Statec-Wirtschaftsdaten

Alle Angaben ohne Gewähr

d'Lëtzebuerger Land vom 11.12.2008

Die Aussichten sind schlecht, gar katastrophal. Lange hatte das Amt für Statistik, Statec, sich mit neuen Wachstumsprognosen zurückgehalten. Zu schnell, zu drastisch hatten die EU-Kommission und andere Institutionen ihre eigenen Vorhersagen nach unten revidieren müssen, es fehlte dem Statec die Grundlage für neue Berechnungen. Nun gehen die Statistiker für das laufende Jahr von einem Wirtschaftswachstum von nur noch zwei Prozent aus, für das folgende von 0,5. Erst 2010 würde die Luxemburger Wirtschaft wieder um mehr als zwei Prozent wachsen, nämlich um 2,5 Prozent. Das sind die Ergebnisse des zentralen Szenarios, die das Statec am Mon­tag in seiner Konjunkturnote umriss und sie beruhen auf den Vorhersagen der EU-Kommission. Weil die OECD aber jetzt schon viel pessimistischer als die EU-Exekutive ist, stellten die Statec-Statistiker ein alternatives Szenario auf, das dementsprechend düsterer aussieht. Demzufolge würde die Wirtschaft 2008 nur um 1,5 Prozent wachsen, sich 2009 gar um 0,6 Prozent zusammenziehen, sich dafür aber 2010 schon wieder um drei Prozent ausdehnen. Dabei sind alle Angaben mit Vorsicht zu genießen, denn wie es derzeit tatsächlich aussieht in der Luxemburger Wirtschaft, weiß man nicht so genau. Befindet sich  das Land bereits in der Rezession oder nicht? Die Ergebnisse für das dritte Quartal werden erst im Januar vorliegen und für das vierte im Frühling 2009. Allein daran ist nichts außergewöhnlich. Nur kam der Einbruch so plötzlich, dass alles, was man bis dahin wusste, jetzt nicht mehr stimmt. 

Im Mai ging man noch davon aus, dass die Luxemburger Wirtschaft trotz grassierender Finanzkrise weiterhin ihr Leistungspotenzial von vier Prozent halten würde, für 2009 wurden fünf Prozent voraus gesagt. Die Finanzkrise in den USA würde „Schleifspuren“ in der Luxemburger Wirtschaft hinterlassen, hatte Staatsminister Jean-Claude Juncker im Frühjahr gemeint. Seither gleichen die Spuren eher denen eines Schwerlasters, der sich im Matsch festgefahren hat. „Historisch schwache Zahlen“, musste Statec-Chef Serge Allegrezza vorlegen. Angesichts dieser Vollbremsung ist es fast gleichgültig, ob man sich nun tatsächlich in der Rezession befindet oder nicht, ob das Wachstum 2009 leicht über oder leicht unter null liegen wird. Die Verlangsamung an sich ist schlimm genug. 

Ob eine Besserung tatsächlich schon 2010 zu erwarten ist, wurde mittlerweile auch schon wieder in Frage gestellt. Juncker sagte am Dienstag am Rande einer Preisverleihung in Bonn, er rechne eigentlich erst 2011 mit einer Besserung des europäischen Wirtschaftsklimas. Bisher wuchs die Luxemburger Wirtschaft – der starken Finanzbranche sei Dank – zwar immer stärker als die des Euro-Raumes insgesamt. Doch bis zum 30. September stiegen die Provisionen der Banken in Luxemburg auf Jahresbasis um 92 Prozent, das Nettoresultat fiel um 13 Prozent und die Steuerabgaben auf Einkommen und Gewinne um 30 Prozent. 

Das verheißt nichts Gutes für den Staatshaushalt, der noch auf der Hyothese beruht, dass die Wirtschaft um drei Prozent wachsen würde. Auf Basis der im Oktober vorhandenen Daten gehen die Statistiker für das laufende Jahr zwar noch von einem Überschuss von 2,3 Prozent oder 854 Millionen aus. 2009 würde der Überschuss aber weiter schrumpfen, bis auf 1,1 Prozent. Das wäre dann der Fall, betonen die Autoren der Konjunkturnote, wenn der Haushalt à la lettre ausgeführt würde, wie dies Juncker und Budgetminister Luc Frieden versprochen haben. Dazu gehören auch die Steuererleichterungen für Privatpersonen und Unternehmen. Den Privathaushalten werden dadurch insgesamt 460 Millionen Euro zur Verfügung ge­stellt, 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die positiven Aus­wirkun­gen auf das Wirtschaftswachstum berechnet das Statec auf gerade mal 0,25 Prozent. 

