Unauffällig wird nächste Woche eine der ältesten Parteien des Landes hundert Jahre alt. Am 2. Januar 1921 hatten zwei Dutzend sozialistische Kongressdelegierte im Differdinger Café Josy Anen die Kommunistische Partei gegründet. Die Sozialistische Partei hatte sich wegen der Zugehörigkeit zur Dritten Internationale gespalten. Das heißt wegen der Frage, welche politische Rolle die Gewerkschaften und ihre Führung spielen sollen. Die Frage ist bis heute ungeklärt.
Es war eine Partei von Bergleuten, die unter der Erde gelernt hatten, einander zu vertrauen, um zu überleben. Es war eine Partei von Stahlarbeitern, die von großen Fabriken zu einem großen Arbeiterheer vereint worden waren. Die gerade siegreiche Oktoberrevolution ließ sie und ihre Familien vom Ende ihrer täglichen Mühsal träumen. Sie waren überzeugt, dass ihnen dies unter den herrschenden Verhältnissen von privaten Produktionsmitteln, Lohnarbeit, Warenwirtschaft und repräsentativem Parlamentarismus nicht gegeben war. Heute wird das internationale Wettbewerbsfähigkeit genannt.
Dass die Kommunistische eine systemfeindliche Partei sein musste, bestätigten als erste ihre Gegner: Die Schmelzherren und Bergwerksbesitzer, die ihre Mitglieder brotlos machten; die Gendarmen, die ihre Versammlungen bespitzelten; die Richter, die ihre Aktivisten verurteilten; die Fremdenpolizei, die ihre Mitglieder über die Grenze setzte; die Regierung, die Berufsverbote verhängte; das Parlament, das ihren ersten Abgeordneten absetzte; Joseph Bech der ihr einen Maulkorb anlegen wollte; die Nazis, die ihre Widerstandskämpfer umbrachten; der Service de renseignement, der ihren Abgeordneten nachstellte.
Im Laufe ihrer hundert Jahre stellte die Kommunistische Partei zwei Minister, erreichte Fraktionsstärke im Parlament, stellte Bürgermeister und Schöffen der größten Industriestädte und Betriebsräte der Schwerindustrie, setzte beim Ausbau des Sozialstaats LSAP und Gewerkschaften unter Erfolgszwang und gibt bis heute eine der letzten kommunistischen Tageszeitungen Westeuropas heraus. Kam sie damit ihrem Ziel näher? Vielleicht ist sie noch immer systemfeindlich. Sie beruft sich als letzte Partei auf den Marxismus. Das heißt irgendwie darauf, dass ständig in Klassenkämpfen um Mehrwert gestritten wird und dem selbst Mindestlohn, Kündigungsschutz und Krankenversicherung kein Ende bereiten.
Die gesellschaftliche Ausgrenzung, der Mangel an personellen und intellektuellen Ressourcen in einem winzigen Land machten die bald dynastisch geführten Kommunisten ultramontan wie die Luxemburger Katholiken. Am Ende schadete das ihnen wohl mehr als es ihnen nutzte. Zum Umgang mit den gesellschaftlichen Umwälzungen vom Land der roten Erde zum Steuer- und Satellitenparadies verfügten sie nur über eine angestaubte Orthodoxie. So wie die LSAP mit idealistischen Sprüchen den Opportunismus des Tagesgeschäfts überspielt und die von der KPL abgespaltene Lénk mit geräuschvollen Prinzipienerklärungen den parlamentarischen Reformismus kompensiert, so bleibt der KPL nur noch bombastische Rhetorik, um sich von diesen zu unterscheiden. Denn mit der Schließung der Bergwerke und der Gesundschrumpfung der Stahlindustrie war in den Siebzigerjahren die soziale Basis der Kommunistischen Partei wegrationalisiert worden. Danach waren ihr auch noch die Trümmer der Berliner Mauer auf den Kopf gefallen.
Seither haben Regierung, Polizei, Justiz und Geheimdienst die Verfolgung der systemfeindlichen Partei eingestellt. Nicht einmal die 2017 geschaffene staatliche Deradikalisierungsagentur interessiert sich für die radikalen Gegner der herrschenden Verhältnisse. Das hat wenig mit einer grundsätzlichen Demokratisierung dieser Verhältnisse zu tun. Die Kommunistische Partei ist zu einem Traditionsverein netter Rentner geschrumpft, die niemand mehr Furcht einflößen.