Edelmenschen aus Junglinster

Wouscht

d'Lëtzebuerger Land vom 07.09.2012

Heute loben wir die Edelmenschen von Junglinster. „Wouscht“, abgeleitet vom deutschen „Wust“, bezeichnet sowohl das Durcheinander und die Unordnung, als auch das Minderwertige, das Verachtenswürdige, den Dreck. „Hal dech net mat esou engem Wouscht op (Gesindel, Pack)!“, moniert exemplarisch das mittlerweile zurückgezogene Luxemburger Wörterbuch. Gemeint ist hier buchstäblich der menschliche Abfall, die verkommene, verdorbene Variante des Homo sapiens. Es hängt natürlich immer von der Perspektive ab. Wer andere als „Wouscht“ bezeichnet, muss selber ein unfehlbarer Edelmensch sein. Zwei solcher Edelmenschen sind nun in Junglinster an die Öffentlichkeit getreten. Gut zu wissen, dass in dieser schmucken Kommune ein paar reinrassige Luxemburger leben. Unser Edelvölkchen ist also noch weit entfernt vom Aussterben.

Wie die Bürgermeisterin von Junglinster berichtet, zogen die beiden Edelmenschen mit einer Petition von Tür zu Tür und fragten die Bewohner: „Wëllt Dir dee Wouscht hei bei eis hunn?“ Mit diesem sehr präzisen, sehr wissenschaftlichen Begriff meinten sie die Handvoll Asylbewerber, die demnächst in Junglinster untergebracht werden sollen. Allein die Formulierung der Suggestivfrage beweist, dass die Edelmenschen über ausgeprägte hellseherische Fähigkeiten verfügen. Sie wissen nicht, wann die Asylbewerber kommen, woher sie stammen, was sie zur Flucht aus ihrer Heimat bewegt, aber sie können mit stupender Sicherheit sagen: „Et ass Wouscht.“ Nach solchen Hellsehern würden sich viele Kommunen die Finger lecken. Solche Intelligenzbolzen sollten wir auf Händen tragen.

Übrigens: Warum wird denn in Junglinster mit großem Aufwand eine prächtige Umgehungsstraße gebaut? Dieses Bauwerk dient dazu, alles an Junglinster vorbei zu schleusen, was nicht nach Junglinster gehört. Trotzdem wird die neue Trasse von allerlei Eindringlingen grandios ignoriert. Sollen hier Millionenbeträge in den Sand gesetzt werden? Die Edelmenschen würden vermutlich sagen: Höchste Zeit, eine gewaltige Umgehungsstraße am gesamten Großherzogtum vorbei zu bauen. Der „Wouscht“ hätte dann keine Chance mehr, überhaupt noch bis vor die Tore von Junglinster vorzudringen. Er würde irgendwo in den Ardennen oder im Hunsrück versickern.

Machen wir uns nichts vor: die künftigen Leiden der Edelmenschen von Junglinster sind einfach unerträglich. Ihren Edelkindern werden die Asylbewerber Tag für Tag auf dem Schulweg auflauern, mit blanken Messern in der Faust, wenn nicht gar mit noch wüsteren Waffen im Gepäck, Metzgerbeilen zum Beispiel oder handlichen Guillotinen. Es ist ja inzwischen aktenkundig, dass überall dort, wo Asylbewerber auftreten, tagtäglich wehrlose Kinder geschlachtet werden. Unsere Schulklassen werden dezimiert, unser Nachwuchs wird schändlicher Weise zu Aufschnitt verarbeitet. Ein derart grausames Schicksal haben die Edelmenschen nicht verdient. Sie sind die reine Seele von Junglinster, der intakte Wesenskern der Ortschaft. Wir sollten sofort über Schutzvorrichtungen nachdenken.

Wie wäre es denn, wenn der Gemeinderat von Junglinster den kommunalen Edelmenschen ein Tunnelsystem bauen würde, das ihnen erlaubt, unterirdisch dem „Wouscht“ zu entkommen? Also eine komplette Kasemattenanlage, mit direkten Verbindungen zur Schule und zum Laangwiss-Kommerzparadies? Vielleicht wäre auch ein zusätzlicher Tunnel zu einer urigen Gastwirtschaft angebracht, denn die Edelmenschen brauchen dringend die geistige Nahrung vom Stammtisch. Alle anderen Lösungen würden auf Dauer die Gemeindekasse ruinieren. Wir können uns kaum vorstellen, dass die Edelkinder mit Rüstungen, gepanzerten Kleidern und Schusswesten beliefert werden, um ihren Schulweg einigermaßen heil zu überstehen.

Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, mit einer steifen Garderobe können sie sich kaum anfreunden. Es müssten also eigens Fachkräfte freigestellt werden, um ihnen das beschwerliche Laufen im Sicherheitskostüm beizubringen. Und die Gefahr ist beträchtlich, dass sich der „Wouscht“ ermutigt fühlt, mit noch gröberem Geschütz diesen gepanzerten Kindern zu Leibe zu rücken. Also bräuchten wir Begleitpersonal, schwer bewaffnete Schutzengel, die Tag für Tag mit den Edelkindern den Spießrutenlauf zur Schule absolvieren. Das alles schlägt natürlich schwer ins Geld. Ein Tunnelsystem hingegen wird installiert, und fertig. Es ist sauber, praktisch und pflegeleicht. Diese subterrane „Wouscht“-Umgehungsstraße unterwandert buchstäblich die lauernden Asylbewerberhorden. Der „Wouscht“ wuselt hilflos an der Oberfläche und hat das Nachsehen. Mit dem täglichen Edelkinderknacken wäre dann Feierabend.

Einen kleinen Nachteil müssten die Edelmenschen von Junglinster allerdings in Kauf nehmen. Sie würden förmlich unter der Erde verschwinden und wären demnach vollends unsichtbar. Das ist tragisch und ungerecht. Ihr leuchtendes Beispiel würde kein Mensch mehr wahrnehmen. Vielleicht könnte die Kommune ja überlegen, ob sie nicht doch überirdische Panzerglastunnels bauen könnte. Man sollte seine Lichter nie unter den Scheffel stellen.

Guy Rewenig
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