Damit diese Maßnahmen nicht völlig im Sande verlaufen, müssen die Verbraucher zunächst einmal gewillt sein, die Steuergeschenke an der Laden­theke auszugeben. Das Verbrauchervertrauen fiel aber im Oktober, dem bis­herigen Höchstpunkt der Ban­ken­kri­se, auf ein Rekordtief. Haupt­ur­sachen dafür waren die Angst vor der allgemein schlechten Konjunkturlage und vor Arbeitslosigkeit. Ihre eigene finanzielle Situation sahen die im Oktober Befragten hingegen etwas optimistischer, vor allem was die Möglichkeit betrifft, eigene Ersparnisse zu steigern. Ob die Steuergeschenke auf der hohen Kante landen werden? Denn ob das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel gut läuft, vermag Thierry Nothum von der Handelsvereinigung CLC noch nicht zu sagen. Weniger geklagt werde derzeit im Lebensmittelhandel, davon abgesehen beobachte man seit Anfang des Jahres eine gewisse Zurückhaltung der Kunden. „Global gesehen, gibt es einen leichten Rückgang. Das ist bis jetzt noch keine Katastrophe“, so Nothum. Vor allem aber seien die Absatzzahlen auch nach zwei verkaufsoffenen Sonntagen von Branche zu Branche, von Geschäft zu Geschäft so unterschiedlich, dass eine allgemeine Schlussfolgerung überhaupt nicht möglich sei. In der Vergangenheit habe sich aber gezeigt, dass sich ein Einbruch des Verbrauchervertrauens in den Geschäften mit ein, zwei Monaten Verspätung bemerkbar mache. 

Dass die Banken dabei helfen, den Konsum anzukurbeln, kann man mit Blick auf die gängigen Zinssätze für Verbraucherkredite nicht unbedingt bestätigen. Denn nachdem die Europäische Zentralbank den Leitzins vergangene Woche mit einem drastischen Schritt von 75 Basispunkten auf 2,5 Prozent gesenkt hat, verlangen die Luxemburger Banken weiterhin zwischen 6,9 und 7,5 Prozent Zinsen auf Konsumkrediten. Mit einer Anpassung nach unten wird bei den meisten Banken erst im neuen Jahr gerechnet, rechtzeitig zum Autofestival.

Weitere 185 Millionen Euro an Steuereinnahmen lässt sich die Regierung die Anpassung des Steuersatzes für Unternehmen kosten. Der Wirkungsgrad dieser Entscheidung ist laut Statec deutlich höher als der der Maßnahmen für die Privatpersonen. Bei wesentlich geringerem finanziellem Aufwand würden die Auswirkungen auf das Bruttoinlandprodukt immerhin noch 0,1 bis 0,2 Prozent des BIP betragen. Insgesamt könnten die Steuererleichterungen das Wachstum der Luxemburger Wirtschaft um 0,4 Prozent maximal ankurbeln. Die Maßnahmen kosten viel und bringen wenig, würde man in Zeiten gesunder Konjunktur schlussfolgern. Da aber das optimistischere der beiden Statec-Szenarien überhaupt nur 0,5 Prozent Wachstum fürs kommende Jahr vorsieht, wäre dieses Fazit wohl doch etwas übereilt. 

Dennoch versuchte man am Montag bei der Vorstellung der Konjunkturnote, die positiven Aspekte hervorzuheben. Nicht nur das Wachstum, die Inflation sinke und dies werde sich im Geldbeutel der Haushalte positiv bemerkbar machen. Gegen Jahresende würde die Teuerungsrate bei nur noch zwei Prozent liegen, gegenüber fünf Prozent im Juli. Hauptursache für die starke Geldentwertung waren die steigenden Lebensmittelpreise – Milchprodukte wurden zwischen zehn und 15 Prozent teurer, Produkte auf Basis von Weizen zwischen sechs und 20 Prozent – sowie die historisch hohen Erdölpreise. Deswegen sind auch dort die Hauptursachen für die Stabilisierung der Preise zu suchen: Innerhalb kurzer Zeit fielen die Rohölpreise um zwei Drittel von über 130 auf 40 Dollar das Fass. Für das nächste Jahr rechnet das Statec mit einer Inflationsrate von 0,9 Prozent, davon ausgehend, dass die Rohölpreise bei rund 54 Dollar pro Barrel Brent bleiben und der Euro 1,27 Dollar wert sein wird. 

Viel mehr positive Aspekte gab es nicht. Die Arbeitslosenrate, warnte das Statec, werde mit einiger Verzögerung auf die Krise reagieren. Dass die Arbeitslosigkeit steigen wird, daran ließen die Statistiker allerdings keinen Zweifel. Bis auf sechs Prozent 2010. Dass nicht jetzt schon mehr Arbeitnehmer ihren Job verloren haben, liegt vor allem daran, dass so viele Firmen wie nie zuvor Kurzarbeit beantragt und bewilligt bekamen.

Am heutigen Freitag stellt die Zentralbank ihr zweites Bulletin für das Jahr 2008 vor. Auch sie wird wohl ihre Prognosen nach unten korrigieren müssen. 

Michèle Sinner
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