission auf ihrer Sitzung am vergangenen Mittwoch beschlossen haben. Weil die von der CSV vor Jahren begonnene Scheidungsreform noch immer auf Eis liegt, haben sie das Heft in die Hand genommen und entschieden, die Arbeiten eigenständig vorantreiben. „Wir möchten, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden“, sagt Felix Braz von Déi Gréng, der jedoch nicht daran glaubt, dass dieReform noch vor den Wahlen durch ist. „Dafür ist das Unterfangen zu komplex.“
Aber eine Arbeitsgrundlage zu schaffen, das wäre doch etwas. Die Anschubhilfe hat die Regierung bitter nötig. Seit fünf Jahren, seit Mai 2003, liegt ein entsprechender Entwurf aus dem Justizministeriumvor. Ziel sollte sein, das verstaubte luxemburgische Scheidungsrecht zumodernisieren und einzuführen, was in den Nachbarländern zum Teil seitJahrzehnten schon gesprochenes Recht ist: das Zerrüttungsprinzip solldas konfliktträchtige Schuldprinzip ablösen. Die Frage, ob jemand fremdgegangen ist und wer Schuld hat am ehelichen Zerwürfnis, hätte die Richter in einer ersten Phase dann weiter nicht zu kümmern. So sollte das aufwändige Scheidungsverfahren erheblich gestrafft werden.
Zwei Gesetzesvorschläge von Jacques-Yves Henckes (ADR) und Laurent Mosar (CSV) von 2004 sahen ergänzend zur Scheidungsreform das gemeinsame Sorgerecht auch für nicht verheiratete Paare vor. Doch obwohl der Staatsrat in seinem Gutachten vom März 2004 mahnte, im selben Zug müsse auch das Abstammungsrecht modernisiert werden, und obwohl die Regierung versprach, dazu einen Text auszuarbeiten, tat sich all die Jahre ... nichts. Selbst als Mosar gemeinsam mit Parteikollegin Marie-Josée Frank seine Vorlage überarbeitete und zusätzlich zur „responsabilité parentale“ auch das „droit de filiation“ vorsah, wurde dies nicht aufgegriffen (d’Land vom 14.03.08). DieRegierung schien das Thema aussitzen zu wollen. Als dann im Sommereine Unterkommission zur Scheidungsreform ins Leben gerufen wurde,kritisierten Skeptiker dies als Aktionismus, mit der der rechte Flügelder Christlich-Sozialen das unbequeme Thema weiter auf die lange Bankschieben wolle.
Die Schwarzseher könnten die Abgeordneten mit ihrer konzertiertenAktion nun Lüge strafen – sofern es ihnen gelingt, das hohe Beratungstempo beizubehalten. Kommissionsmitglieder berichten übereinstimmend vom „konstruktiven“ Arbeitsklima. Dass die Justzikommission den Schlachtplan der Unterkommission angenommenhat, dann eben ohne Regierungsvorlagen fortzufahren, kann als erster Erfolg gesehen werden. Dafür sollen die drei Gesetzesvorschläge,plus jenen über die Mediation der Sozialistin Lydie Err, zu einem Paketgeschnürt werden. „Wir werden versuchen, einen zusammenhängendenText daraus zu machen“, sagt Berichterstatterin Christine Doerner (CSV).
Auf der Prioritätenliste ganz oben steht das elterliche Sorgerecht. Diesbezügliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien scheinen am ehesten überbrückbar. Jacques-Yves Henckes plädiert für den Erhalt der Bezeichnung „autorité parentale“. „Damit deutlich bleibt, dass es sich um elterliche Rechte und Pflichten handelt“, sagte der ADR-Mann dem Land. Dass er sich damit durchsetzen kann, ist unwahrscheinlich: Auf europäischer Ebene wird der Begriff „elterlicheVerantwortung“ ebenfalls favorisiert. Es gehe darum, „Eltern für die Erziehung ihrer Kinder zu responsabilisieren“, so Doerner, die zuversichtlich ist, dass sich der „Streit um Worte“ noch auflösen wird.Schwieriger dürfte es werden, wenn es um den Kern der Reform, das Scheidungsrecht, geht. Zwar herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, das alte Schuldprinzip abzuschaffen. Aber wie das Scheidungsverfahren genau aussehen soll, darüber gibt es recht kontroverse Auffassungen.
Auch die Unterhaltsregelung wird noch für Zündstoff sorgen. Die Sozialisten wollen, wie die Grünen, keine „pension alimentaire“, deren Ziel es ist, durch eine Scheidung entstandene Änderungen im Lebensstandard des Ehepartners auszugleichen. „Das kommt einer Aufforderung zur Ehe als Versorgungsgarantie gleich“, so Felix Braz. Eine „gefährliche Falle“, angesichts hoher Scheidungsraten und der Tatsache, dass ein Einkommen immer seltener für den Unterhalt einer Familie ausreiche. Auch die ADR müsste sich, spätestens seit der Kooperation mit der Männervereinigung AHL, für diese Argumentationerwärmen können. Dass der Passus dennoch im Entwurf steht, zeigt,wie schwer es insbesondere der CSV fällt, sich vom Anachronismus derVersorgerehe zu verabschieden. Und wie wenig es der LSAP bisher gelungen ist, dem Koalitionspartner in diesem Punkt Paroli zu bieten.
Das gilt auch für die Individualisierung der Sozialrechte, die zumindestTeile der LSAP sowie Déi Gréng gerne parallel in Angriff genommen hätten. Der Regierungsentwurf von 2003 sieht außer einem vagen Hinweis bei der Unterhaltsregelung keine wirklichen Rechte für den geschiedenen Ehepartner vor, selbst wenn dieser die gemeinsamen Kinder gehütet und deshalb keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Damit jene bei der Alterssicherung nicht leer ausgehen, fordertenFrauenorganisationen das Rentensplitting – als Übergangsregime, bisdie Politik ein tragfähiges Modell entwickelt hat, das es auch verheirateten Hausfrauen wie -männern erlaubt, eigenständige Rentenrechte aufzubauen.
Als mit Mars Di Bartolomeo ein Sozialist das Rentendossier übernahm,war die Hoffnung insbesondere bei den sozialistischen Frauen groß, endlich die politisch brisante Frage der Individualisierung angehen zu können. Doch dessen Arbeitsgruppe hat noch immer keinen Entwurf vorgelegt. „Das ist ein Fiasko. In der Rentenfrage hat sich rein gar nichts bewegt“, ärgert sich Felix Braz. Nun hat Lydie Err in der Parlamentskommission angekündigt, demnächst einen Entwurf zu Splitting und Individualisierung präsentieren zu wollen. Ein schwacher Aufhänger zwar, aber die – vielleicht letzte – Chance der Sozialisten,im Rentendossier vor den Wahlen wenigstens noch ein kleinesSignal zu setzen.