Kunst der Verwandlung

Druckers Schwärze

d'Lëtzebuerger Land vom 29.06.2012

Heute loben wir die Kunst der Verwandlung. Haben Sie schon an dieser Land-Ausgabe im brandneuen Gewand geschnuppert? Falls Ihnen ein markanter Weihrauchduft in die Nüstern steigt, oder vielleicht nur ein muffiger Sakristeigeruch, liegen Sie mit Ihrer Prognose genau richtig: Plus de hauteur, wie es in der Reklame für das neue Format heißt, bedeutet hier tatsächlich plus près de toi, mon Dieu. Es gibt im ganzen Großherzogtum offenbar nur eine einzige Rotationspresse, die das ästhetisch reformierte Land fachgerecht drucken kann, und die steht ausgerechnet im Machtzentrum des Erzbistums. Wir möchten dem heiligen Paulus nicht zu nahe treten, aber uns gefiel er besser in seiner ursprünglichen Verfassung, als er noch Saulus hieß und noch nicht in die Fänge der klerikalen Seelenhändler geraten war. Jetzt sind wir ganz schön in der Bredouille. Sollen wir diese erbauliche Rubrik umtaufen und sie Made in Maryland nennen? Oder sollen wir uns gar reumütig an die Brust klopfen und flectamus genua rufen?

Nichts von alledem. Heute ist ein schwarzer Tag, soviel steht fest. Die Schwärze wird ab jetzt von der Sankt-Paulus-Druckerei ins Land gepumpt. Das soll uns aber nicht daran hindern, künftig noch öfter als gewohnt zu versuchen, ins Schwarze zu treffen. Irgendwie haben wir den Verdacht, dass der Wechsel ins Mutterhaus des heimischen Obskurantismus nur ein kühner Scherz der Land-Macher ist. Sie fassen sozusagen im Handstreich Fuß mitten im Herzen der klerikalen Reaktion. Diese Unterwanderung verspricht. Wir halten ja das verehrte Land für ein letztes Bollwerk gegen die Zensur, also gegen die gezielte Beschneidung und Verstümmelung der freien Meinungsäußerung. Fast alle anderen Zeitungen haben inzwischen der Zensurversuchung nicht widerstanden, zuletzt das Monatsmagazin Forum, das sich in einem Leitartikel klar zur meinungstechnischen Selektion (sorry, ist nur eine liebliche Umschreibung für Zensur) bekennt: in einem Dossier über die Schulreform durften keine kritischen Lehrer zu Wort kommen, mit dem Argument, sie seien „Hetzer“. Dieser Begriff kommt uns bekannt vor. Da landen wir ja gleich wieder in der Sankt-Paulus-Druckerei. So schließt sich leider der Kreis.

Unsere Sorge gilt vor allem der bedauernswerten Druckerpresse, die fortan Woche für Woche das giftige Land bewältigen muss. Die Frage ist, ob Druckerpressen eine politische Meinunghaben? Wir möchten hier wirklich keinen animistischen Zauber veranstalten, doch es könnte ja sein, dass eine Druckerpresse insgeheim gewisse ideologische Präferenzen hegt. Vielleicht will sie lieber weihwassergeschwängertes Zeug drucken statt vitriolhaltiges Gemecker. Vielleicht ist das Arrangement mit den Pfaffen ja gemütlicher als der Dauerstress mit den Freigeistern. Sollte also diese einzige und einzigartige Rotationspresse tatsächlich mit ihren Besitzern schäkern, lebt das Land ab heute gefährlich. Dann könnte es passieren, dass „gewisse Stellen“ quasi automatisch geschwärzt werden (schon wieder diese obsessive Farbe!) oder ganz aus dem Layout rutschen. Nein, pardon, das möchten wir den Sankt-Paulus-Jüngern nicht unterstellen. Sie sind ja so liberal. Für den schnöden Mammon schlucken sie sogar die fettesten Kröten. Resolut mit Weihwasser nachspülen, schon ist der Magen wieder in Ordnung.

Jetzt werden wir schnell noch ein bisschen romantisch und hoffen, dass diese Rotationspresse, die im Ruf herausragender Leistungsstärke steht, eine sensible und intelligente Maschine ist. Vielleicht wirkt die neue Nahrungszufuhr aus den Bezirken jenseits des Erzbistums auf Dauer ja wie eine Frischzellenkur. Vielleicht wird die Druckerpresse mit der Zeit sogar verwegen und rebellisch. Dann könnte es vorkommen, dass sie sich weigert, Sätze wie diesen zu drucken: „La satire consiste, ici plus qu’ailleurs sans doute, à souiller le nid dans lequel on se pose, exercice que la langue allemande désigne par le terme ‘Nestbeschmutzung’“ (Gaston Carré, Luxemburger Wort, 14. Juni 2012). Wir können die geistige Kontinuität dieser schwarzen Herrschaften nur bewundern. Denn schon am 5. Mai 1973 schrieb der Mentor der heutigen Wort-Kulturredakteure, Herr Léon Zeches, an gleicher Stelle: „Möchte der Vogel denn nicht, nachdem er sein Nest beschmutzt hat, flügge werden und die Stätten verlassen, in denen aber auch gar nichts das Leben lebenswert zu machen scheint?“ (dokumentiert im Katalog Satirische Literatur in Luxemburg, CNL 2012).

Die Frage galt dem Schriftsteller Roger Manderscheid, der es gewagt hatte, in seiner zärtlichen Fernsehsatire Stille Tage in Luxemburg ein anderes Heimatbild zu zeichnen, als es den pfäffischen Zensoren genehm war. Die endgültige, entlarvend klare Definition des Begriffs „Nestbeschmutzer“ stammt übrigens von Max Frisch: „Die das Nest schmutzig machen, zeigen empört auf einen, der ihren Schmutz bemerkt und nennen ihn den Nestbeschmutzer.“ Wir rechnen in Zukunft also fest mit der sanften Komplizität der Rotationspresse. Sie möge uns helfen, im schmutzigen Nest noch lange den Nestbeschmutzer zu spielen.

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